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Stadtzentren beleben: Drei Trends zur Metamorphose der Innenstädte

Um wieder Leben ins Zentrum zu bringen, bedarf es vieler Schritte. Nicht alles hat mit Geld zu tun - Kreativität und vor allem Mut zur Umsetzung sind gefragt.

Die Stadt Enns in Oberösterreich setzt auf ein Pop-up-Store-Konzept in der Innenstadt und hat damit erste Erfolge erzielt.
Die Stadt Enns in Oberösterreich setzt auf ein Pop-up-Store-Konzept in der Innenstadt und hat damit erste Erfolge erzielt.

Die Frage nach der Zukunft der Innenstädte ist nicht neu. Auch das Match Innenstadt gegen Kreisverkehr wird gerne strapaziert. Und auch den Einkaufszentren wird gerne die Schuld am Niedergang der Ortszentren umgehängt. Keiner der Vorwürfe ist ganz richtig, aber auch nicht ganz falsch. Denn die Entwicklung der Ortskerne ist ein laufender Prozess, der von sich ebenfalls ändernden Rahmenbedingungen begleitet wird. "Es gibt drei Trends zur Metamorphose der Innenstädte", erklärte Wolfgang Richter, Eigentümer von Regioplan Consulting, kürzlich bei der Citytagung "(Im)Puls der Stadt" in Wien:

Verändertes Konsumverhalten beeinflusst Einkaufstrends

Trend 1: "Konsumenten denken anders". Laut Richter geht die Einkaufen-/Haben-wollen-Phase langsam zu Ende. "Die Menschen wollen weniger ,Dinge', sondern haben andere Werte, die Auswirkungen auf das Kaufverhalten habe
n." Auch in den vergangenen Jahren sei nicht die Kaufkraft das Problem gewesen, die Menschen hätten einfach nur gespart. Richter: "Die Menschen geben eher Geld für Urlaube, Gastronomie, Freizeit und Selbstoptimierung aus. Das ist schlecht für die Innenstädte."

Online-Shopping gewinnt bei jungen Kunden

Trend 2: "Die Jungen wollen nicht shoppen gehen".
Es gehe jungen Menschen weniger um die persönliche Beratungsqualität, es werde mehr online als stationär gekauft. "Das gibt es ja schon lange", betont Richter: "Aber die Kurve bewegt sich altersgemäß mit." Das bedeutet, "alte" Kunden fallen heraus, junge kommen nach, aber die kaufen eben online.

Onlinehandel verdrängt traditionelle Geschäfte

Trend 3: "Onlinehandel wird führend werden".
Online habe inzwischen bei Schuhen einen Marktanteil von 35 Prozent, bei Elektroartikeln/Computern sogar von 43 Prozent. "Das ist für die Innenstädte und für Shoppingcenter relevant", betont der Experte, "die innenstadtrelevanten Warengruppen verlieren Anteile." 30 Prozent der früher in den Innenstädten gebundenen Branchen gehen verloren, die Verkaufsflächen reduzieren sich. "Es besteht Handlungsbedarf!"

"Es gibt in jeder Stadt 100 Dinge zu tun, aber es muss endlich jemand machen!"
Wolfgang Richter
Regioplan Consulting


Das sei keine neue Erkenntnis. Richter: "Alle wissen, was zu tun ist, aber keiner tut etwas." Er skizziert drei Strategien. "Wir müssen die Handelszonen schützen. Es braucht klare Kriterien, wie das funktioniert." Als Beispiel nennt er die Shoppingcenter. "Dort passiert nichts zufällig." Es müssten also die Erdgeschoßzonen entsprechend gestaltet und organisiert werden. Das könne man gezielt machen, doch wer sollte das mit welchem Geld tun?

Innenstädte öffnen und beleben

Zweiter Strategieansatz ist, die Innenstädte für alle zu öffnen, also Handel, Wohnen, Dienstleistungen etc. und damit zu attraktivieren. Derzeit sei alles nur auf das Shoppen fokussiert, es brauche aber auch Raum für ältere Personen ebenso wie für Kinder und Junge, es brauche Arbeitsplätze. "Nicht alles kostet Geld", mahnt der Experte. Der öffentliche Raum müsse einladend sein und nicht abweisend, dafür simpel, sympathisch, einfach "cosy and nice"!

