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"Wesentlich ist, dass man sich für das Tier interessiert"

Karoline Greimel betreibt seit mittlerweile 20 Jahren die Stadtimkerei Greimel in Salzburg. Wie darf man sich das Imkern in der Stadt vorstellen - und isst man als Imkerin gerne Honig?

Karoline Greimel weiß, was sie tut – sie liebt das pure Leben, das die Bienen mit sich bringen.
Karoline Greimel weiß, was sie tut – sie liebt das pure Leben, das die Bienen mit sich bringen.

Aktuell betreut die 67-jährige Vollblutimkerin eine Million Bienen - ihre sieben Standorte befinden sich unter anderem im Mirabellgarten, beim Museum der Moderne und am Fuße der Festung im Nonntal. Die "Zentrale" liegt in der Salzburger Glangasse - Greimels Bienen sind aber auch in der Steiermark unterwegs.

Wie darf man sich das Imkern in der Stadt vorstellen? Karoline Greimel: Das ist eine gute Frage! Es unterscheidet sich nicht groß vom Imkern am Land, außer: Man muss bedachtsamer mit den Standplätzen umgehen.
Das heißt: Dass man Bienenstöcke nicht dort aufstellt, wo reger Personenverkehr herrscht. Es ist wichtig, dass die Einflugschneise der Bienen zum Bienenstock nie in Richtung Straße oder Gehweg gerichtet ist, weil in dem Fall kollidieren die Bienen mit den Menschen und es entstehen Probleme. Zudem müssen natürlich laut Bienengesetz die Abstände zu den Nachbarn eingehalten werden.

Stadt versus Land - wo imkert es sich aus Sicht der Bienen besser?
Land ist ja nicht gleich Land, muss man dazusagen. Wenn es am Land nur eine Monokultur gibt und/oder viele Pestizide zum Einsatz kommen, dann geht es den Bienen in der Stadt besser. Im Vergleich zum Land gibt es in diesem Fall in der Stadt eine ausgeprägtere Blütenvielfalt. Denn: Blüht am Land die Monokultur nur einen Monat lang und dann ist es wieder vorbei, ist das natürlich schlecht für die Bienen. Ansonsten sehe ich aber keinen Unterschied.

Was hat Sie dazu animiert, in der Stadt eine Imkerei aufzubauen?
Das war ein Forschungsaufenthalt in New York vor zwanzig Jahren: Zu der Zeit waren die Hochhausbienen dort sehr populär.
Ich bin dann nach eineinhalb Jahren in den USA zurück nach Salzburg gekommen und dachte mir, das wäre eigentlich das richtige Haustier für mich. Ich lebte zu der Zeit in einer Penthousewohnung in der Stadt Salzburg und bin sehr viel gereist. Der Gedanke war: Da stelle ich mir einen Bienenstock auf, das ist doch sehr nett. Und so fing alles an.

Ist das so denn ein wirklich gangbarer Weg?
So wie ich es gemacht habe, würde ich es niemandem empfehlen, weil es schon eine fundierte Ausbildung braucht, um Bienen zu halten. Diese ist in Österreich allerdings nicht vorgeschrieben - was ich persönlich sehr schade finde. Sich einfach einen Bienenstock hinzustellen funktioniert aber nicht, man muss schon sehr viel dazu wissen. Ich bin nur den umgekehrten Weg gegangen: Ich war so fasziniert von den Bienen, dass ich nach Anschaffung die dreijährige landwirtschaftliche Schule (Zweig Bienenwirtschaft) absolviert habe.

Welche Fähigkeiten braucht es konkret, um Stadtimkerin beziehungsweise Stadtimker zu werden?
Erstens soll man natürlich keine Bienenallergie haben, zweitens muss man Interesse am Tier mitbringen - und nicht am Produkt. Das ist sehr wesentlich. Drittens muss man auch handwerklich geschickt sein beziehungsweise an manueller Tätigkeit eine Freude haben - weil es als Imkerin oder Imker an den Bienenstöcken und mit Bienen immer wieder etwas zu tun und zu richten gibt und das auch eine schwere, körperliche Arbeit ist. Das unterschätzen viele. Wenn eine Zarge mit Honig voll ist, jongliert man schnell einmal zwanzig Kilo in der Luft hin und her.

Man braucht Durchhaltevermögen und muss dementsprechend dranbleiben, da Bienen das ganze Jahr über Betreuung benötigen. Und man soll natürlich generell Interesse an der Natur haben. Weil man schon auch schauen muss: Was blüht jetzt? Finden meine Bienen genug Futter in der Umgebung? Was blüht als Nächstes? Und so weiter.

