Martin Kocher ist schon bisher ein gefragter Mann. Jetzt rückt der Salzburger auch in die Regierung auf. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gab Sonntag um 13 Uhr in einer Pressekonferenz den Nachfolger von Ministerin Christine Aschbacher bekannt. Er werde als "unabhängiger Experte" in die Regierung wechseln, kündigte der derzeitige IHS-Chef Martin Kocher in dem Pressegespräch an. Kocher ist kein ÖVP-Mitglied. Für den österreichischen Arbeitsmarkt sehe er in den kommenden Monaten drei große Herausforderungen, betonte Kocher. Als Erstes gelte es die akuten Folgen der Pandemie zu bewältigen, das sei bisher mit der Kurzarbeit ganz gut gelungen. Als Zweites müsse man Beschäftigung für danach schaffen. Und als Drittes sieht Kocher die Zukunft der Arbeit als wichtiges Thema, das betreffe die Digitalisierung ebenso wie den Strukturwandel und wohl auch bald wieder den Fachkräftemangel.
Kocher wird laut Bundeskanzler Kurz in der Regierung lediglich für das Thema Arbeit zuständig sein. Die Themen Familie und Jugend wandern ins Bundeskanzleramt und werden dort von Kanzleramtsministerin Susanne Raab betreut, kündigte Kurz an.
Gefragt war der Leiter des Instituts für Höhere Studien (IHS) schon vor der Coronakrise. Aber seit die Wirtschaft in die tiefste Rezession seit 1945 abgestürzt ist, hat sich der Rhythmus der Anfragen noch einmal beschleunigt. Das höhere Tempo scheint dem begeisterten Läufer Kocher keine Probleme zu bereiten. Er ist immer erreichbar, egal, ob es um eine Einschätzung der Konjunktur, die Beurteilung wirtschaftspolitischer Maßnahmen oder Reformen im öffentlichen Sektor geht. Wenn es um das Erklären der Wirtschaft geht, ist Martin Kocher das, was Peter Filzmaier für die Politik ist.
Marathonläufer und Skifahrer
Offenbar mühelos bringt der gebürtige Salzburger schon bisher drei Jobs unter einen Hut, neben der Leitung des IHS lehrt der Verhaltensökonom an der Uni Wien ("Das ist aber nur eine 15-Prozent-Verpflichtung", sagt Kocher) und ist zudem Präsident des Fiskalrats, und damit Wächter über Österreichs Staatsschulden.
Kocher läuft nicht nur gern Marathon, er hat in seiner beruflichen Laufbahn auch einen weiten Weg zurückgelegt. Ausgangspunkt war Altenmarkt im Pongau. Dort verbrachte Martin Kocher seine Kindheit und Jugend.
1973 in Salzburg-Stadt geboren, wächst er ab dem zweiten Lebensjahr in Altenmarkt, der Heimat seines Vaters, auf. "Es war eine ganz normale Kindheit und Jugend auf dem Land, mit viel Sport im Verein", sagt Kocher. Er besucht "wie die meisten damals" die Volks- und Hauptschule im Ort, und später das Oberstufenrealgymnasium in Radstadt.

Hermann Maier war eine Klasse über mir, Michael Walchhofer zwei Klassen unter mir
Die Eltern hatten sich in den USA kennengelernt, wo beide als Skilehrer arbeiteten. "Das war in den 60er-Jahren üblich, dass man im Winter ein paar Monate in die USA als Skilehrer ging." Das Skifahren war Sohn Martin also in die Wiege gelegt, mit drei Jahren stand er erstmals auf Ski, später auch im örtlichen Skikader. Es habe sich jedoch bald gezeigt, dass es für eine Karriere als Skifahrer nicht reichte. Zudem gab es harte Konkurrenz, "Hermann Maier war in der Schule eine Klasse über mir, Michael Walchhofer zwei Klassen unter mir."
Im Gymnasium habe er sich für Chemie, Biologie, Physik und Mathematik interessiert und ein Physikstudium erwogen. "Aber ich hatte dann das Gefühl, zu wenig über Wirtschaft und Gesellschaft zu wissen." Das Interesse dafür habe sein Klassenvorstand geweckt, der Geografie und Wirtschaftskunde unterrichtete. "Im Rahmen eines Schulversuchs konnte ich eine vorwissenschaftliche Arbeit über Adam Smith schreiben." Damit war der Weg zur Ökonomie eingeschlagen, nach journalistischen Versuchen bei den "Pongauer Nachrichten" zog es Martin Kocher nach Innsbruck zum Studium der Volkswirtschaftslehre. Innsbruck wurde es auch deshalb, weil der Cousin dort bereits Biologie studierte.
Innsbruck erwies sich auch aus privater Sicht als die richtige Wahl, Kocher lernte dort seine Frau kennen, mit der er seit 2003 verheiratet ist. Die Oberösterreicherin ging nach dem Studium nach München, wo sie seit vielen Jahren für den Lastwagen- und Busbauer MAN tätig ist.
Internationale Karriere
Seine Karriere führte Kocher über die Uni Innsbruck für zwei Jahre nach Amsterdam und 2010 ins englische Norwich an die University of East Anglia, bevor er dem Ruf der renommierten Ludwig-Maximilians-Universität in München folgte. Dort lehrte er als Professor für Verhaltensökonomik und experimentelle Wirtschaftsforschung, daneben war er Gastprofessor in Göteborg und an der University of Queensland im australischen Brisbane. 2016 ging Kocher ans IHS nach Wien. Seit 2017 unterrichtet er zudem an der Universität Wien, "weil mir die Verbindung zur Wissenschaft und die Betreuung von Doktoranden wichtig ist". Wegen der häufigen Ortswechsel, die eine akademische Karriere mit sich bringe, leben Kocher und seine Frau "eine sehr gut funktionierende Fernbeziehung, das ist aber kein Lebensmodell für eine Familie". Daher habe sich die Frage nach Kindern nicht gestellt.

In seiner spärlichen Freizeit frönt Kocher dem Laufsport, für Tennis fehlt die Zeit. Und so oft es geht, zieht es ihn nach Hause, oft nur für ein Wochenende, aber immer wieder für ein paar Tage Urlaub im Winter zum Skifahren und Langlaufen, im Sommer zum Bergsteigen. In Altenmarkt trifft er nicht nur seine Eltern, sondern auch seine drei Jahre jüngere Schwester. Die klinische Psychologin und Psychotherapeutin lebt mit ihrer Familie in Eben.
In der Pension, die für Kocher noch weit entfernt ist, werde er dann wohl mehr Zeit in Altenmarkt verbringen. "Ich bin dort gut verwurzelt, meine Eltern leben dort, das wird immer meine Heimat sein. Eigentlich habe ich Salzburg nie ganz verlassen."