Wie leben ältere Menschen in Österreich und welche Ansprüche und Wünsche haben sie an ihr Wohn- und Lebensumfeld?
Studie: Senioren bevorzugen die vertraute Wohnumgebung
Der zweite "Wohnmonitor Alter" von Franz Kolland, Leiter des Kompetenzzentrums für Gerontologie und Gesundheitsforschung an der Karl-Landsteiner-Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften, und seinem Team hat im Auftrag mit Senecura in einer österreichweiten Studie nach 2018 erneut die Wohnsituation und -bedürfnisse der Österreicherinnen und Österreicher über 60 Jahre erhoben und ortet Veränderungen durch die vorherrschenden multiplen Krisen. Die Wohnzufriedenheit ist demnach insbesondere bei Alleinlebenden gesunken, ein Umzug ist jedoch für wenige eine Option. Ein Verbleib in der vertrauten Wohnumgebung wird bevorzugt, am besten in den eigenen vier Wänden.
Ältere Bevölkerung: Mieter:innen kommen weniger gut mit Haushaltseinkommen aus als Eigentümer:innen
62 Prozent der älteren Bevölkerung über 60 Jahre leben in Eigentumsverhältnissen, 2018 waren es 67 Prozent. Fast vier von zehn älteren Österreicherinnen leben in Miete, zwölf Prozent in einer Genossenschaftswohnung. Gerade die Mieter zeigen sich besonders von den aktuellen Krisen betroffen: So hat rund ein Fünftel der Eigentümer:innen Probleme, mit dem Haushaltseinkommen auszukommen. Bei den in Miete Lebenden fällt es allerdings mehr als der Hälfte (52 Prozent) nicht leicht, die laufenden Ausgaben zu tätigen.
Barrierefreiheit ist nur bei 20 Prozent gegeben
Die Notwendigkeit einer barrierefreien Wohnmöglichkeit ergibt sich unabhängig von der Wohnform. Jedoch geben nur 20 Prozent an, eine solche barrierefreie Wohnform zu besitzen, und sechs Prozent planen einen Umbau. Eine Umrüstung zu diesen Zwecken verursacht zusätzliche Kosten. Dazu kommt, dass ein gutes Drittel (34 Prozent) der über 60-Jährigen allein wohnt und die Kosten so zumeist ohne weitere Unterstützung stemmen müsste.
Knapp weniger als die Hälfte sind zufrieden mit ihrer Wohnsituation
Auch bei der Wohnzufriedenheit machen sich die multiplen Krisen bemerkbar. Gaben 2018 noch 55 Prozent der Befragten an, sehr zufrieden mit ihrer Wohnsituation zu sein, sind es 2023 nur noch 49 Prozent. Bei den über 80-Jährigen sind 63 Prozent zufrieden, bei den 70- bis 79-Jährigen sind es nur mehr 48 Prozent, bei den 60- bis 69-Jährigen 45 Prozent. Die Unzufriedenheit korreliert auch mit der Anzahl der im Haushalt lebenden Personen. So beschreibt sich fast ein Viertel der Alleinlebenden als "wenig zufrieden". Bei Personen in Mehrpersonenhaushalten sind das nur elf Prozent. Laut Studienautor Franz Kolland und seiner Mitarbeiterin Rebekka Rohner, die maßgeblich an der Erarbeitung der Studie beteiligt war, könnte dies an der Coronapandemie und den hohen psychischen Belastungen sowie an dem höheren finanziellen Druck für Einpersonenhaushalte durch die Inflation liegen.
Umzug ist für 62 Prozent im höheren Alter unwahrscheinlich
Ein Umzug im höheren Alter ist nichtsdestotrotz für 62 Prozent der Befragten unwahrscheinlich - vor fünf Jahren waren das 50 Prozent. Eine mögliche Erklärung könnten auch hier die aktuelle Teuerungswelle sowie die Sehnsucht nach Sicherheit und Stabilität in Krisenzeiten sein.
