Die Lockerungen im Überblick:
- Gastgärten öffnen ab 15. März in Vorarlberg, in Rest-Österreich mit 27. März
- Jugend- und Schulsport im Freien ist ab 15. März wieder möglich
- Öffnungen für Kultur, Hotellerie und Indoor-Gastronomie im April geplant.
Es sei ein "verdammt langes Jahr" gewesen, das der Geduld der Österreicherinnen und Österreicher vieles abverlangt habe. Doch die Pandemie sei noch nicht vorbei. Mit dieser Einschätzung trat Bundeskanzler Sebastian Kurz am Montag nach stundenlangen Beratungen im Kanzleramt an die Öffentlichkeit. Obwohl die Infektionszahlen steigen, haben sich Regierung und Landeshauptleute auf folgende Vorgangsweise für die kommenden Wochen geeinigt:
In Vorarlberg, das deutlich niedrigere Infektionszahlen aufweist als der Rest Österreichs, wird es bereits am 15. März "deutliche Öffnungsschritte" geben. Die Gastgärten dürfen Gäste empfangen, Schul- und Jugendsport werden stattfinden dürfen. Es handle sich um den "Einstieg in die Regionalisierung", sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober. Vorarlberg dient somit als Feldversuch für eine neue Vorgangsweise bei der Bekämpfung der Pandemie. Wallner zeigte sich deutlich erfreut über die Lockerungen im Weste. Er wolle die Rolle Vorarlbergs als Pilotregion "mit Verantwortung und Mut" antreten. "Die Menschen brauchen Hoffnung", sagte er.
Ab Mitte März ist Schul- und Jugendsport wieder möglich
Lockerungen beim Schul- und Jugendsport wird es ab 15. März auch in Rest-Österreich geben - ohne Turniere und ohne Zuseher, wie Wiens Bürgermeister Michael Ludwig in der Pressekonferenz betonte. Die Gastgartensaison wird in allen Bundesländern außer Vorarlberg erst am 27. März beginnen, also mit Beginn der Karwoche. Die Gäste müssen getestet sein. Das Innere der Gaststätten bleibt gesperrt. Die Kultur muss weiterhin warten, und zwar "bis April", wie Minister Anschober sagte. Auch die Hotels bleiben bis auf Weiteres geschlossen. Am 15. März werde die epidemiologische Lage erneut bewertet und weitere Schritte diskutiert.
Die verkündeten Lockerungen sind nicht unumstritten: Etliche Experten plädieren nach wie vor für eine Beibehaltung des Lockdowns. Und auch Kanzler Kurz betonte, dass derzeit nicht abschätzbar sei, ob die Infektionszahlen auf einem erträglichen Niveau bleiben oder es wieder zu einem rasanten Anstieg komme. Anschober kündigte daher an, man werde versuchen, die Infektionszahlen zurückzudrängen. So soll es in besonders stark betroffenen Regionen eine Ausreise-Testpflicht geben, wie es derzeit schon in Tirol der Fall ist. Die FFP2-Maskenpflicht an Arbeitsplätzen sowie Präventionskonzepte in größeren Betriebe sollen ausgeweitet werden.
Tauziehen: Verhandlungen verliefen zäh
Dem Entschluss der Regierung und der Landeshauptleute war ein stundenlanges Tauziehen im Kanzleramt vorangegangen. Bereits am Vormittag hatten Bundeskanzler und Gesundheitsminister Expertinnen und Experten zur Videokonferenz geladen, danach folgte die Gesprächsrunde mit den Chefs der anderen Parteien und den Landeshauptleuten. Und in dieser Runde ging es hart zur Sache. Schon zuvor hatte Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner in den "Vorarlberger Nachrichten" deponiert, dass er für sein Bundesland einen regionalen Sonderweg einzuschlagen wünsche. "Wir sind in einer Situation, wo wir früher und auch mehr öffnen können", sagte der LH mit Verweis auf die günstigen Infektionszahlen. Tatsächlich ist Vorarlberg das einzige Bundesland, das laut Coronaampel auf Orange geschaltet ist, während die übrigen Bundesländer rot erstrahlen.
Bei Wallners LH-Kollegen kam dieser Alleingang nicht wirklich gut an. Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer lehnte einen "Fleckerlteppich" ab. Auch Wiens Bürgermeister Ludwig sprach sich für österreichweite Richtlinien aus. Anders sehen das manche Experten. Simulationsforscher Niki Popper sprach sich am Montag im ORF daher dafür aus, Regionen je nach Infektions- und Mutationsgeschehen unterschiedlich zu behandeln. Gefunden wurde also ein Kompromiss: ein Sonderweg für Vorarlberg - und eine konkrete Perspektive für den Rest Österreichs.
Einem Bericht der Austria Presse Agentur zufolge hätten vor allem die Vertreter aus der Ostregion mit Wiens Bürgermeister Ludwig und Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner an der Spitze für eine generelle Öffnung der Lokale plädiert. Ihr Argument: Es sei für die Eindämmung der Pandemie sinnvoller, Kontakte kontrolliert in der Gastronomie stattfinden zu lassen als unkontrolliert im privaten Bereich. Diese Position hatten auch Landeshauptleute aus anderen Regionen während der vergangenen Tage vertreten.
Kritik kommt von der Opposition
SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner beurteilt jegliche Öffnungsschritte wie so gut wie alle Virologen und Epidemiologen weiter ausdrücklich kritisch. Nach dem Gespräch mit der Regierung betonte sie, dass nicht nur die Zahl der Neuinfektionen steigen würde, sondern auch die Zahl der Intensivpatienten ansteige. FPÖ-Chef Norbert Hofer sprach sich gegen eine Regionalisierung der Coronamaßnahmen aus. Dies würde die Spaltung des Landes vertiefen, argumentierte er.
Die Infektionsrate ist zuletzt vor allem in den östlichen Bundesländern stark gestiegen. Unter der magischen Grenze von weniger als 100 Neuinfektionen pro Woche und 100.000 Einwohner (Sieben-Tage-Inzidenz) liegen derzeit nur Vorarlberg und Tirol - zweitgenanntes Bundesland trotz der dort grassierenden Südafrika-Variante.