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Gutes Klima im Mehrparteienhaus

Alle Gebäude in der Europäischen Union sollen bis 2050 klimaneutral sein. Kann das auch bei Mehrparteienhäusern gelingen? Die "Salzburger Nachrichten" haben einen Hausverwalter und einen Energieberater dazu befragt.

Idealerweise wird ein Haus immer zuerst thermisch saniert.
Idealerweise wird ein Haus immer zuerst thermisch saniert.
„Es steht und fällt alles mit den Kosten“, sind sich Hausverwalter Horst Burkl (l.) und Energieberater Johannes Hanke (r.) einig.
„Es steht und fällt alles mit den Kosten“, sind sich Hausverwalter Horst Burkl (l.) und Energieberater Johannes Hanke (r.) einig.

Rund zehn Prozent der Treibhausgasemissionen in Österreich stammten 2022 laut Umweltbundesamt von Gebäuden. Bis 2050 soll der Anteil gemäß EU-Klimaziel bei null liegen. Um das zu erreichen, müssten wir den Energieverbrauch massiv drosseln und fossile durch erneuerbare Heizsysteme ersetzen. Die fast fünf Millionen Wohneinheiten in Österreich sind zu 56 Prozent Wohnungen oder Doppelhäuser. In Mehrparteienhäusern sind die thermische Sanierung und Heizungsumstellung eine besondere Herausforderung, weil sich wesentlich mehr Menschen einig werden müssen.

Bis 2035 keine fossilen Brennstoffe mehr?

Horst Burkl ist bei der Wohnbaugenossenschaft "die salzburg" für Hausverwaltung und Sanierung verantwortlich. Von den 450 verwalteten Wohnobjekten werden etwa 150 noch mit Öl oder Gas beheizt. Bis 2035 will man die fossilen Brennstoffe hinter sich haben. Um das zu erreichen, werden jedes Jahr zehn bis zwölf Objekte saniert.

Bei Eigentumswohnungen ist der Meinungsbildungsprozess weitaus schwieriger, auch wenn Umfragen zeigen, dass die Mehrheit der Eigenheimbesitzer grundsätzlich sanierungswillig ist. In den 1990er-Jahren gab es bereits einen regelrechten Dämmungsboom. Oft fehlt nur noch die klimaneutrale Heizanlage. Für beide Maßnahmen - thermische Sanierung und Heizungsumstellung - gibt es derzeit großzügige staatliche Förderungen. Dennoch geht zu wenig weiter. Die Sanierungsrate steht in Österreich seit dem Jahr 2015 bei 1,5 Prozent. Knapp drei Prozent wären nötig, um im Gebäudebereich bis 2050 klimaneutral zu werden. Mit jedem Jahr wird das gesetzte Ziel schwerer erreichbar.

Gebremster Sanierungswille

Am zögerlichen Sanierungswillen sind laut Hausverwalter und Energieberater mehrere Faktoren schuld. An erster Stelle stehen die enorm gestiegenen Kosten für alle Baumaßnahmen und der Mangel an Fachkräften, welche die Arbeiten übernehmen könnten. "Bis vor ein, zwei Jahren waren Bewohner aufgrund der günstigen Raten noch zu einem Kredit zu bewegen. Heute schaut das ganz anders aus", sagt Horst Burkl.

Gestiegen sind aber auch alle Energiepreise, egal ob Öl, Gas, Pellets oder Strom. Das erschwert die Entscheidung für das eine oder andere Heizsystem. Außerdem gibt es bei den Besitzern älterer Objekte einen Generationenwechsel, ergänzt Burkl: "Die Nachfolger wohnen oft selbst nicht in den Wohnungen, sondern betrachten sie als Einnahmequelle - ungeachtet dessen, dass eine sanierte Immobilie natürlich einen ganz anderen Wert hätte."