Für die Mehrheit der älteren Generation ist ein Verbleib in der vertrauten Wohnumgebung über die gesamte Phase des Alterns, auch "Aging in Place" genannt, ein großer Wunsch, auch bei schlechterem gesundheitlichen Zustand. Hilfe kommt bei 82 Prozent durch ambulante Pflegedienste und bei 66 Prozent durch Angehörige. Eine 24-Stunden-Betreuung ist für knapp die Hälfte der Befragten interessant. "Ein stark spürbarer Trend geht in Richtung neues Biedermeier. Es kennzeichnet den Rückzug ins eigene Heim und sieht das Zuhause als höchstes Gut", erklärt Kolland. "Auch die Seniorinnen und Senioren heute ziehen sich am liebsten in die eigenen vier Wände zurück und wollen dort auch im Alter bleiben. Der Kontakt zur Außenwelt erfolgt hier immer mehr durch die Mittel der Digitalisierung." Das Stichwort "Digitales" erfährt einen Aufwärtstrend. So besitzt mittlerweile jeder Neunte der Befragten entweder eine Smartwatch, Sprachassistenz und/oder einen Staubsaugroboter. Diese Zahlen zeigen einen deutlichen Anstieg von zwei Prozent im Jahr 2018 auf zwölf Prozent im Jahr 2023.
Die Nachbarschaft ist für ältere Personen eine wichtige Unterstützung
Neben digitalen Hilfsmitteln stellt auch die Nachbarschaft wichtige Kontakte zur Außenwelt dar, weil der Alltag im Alter zu einem großen Teil rund um die eigene Wohnumgebung und somit über die Nachbarschaft abläuft.
Dieses Phänomen ist vor allem in kleineren Ortschaften verstärkt ausgeprägt. So stellt die Nachbarschaft für 60 Prozent der Befragten in Gemeinden mit weniger als 5000 Einwohnerinnen eine wichtige Unterstützung im Alltag dar, während dies auf nur 38 Prozent der Befragten in Großstädten zutrifft. Das lässt sich darauf zurückführen, dass in den ländlichen Bereichen noch verstärkt auf Pflege und Betreuung durch das nahe Umfeld zurückgegriffen wird.
Klare Wünsche und Präferenzen von Senioren an die zukünftige Wohnungssituation
Für die zukünftige Wohnsituation haben die Befragten klare Wünsche und Präferenzen. So ist das Interesse an Wohnoptionen außerhalb der eigenen vier Wände eher gering. Die meisten Befragten wollen unter Betreuung oder Pflege von Angehörigen zu Hause bleiben und keine professionelle Unterstützung in Anspruch nehmen. Bei einem Wohnungswechsel ist der Umzug in ein betreutes Wohnen mit 39 Prozent am häufigsten. Zusätzlich geben 33 Prozent an, dass, wenn es notwendig wäre, diese Option für sie infrage käme. Mehrgenerationenhäuser und Alters-WGs werden von rund der Hälfte der Befragten abgelehnt. Die stärkste Skepsis erfährt jedoch die Koresidenz mit Angehörigen mit nur sechs Prozent Zustimmung - hierbei ist nur die Pflege, nicht aber das Zusammenwohnen erwünscht. 44 Prozent der 60- bis 69-Jährigen haben Interesse am betreuten Wohnen, im Vergleich zu nur 29 Prozent der über 80-Jährigen.
Bei den Pflegeheimen hatte die Coronakrise einen wesentlichen Einfluss auf das Meinungsbild der Bevölkerung - so wurde eine Verschlechterung des Stimmungsbildes gegenüber Pflegeheimen festgestellt. Gründe sind, dass Pflegeheime während der Pandemie in Hinsicht auf Kommunikation mit Menschen außerhalb oder in Hinsicht auf die gesundheitliche Situation der Bewohnerinnen oft als ungünstige Wohnform dargestellt wurden. Ein Einzug in eine dieser Einrichtungen wird dennoch nicht dezidiert abgelehnt, sondern dann als mögliche Wohnform gesehen, wenn umfassende Pflege notwendig sei.
So geben 55 Prozent der Befragten an, dass sie, wenn der pflegerische Bedarf dafür gegeben sei, in ein Pflegeheim ziehen würden. Dementsprechend werden Pflegeheime weniger als Wohnoption, sondern eher als Pflegeoption gesehen. Markus Schwarz, COO der Senecura-Gruppe: "Als privater Betreiber von Pflegeeinrichtungen analysieren wir genau, wo die Bedürfnisse und Wünsche der Altersgruppen liegen. Ein Fokus liegt bereits und wird auch in Zukunft verstärkt auf der Wohnform des betreuten Wohnens liegen."