"Auf die Natur aufzupassen ist eines der wichtigesten Dinge."
Karoline Greimel
Stadtimkerin

Wie sehen Sie die Lage der Bienen heutzutage? Frei nach dem Zitat "Sterben die Bienen aus, stirbt bald auch der Mensch."
Hier darf man nicht nur die Honigbienen sehen, sondern ebenso die Wildbienen. Wenn man bedenkt, wie viele Insekten täglich aussterben und wie viele schon ausgestorben sind, dann kann man nie genug für Bienen tun.
Aktuell gibt es die Debatte, dass Honigbienen mit den Wildbienen konkurrieren. Meiner Meinung nach muss man das Thema ganz anders aufrollen: Die Menschen müssen generell mehr auf die Natur schauen - wenn ich genug Blühangebot habe und nicht alles totmähe und totspritze, dann haben beide Bienenarten genug Nahrung. Es ist eine Tragik, dass überhaupt so viele Insekten sterben, auf diese Tiere nicht geschaut wird und sie als Ungeziefer abgetan werden.

Sie haben offensichtlich ein Herz für alle Insekten. Wie sehen Sie deren Rolle?
Alleine die Begriffsbildung - Ungeziefer - ist eigentlich schon ein Wahnsinn. Obst und Gemüse wollen die Leute schon haben, aber die Bestäuber, die uns diesbezüglich helfen, sollen weg.
Dass Insekten Nützlinge sind, wir diese Bestäuber brauchen - und jede Wildbiene, Fliege, jeder Käfer bringt Bestäuberleistung - diese Zusammenhänge sehen leider viele nicht. Die Leute meinen oft, der Garten muss sauber, ordentlich und glatt sein. Das kann ich nicht nachvollziehen.

Wie lauten Ihre Tipps für einen bienenfreundlichen Garten?
Einen Garten bienenfreundlich gestalten heißt, regionale Blühpflanzen zu setzen. Mit offenen Blüten, die bieten den Bienen Nektar und Pollen. Sind die Blüten geschlossen, wurden sie umgezüchtet, da ist kein Nektar zu finden. Das sind meiner Meinung nach tote Pflanzen.

Im Laufe der Zeit habe ich gelernt, die Natur immer mehr mit den Augen der Biene zu betrachten. So habe ich zum Beispiel keine Freude an einer Magnolie. Die macht zwar quasi einmal ein Theater, wenn sie blüht, es handelt sich dabei aber um eine tote Pflanze. Ebenso bei der Forsythie.

Generell gilt, dass man darauf schauen sollte, das ganze Jahr über immer Blühpflanzen im Garten zu haben. Es nutzt nichts, wenn im Frühjahr alles blüht und dann nichts mehr.

Vor allem auch in Bezug auf den Herbst, da gibt es oft schon wenig Nahrung für die Bienen. Doch zu dieser Jahreszeit sollte ebenfalls noch etwas blühen - Astern zum Beispiel oder Efeu. Das ist als Imkerin einfach das Entscheidende: Dass man sich für das Tier und seine Bedürfnisse interessiert. Und Bienen sind wirklich unendlich spannend. Sie sind keine Einzelwesen, sie leben in einer Gemeinschaft - und wie das läuft, ist faszinierend.

Sie erzeugen auch Wanderhonig - was genau ist das und wie läuft das ab?
Im Herbst verfrachte ich drei meiner Bienenvölker samt Bienenstock ins Auto und fahre in die Obersteiermark auf die Alm meines Bruders. Dort stelle ich die Bienenstöcke wieder auf und kriege so meinen Waldhonig.
Bei mir heißt der Waldhonig eben Wanderhonig, weil ich mit meinen Bienen in ein anderes Bundesland "wandere".

Baut man zu seinen Bienenvölkern eine ebenso liebevolle Beziehung auf wie zu anderen Haustieren?
Ja, absolut. Man baut zum ganzen Volk eine Beziehung auf, weil das alles einfach so spannend ist. In der Früh schaue ich immer als Erstes raus, ob meine Bienen schon fliegen. Im Frühjahr, nach dem Winterschlaf, ist es dann das pure Leben: Da kommen sie alle aus dem Bienenstock raus, es summt und brummt im Garten - es ist eine richtige Freude!

Nutzen Sie selbst eigentlich auch Honig- und Bienenprodukte als Schönheits- und Gesundheitsmittel?
Ich würde sehr gerne Honig-Esserin sein, weil es so ein tolles Produkt ist. Aber: Ich mag keinen Honig! Ich habe Bienen, weil mich das Tier interessiert und weil ich finde, dass es sich um ein nützliches Hobby handelt. Das ist mein Hauptmotiv. Das Einzige, das ich manchmal als Entzündungshemmer verwende, ist Propolis.

Was möchten Sie abschließend noch festhalten?
Mir ist es ein Anliegen, dass die Naturzerstörung aufhört. Dass die Menschen wieder mehr auf die Natur und ihre Lebewesen aufpassen. Die Tiere tun so viel für uns - das sollte alles wieder mehr geschätzt werden.