"Die staatlichen Fördermittel sind derzeit so hoch wie noch nie."
Johannes Hanke
Energieberater

Für Energieberater Johannes Hanke sind viele Wohnungseigentümer und Mieter auch zu wenig informiert und mit der schwer greifbaren Thematik überfordert. "Die Leute müssten besser abgeholt werden. Da sind mehr beratende Fachleute gefragt, die produktneutral informieren und nichts verkaufen wollen." Horst Burkl bestätigt das: "Bei vielen ist eine Abwehrhaltung da, nach dem Motto: ,Über mein Eigentum bestimme ich immer noch selbst.' Es gibt Visionäre, die bereit sind, für die nächsten Generationen tief in die Tasche zu greifen. Und es gibt natürlich ebenso Realisten, die immer auch die Kosten im Auge behalten."

Staatliche Fördermittel so hoch wie noch nie

Stichwort Kosten: "Für eine umfassende, CO₂-neutrale Sanierung fallen pro Wohnung mitunter einige Zehntausend Euro pro Wohneinheit an. Das können sich viele Menschen nicht leisten", sagt Johannes Hanke. Die staatlichen Fördermittel sind allerdings so hoch wie noch nie. Wer das alte, fossile gegen ein modernes, klimafreundliches Heizsystem tauscht, bekommt derzeit bis zu 75 Prozent der Kosten vom Bund zugeschossen. 15 bis 30 Prozent der Kosten tragen Land, Bund oder Gemeinde in Salzburg für Wärmeschutz, erneuerbare Heizsysteme, Photovoltaik- und Solaranlagen sowie Elektroinstallationen und E-Ladestationen.

Was ist zu tun?

Hat sich eine Hausgemeinschaft auf eine Sanierung geeinigt, am besten eine Energieberatung vereinbaren, in der Planung beraten und einen Energieausweis ausstellen lassen. Damit lassen sich die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen einfach feststellen, Varianten durchrechnen und Förderungen beantragen.

Idealerweise wird das Haus zuerst thermisch saniert, also gedämmt und mit neuen Fenstern versehen, um die Wärmeverluste zu minimieren. Laut den Fachleuten senkt diese Maßnahme die laufenden Heizkosten bereits um rund die Hälfte, was angesichts der schwer kalkulierbareren Energiepreise eine dauerhafte finanzielle Entlastung bringt. Danach ist ein Haus bereit für ein neues Niedrigtemperatur-Heizsystem, wie zum Beispiel eine Wärmepumpe.

Technische Probleme

Schwierig sind denkmalgeschützte Fassaden, die außen nicht mit einem Vollwärmeschutz versehen werden können. Ein bestehendes zentrales Heizsystem im Mehrparteienhaus macht es einfacher, auf ein erneuerbares Heizsystem wie etwa eine Wärmepumpe umzusteigen. Der nachträgliche Einbau bringt einen wesentlich höheren Aufwand mit sich, erklärt Horst Burkl. "Zwar gibt es bereits Wärmepumpen für einzelne Wohnungen, die Kosten sind aber noch sehr hoch." Die Wahlmöglichkeiten unter den Heizungssystemen sind im dicht verbauten Stadtbereich überhaupt begrenzt. Erdwärmepumpen sind aus Platzgründen oft nicht möglich, manche Luftwärmepumpen wegen Geräuschemissionen, Pellets wegen Luftemissionen oder fehlenden Lagerräumen. In manchen Fällen stehen nur Fernwärme und Stromheizungen zur Wahl. Möglichkeiten, die Sanierungsrate zu steigern, sehen Horst Burkl und Johannes Hanke momentan nicht am Horizont. Die Anreize in Form von öffentlichen Förderungen sind am Zenit. Es gäbe nur noch die Möglichkeit "negativer Anreize", wie sie mit der CO₂-Bepreisung bereits begonnen wurden.

Einig sind sich die Fachleute, dass der Meinungsbildungsprozess insgesamt noch mehr Zeit braucht. "Man darf nicht vergessen, dass beim Wohnen im Vergleich zu Industrie und Verkehr schon vergleichsweise viel in Sachen CO₂-Reduktion passiert ist", findet Johannes Hanke. "Wenn wir uns jetzt bemühen, könnten wir das Klimaziel fast noch schaffen. Vielleicht nicht bis 2050, aber bis 2055 oder 2060. Die Richtung stimmt auf jeden Fall."