Die Bauwirtschaft steht derzeit vor turbulenten Zeiten. Global betrachtet legt sie zwar leicht zu, Europa hinkt jedoch deutlich hinterher und in Österreich sind die Zahlen stark rückläufig. Das bestätigen nationale und internationale Analysen.
Weltweite Bautätigkeit: Trends und Entwicklungen im Bauwesen 2023
So zeigen die Ergebnisse des RICS Global Construction Monitor (GCM) für das zweite Quartal 2023 weiterhin eine leichte Zunahme der weltweiten Bautätigkeit. An der Spitze steht nach wie vor der Bereich Infrastruktur, der in den meisten Ländern ein solides Wachstum verzeichnet. Demgegenüber zeigen sich die Bauaktivitäten im Wohn- und Gewerbebereich weltweit unterschiedlich.
"Die Kreditkonditionen haben sich weltweit verschlechtert und die Befragten rechnen mit einer weiteren Verschärfung der Kreditvergabe in den nächsten drei Monaten, was die Aktivität zweifellos beeinträchtigt", heißt es in dem Bericht.
Auf regionaler Ebene zählen der Nahe Osten und Afrika (MEA) weiterhin zu den stärksten Regionen weltweit. Parallel dazu hat sich der weltweite Bautätigkeitsindex CAI in Nord-, Mittel- und Südamerika im zweiten Quartal etwas weiter in den expansiven Bereich bewegt.
In ganz Europa stagniert der CAI weiterhin, eine Reihe größerer europäischer Märkte wies im zweiten Quartal entweder stagnierende oder negative CAI-Zahlen auf. Dazu gehören Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und die Niederlande. In den meisten Fällen ging die Bautätigkeit im Wohnungsbau deutlich zurück und stagnierte im Bereich Gewerbeimmobilien. Dies spiegelt sich auch in den gedämpften Zwölfmonatserwartungen außerhalb des Infrastruktursektors in Europa wider.
Im Gegensatz dazu verzeichnen die Märkte im Nahen Osten wie Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate und Oman eine steigende Bautätigkeit über alle Sektoren hinweg. In der APAC-Region ist in Indien die stärkste Dynamik zu sehen, in China hat sich die Bautätigkeit abgeschwächt.
Materialkosten und Bautätigkeit: Aussichten für das kommende Jahr
Die Materialkosten sind nach wie vor das am häufigsten genannte Hindernis, das die Bautätigkeit auf globaler Ebene einschränkt. Allerdings ist der Anteil von 75 Prozent auf 71 Prozent gesunken. Auch wenn die Prognosen für die Materialkosteninflation für das kommende Jahr weiterhin hoch bleiben, wurden sie in allen Weltregionen im Vergleich zu Anfang des Jahres weiter reduziert.
Die aktuellen Ergebnisse in Europa zeigen eine Bautätigkeit, die um Dynamik, mit steigenden Materialkosten und einem sich verschlechternden Kreditumfeld kämpft. Beim Ausblick für die kommenden zwölf Monate zeigt sich ein ähnlich gedämpftes Bild mit Ausnahme des Infrastrukturbereichs, in dem die Befragten ein anhaltendes Wachstum der Aktivitäten auf europäischer Ebene erwarten.
Europaweit verzeichnet der Index für die Bautätigkeit einen Wert von minus eins. "Damit zeigt dieser Wert einen flachen Trend in der Bautätigkeit, eine Tendenz, die bereits in den letzten drei Quartalen zu beobachten war", heißt es in dem Bericht. Auf nationaler Ebene verzeichnen Deutschland, die Niederlande und Italien einen Rückgang sowie Frankreich, Großbritannien und Spanien ein weitgehend stagnierendes Umfeld. Im Gegensatz dazu stieg der CAI in Irland auf +24 nach einem bereits positiven Wert von +18 im letzten Quartal.
In Europa verzeichnete der Infrastrukturbereich einen Anstieg der Bautätigkeit, was sich auch in den meisten Ländern widerspiegelte. Im Gegensatz dazu sank die Bautätigkeit im Wohnungsbau in Märkten wie Frankreich, Deutschland (von -25 Prozent auf -33 Prozent), den Niederlanden und Großbritannien, da steigende Zinssätze die Aussichten, den Verkauf und die Preise belasten. Die Bautätigkeit von Gewerbeimmobilien in Deutschland und den Niederlanden zeigt einen ähnlich gedämpften Trend. In Frankreich und Großbritannien blieb die Wohnungsbautätigkeit konstant, in Italien wurde sogar ein bescheidener Anstieg verzeichnet. Auch hier stach Irland heraus, der einzige europäische Markt, in dem die Bautätigkeit in allen Sektoren stieg.
Die Zwölfmonatserwartungen in Europa zeigen mit Nettosalden von minus vier Prozent und minus fünf Prozent für die Bautätigkeit im Bereich Wohnen und Gewerbe ein weitgehend stagnierendes Bild. Dagegen bleiben die Aussichten für den Bereich Infrastruktur/öffentliche Bauten positiv. In Deutschland zeigt sich ein negativeres Bild mit Nettosalden von minus 60 Prozent beim Wohnungsbau, minus 25 Prozent im Gewerbebau und keiner Veränderung im Bereich Infrastruktur/öffentliche Bauten.
68 Prozent der Befragten in Europa und 67 Prozent in Deutschland bezeichnen die Materialkosten als Hemmnis für die Marktaktivität.
Susanne Eickermann-Riepe, Vorsitzende des RICS European World Regional Board (EWRB): "Global zeigt sich eine stabile Bautätigkeit, getrieben durch Infrastrukturmaßnahmen in vielen Teilen der Welt. Im Gegensatz dazu zeigt sich Europa mit einem sehr flachen Trend, der den negativen Bereich noch nicht verlassen hat. Der Ausblick bleibt angesichts des makroökonomischen Umfelds gedämpft."
Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch die Analyse "Global Powers of Construction" vom Beratungsunternehmen Deloitte. "Die zahlreichen Hürden wie Fachkräftemangel, gestörte Lieferketten und Preissteigerungen gehen nicht spurlos an der internationalen Baubranche vorbei und trotzdem setzt sie ihren Wachstumskurs fort. Im abgelaufenen Geschäftsjahr wurde ein Gesamtumsatz von 1,9 Billionen US-Dollar erzielt", betont Gabriele Etzl, Partnerin und Head of Real Estate bei Deloitte Legal. Verantwortlich für den stetigen Umsatzanstieg sind vor allem die chinesischen Bauriesen, das spiegelt sich auch im globalen Ranking wider. So werden die Ränge eins bis sechs ausschließlich von Unternehmen aus China besetzt. Das umsatzstärkste Unternehmen Europas findet sich auf Platz sieben mit der französischen Vinci-Gruppe und einem Umsatz von 64,970 Milliarden US-Dollar.
In der österreichischen Baubranche stimmen die derzeitigen Entwicklungen sorgenvoll
Branchensprecherinnen und -sprecher berichteten erst kürzlich über Auftragsflauten und Umsatzrückgänge. Und dennoch haben es erneut zwei österreichische Unternehmen in das Top-100-Ranking geschafft. Die Strabag belegt mit einem Jahresumsatz von 17,936 Milliarden US-Dollar Platz 21. Im Vergleich zum Vorjahr verliert sie damit leicht um zwei Plätze. Die Porr AG konnte ihre Position verteidigen: Mit einem Umsatz von 6,095 Milliarden US-Dollar findet sie sich erneut auf Rang 55.