200.000 Österreicher leiden an Vorhofflimmern. Diese brauchen eine frühzeitige Behandlung. Doch es mangelt an Therapiemöglichkeiten.
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Am Ordensklinikum Linz Elisabethinen arbeitet man an der Einführung einer revolutionären Methode.
Obwohl es die häufigste Herzrhythmusstörung im Erwachsenenalter ist, gehört Vorhofflimmern hierzulande nach wie vor zu den Stiefkindern der Medizin, sagt Oberarzt Helmut Pürerfellner von der kardiologischen Abteilung des Ordensklinikums Linz Elisabethinen: "Verbesserungen in diesem Bereich gehen nur sehr langsam voran - und Österreich hinkt im westeuropäischen Vergleich nach wie vor weit hinterher."
Ausgelöst wird das Flimmern durch von den Lungenvenen ausgehende Fehlströme des Herzens, was zu Herzschwäche und Schlaganfällen führen kann. Zu der Gefährlichkeit der Erkrankung gehört, dass man deren unspezifische Symptome wie Herzklopfen, Brustschmerzen, Atemnot oder Schwindel oft nicht rechtzeitig mit Vorhofflimmern in Verbindung bringt. "In Österreich müssen wir mit bis zu 200.000 betroffenen Personen rechnen", sagt Pürerfellner.
"Österreich hinkt im Vergleich weit hinterher."
Helmut Pürerfellner
Oberarzt
Wie bei anderen Krankheiten gilt auch hier: Je schneller man ein Flimmern diagnostizieren und mit der Behandlung beginnen kann, desto größer sind die Heilungschancen. Pürerfellner: "In der frühen Phase, in der das Herz noch hin und her springt, vom normalen Rhythmus ins Flimmern und zurück, es noch kein Dauerflimmern ist, haben wir mit Abstand die besten Chancen, dass wir mit einem Eingriff an die 80 Prozent der Patienten anfallsfrei machen können."
Die international durchgeführte Behandlungsmethode erfolgt mittels einer Katheter-Ablation. Dabei werden mit einer Sonde schmerzlos Verödungen an den kritischen Punkten im Herzen entweder mit Hitze oder Kälte durchgeführt. Dauerten derartige Eingriffe bis vor wenigen Jahren noch drei Stunden, konnte mithilfe einer Hochfrequenzmethode die Ablation mittlerweile "auf eine Stunde und teilweise sogar schon darunter" verkürzt werden, sagt Pürerfellner.
Revolutionäre Methode in Arbeit
Am Ordensklinikum Linz Elisabethinen arbeitet man derzeit an der Einführung einer weiteren "revolutionären Methode - der gepulsten Feldablation". Diese Innovation, erklärt Pürerfellner, "scheint noch sicherer zu sein und weniger Kollateralschäden zu verursachen". Dazu gehörten Verletzungen der Speiseröhre oder des Zwerchfells, die aber jetzt schon lediglich mit ein bis zwei Prozent der Eingriffe einhergehen.
Um die Zahl an Katheter-Ablationen in Österreich zu vergrößern, setzt man von ärztlicher Seite auf Ausbildungsprogramme, um dem Mangel an Spezialistinnen und Spezialisten zu beheben. "Um das nötige Wissen und Fertigkeiten als Rhythmologe zu erreichen, dauert es zwei Jahre", rechnet Pürerfellner vor. Neben den ärztlichen Ressourcen mangelt es in Österreich auch an ausreichend Herz-Katheterplätzen. Und als dritten Hemmschuh, der einen Erfolgslauf für Katheter-Ablationen bremst, nennt er das Refundierungssystem: "Die Leistungen werden zwar einzeln gut refundiert, da aber der Topf insgesamt gedeckelt ist, entwickelt sich der Bereich nicht in dem Maße, in dem er sich entwickeln könnte."
Strukturprobleme und Versorgungsengpässe
Pürerfellner nennt als Gegenbeispiel Deutschland, "wo jede Ablation bezahlt wird. Da schießen die Katheterplätze aus dem Boden wie die Schwammerln." Weltweit gesehen ist die Rhythmologie in der Kardiologie das Segment, das sich am schnellsten entwickelt, sagt Pürerfellner: "Weil es ein sehr lukratives Geschäft und damit auch für die Industrie als Wachstumsmarkt sehr interessant ist."
Derzeit werden österreichweit im Jahr durchschnittlich 2000 Katheter-Ablationen durchgeführt; insgesamt dafür infrage kämen jedoch zwischen 60.000 und 70.000 Patienten, schätzt der Experte: "Wenn wir mit anderen Ländern in Westeuropa wie Deutschland oder Holland gleichziehen wollten, müssten wir zwischen 6000 und 7000 Patienten im Jahr ablatieren."
Bis zu einer Lösung dieser Strukturprobleme und einem Ende des Versorgungsengpasses bei Katheter-Ablationen sind Patienten mit Wartezeiten von einem halben Jahr und länger konfrontiert. Wie sollen die Patienten darauf reagieren? "Es gibt Rhythmus-Medikamente", sagt Pürerfellner, "mit denen die Symptome gelindert und das Flimmern eingedämmt werden kann. Damit muss man sich bis zu einem Eingriff drüberhelfen."