Covid-19 hat das prosoziale Verhalten von Schülern negativ beeinflusst. Speziell Jugendliche aus Familien mit niedrigem Sozialstatus, in denen eine SARS-CoV-2-Infektion aufgetreten ist, waren im Vergleich zu Jugendlichen mit höherem Sozialstatus weniger kooperativ, weniger vertrauensvoll, weniger altruistisch und weniger großzügig als vor der Pandemie. Das zeigt eine im Fachjournal "PNAS" veröffentlichte Studie von Wirtschaftsforschern um Matthias Sutter von der Uni Innsbruck.
Matthias Sutter, der am Institut für Finanzwissenschaft der Uni Innsbruck und am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern in Bonn tätig ist, hat gemeinsam mit Kollegen aus der Schweiz und Frankreich das prosoziale Verhalten von französischen Schülerinnen und Schülern vor und während der Pandemie untersucht. Ausgangspunkt war eine Studie zu Freundschaftsnetzwerken unter Schülern. Dazu ließen die Forscher bereits im Herbst 2019 französische Schüler im Alter von 15 bis 17 Jahren in den Klassen verschiedene Experimente am Computer durchführen, um ihre Fähigkeiten zu Vertrauen, Kooperation, Altruismus und Großzügigkeit zu messen.
Diese Experimente wurden dann im Mai und Juni 2020 während eines Lockdowns und dem damit verbundenen Homeschooling mit 363 Schülern aus der ersten Welle wiederholt. Bereits vor der Pandemie zeigten Schülerinnen und Schüler mit niedrigem Sozialstatus ein geringeres prosoziales Verhalten als ihre Kommilitonen aus sozial höhergestellten Familien. War ihre Familie dann von einer Coronavirusinfektion betroffen, sank ihre Bereitschaft, anderen Personen zu vertrauen, mit ihnen zu kooperieren bzw. ihnen zu helfen, drastisch.
"Der Unterschied im prosozialen Verhalten zwischen Schülern aus Familien mit niedrigem Sozialstatus und jenen aus sozial höhergestellten Familien hat sich stark vergrößert", erklärte Sutter gegenüber der APA. Der Wirtschaftsforscher hat keine schlüssige Erklärung für diesen Effekt. Er verweist aber darauf, dass Familien mit niedrigem Sozialstatus stärker von der Pandemie betroffen seien, etwa durch den Verlust des Jobs, und sie bei einer Infektion "einfach mehr auf sich schauen und weniger abgeben bzw. weniger anderen vertrauen, um mit der schwierigen Situation zurechtzukommen".
Sutter macht aber auf einen Aspekt aufmerksam, der in der öffentlichen Diskussion bisher kaum beachtet wurde: "Es gibt aus früheren verhaltensökonomischen Studien klare Belege für den Zusammenhang zwischen prosozialem Verhalten und dem Erfolg auf dem Arbeitsmarkt" - gehe es im Joballtag auch darum, gut miteinander auszukommen.
Die Forscher vermuten daher, dass die in der Studie festgestellte Entwicklung "den betroffenen jungen Erwachsenen langfristig schaden wird und daraus eine zusätzliche Benachteiligung für sie entsteht".