Das lasse sich mit vielen Maßnahmen umsetzen. So seien oft die Fußgängerampelphasen für ältere Menschen zu kurz, zum Missfallen der Betroffenen. Es brauche "alle 100 Meter" Sitzgelegenheiten ohne Konsumzwang, schöne und saubere WCs und mehr Grün. "Auch eine eigene Website wie bei einem Shoppingcenter" leite Menschen in die Innenstadt. Ein weiterer Tipp des Experten: "Verzichten Sie dort, wo viele Menschen hinkommen sollen, auf Pflasterungen. Das vertreibt alles, was Räder hat." Simple (und günstige) Steinplatten wären besser geeignet. Auch häufiger persönlicher Kontakt der Ortsverantwortlichen zu den Vermietern sei für die Altstadtbelebung hilfreich, ebenso wie gute Alternativen zu weniger Parkplätzen.

Richter fordert städtische Funktionen zurück

Dritter Strategiepunkt: "Wir müssen städtische Funktionen wieder in die Innenstädte zurückbringen", fordert Richter. Die Gebietskörperschaften seien die Herrscher über den öffentlichen Raum, "hier sitzt der Hebel". Die Gebietskörperschaften seien nicht Opfer, sondern Helfer. "Es fehlt in den Gemeindestuben das Denken: ,Ich will, dass die Menschen hier glücklich sind.' Das macht aber jeder Hotelier." Die Handelszonen sollten kompakt, dicht und konzentriert sein, damit die Menschen dort alles erledigen können. "Je weniger Geld zur Verfügung steht, desto mehr ist die Kreativität gefragt." Richter: "Es gibt in jeder Stadt 100 Dinge zu tun, aber es muss endlich jemand machen!"

Wie man mit der Innenstadtproblematik umgehen kann, zeigt die Stadt Enns in Oberösterreich.

Dort habe man mit dem Projekt "Zeitgeist" auf "coole Zwischennutzungen" gesetzt, erzählt Max Homolka vom Stadtmarketing: "Enns hat 12.000 Einwohner und eine Fläche von 33 Quadratkilometern." Im Jahr 2015 habe man mit geringer Frequenz, der Absiedlung von Betrieben, keinen Ansiedlungen, hohen Mietpreisen und einem geringen Mix gekämpft. "Wir haben auf Pop-up-Stores zur Wiederbelebung der Innenstadt rund um den historischen Stadtturm gesetzt", erzählt Homolka. Im Rahmen des Projekts "Zeitgeist" können tage-, wochen- oder monatsweise Flächen angemietet werden. Homolka: "Das ist risikolos und ohne hohe Investitionskosten." Neue Geschäftsideen könnten auf diese Weise ausprobiert werden.

Die "Short-term"-Mieter seien nur kurz da und wissen, dass sie wieder gehen. Anders bei den "Long-term"-Mietern, die sechs Monate lang ihr Konzept ausprobieren mit dem Ziel, wenn es funktioniert, auch dauerhaft zu bleiben.

Auf diese Weise haben wir schon einige Geschäfte angesiedelt", sagt Homolka, nicht nur Handel, sondern auch Dienstleister. Jetzt gebe es im Vergleich zu 2015 weniger Leerstand, mehr Arbeitsplätze und mehr Frequenz. Dazu trage auch das aktive Marketing bei. Inzwischen fungiere die Stadt bei den "Short-term"-Benutzern als "Destinationsrad". Im Austausch mit anderen Gemeinden würden die Kurzzeitmieter weitervermittelt. Und es sei in der Innenstadt gelungen, die Infrastruktur zu optimieren, gerade was das Thema Verkehr und Parken betrifft. Mithilfe eines Parkdecks will man die Autos vom Hauptplatz wegbringen.

Belebung der Ortszentren: Innenentwicklung vor Außenentwicklung

Allerdings: Die Belebung der Ortszentren gehört auch auf Basis von Expertenwissen und belastbaren Fakten geplant. Beispiel Wohnen: Um in den Zentren wohnen zu können, braucht es Nachverdichtung. "Hier muss Innenentwicklung vor Außenentwicklung gehen", weiß Helmut Poppe von Poppe-Prehal Architekten: "Und es braucht die Vernetzung Wohnen mit Arbeit." Das sei zum Beispiel in Amstetten gelungen, wo die bahnnahe Fläche der Remise in eine solche Zone umgewandelt wurde. Nun gibt es dort Wohnen und Arbeit in verkehrsmäßig bester Lage und trotzdem Nähe zum Zentrum.