Elizabeth II., die ewige Monarchin. Sie war das Aushängeschild der britischen Nation - zwar ohne Macht in der Tagespolitik, aber mit größter Bedeutung. Sie stand als Staatsoberhaupt nicht nur dem Vereinigten Königreich vor, sondern 15 weiteren Ländern des Commonwealth. Und sie wurde in sieben Jahrzehnten zum institutionellen Gedächtnis Großbritanniens. Die Welt konnte sich verändern, die Queen winkte.
Emotionales war Elizabeth II. fremd
Wie groß ihr Einfluss auf die Politik tatsächlich war, dürfte wohl erst in rund 100 Jahren nach der Freigabe ihrer privaten Papiere bekannt werden. Die Unnahbare zog die schweren Palastvorhänge stets nur einen Spalt weit auf, um das Rätselhafte ihrer Person und die Magie der Monarchie zu bewahren. Emotionales war ihr zudem fremd. Nur wenige Male rang sie in der Öffentlichkeit mit den Tränen.
Als sie im April 2021 allein und in tiefer Trauer Abschied von ihrem Ehemann, Prinz Philip, nahm, sagte sie im Anschluss an die Abschiedszeremonie, es herrsche jetzt eine Leere um sie, "a void". Ihre wichtigste Stütze, fast 74 Ehejahre an ihrer Seite, war plötzlich nicht mehr da. Sie litt unter dem Verlust - und ging nach einer zweiwöchigen Trauerzeit wieder arbeiten.

Dem Commonwealth galt ihre Priorität
Zeit ihres Lebens übte Elizabeth II. mit stoischer Ruhe, viel Symbolik und strenger Disziplin ihren Dienst am Volk aus und in den Augen ihrer Untertanen stand sie als Symbol für Tugenden wie Hingabe, Pflichtbewusstsein und Standhaftigkeit. Sie war moralisches Vorbild und musste in einer Gesellschaft, die in ihrer Neigung zum Konservativen mit tiefsitzenden Klassenunterschieden kämpft, als Verbindungselement zwischen Oberschicht und Arbeiterklasse dienen.
2015 überholte sie Queen Victoria mit der längsten Regentschaft. Während aber ihre Ururgroßmutter das goldene Zeitalter Britanniens geprägt hat, ist unter der Herrschaft Elizabeths II. das Empire zerfallen, die Macht und der Einfluss des einstigen Weltreichs sanken stetig. Kritiker behaupten, dass nicht viel bleiben wird von Elizabeths Ära. Außer das Commonwealth, das sie mitaufgebaut und zusammengehalten hat. Ihm galt ihre Priorität.
Mit 25 Jahren auf den Thron
Auf Druck der Gesellschaft und mithilfe der Enkel verlieh Elizabeth II. ihrer Institution nach und nach einen moderneren Anstrich. Die Royals, die das herrschaftliche Theater voller Prunk, Pracht und Pomp auf beispiellose Weise zelebrieren, verkörpern in all ihrer Traditionsverbundenheit das alte Britannien, dem noch immer viele auf der Insel insgeheim nachtrauern.
Elizabeth Alexandra Mary Windsor, so ihr voller Name, hat in ihren 70 Dienstjahren große Umwälzungen erfahren, die Suez-Krise miterlebt und den Kalten Krieg, den wirtschaftlichen Kollaps in Großbritannien, die technischen Neuerungen, den blutigen Unabhängigkeitskampf der nordirischen Untergrundorganisation IRA und das Brexit-Votum, das Europa erschütterte. Am 6. Februar 1952 wurde sie nach dem plötzlichen Tod ihres Vaters König George VI. über Nacht zur Königin. Weil sie gerade abgeschnitten von der Zivilisation in Afrika auf einer Safari weilte, erfuhr Lilibet, wie sie als Mädchen von Familie und Freunden genannt wurde, als eine der letzten Menschen von ihrer plötzlichen Regentschaft.
Sie war damals 25 Jahre alt. Das vergleichsweise unbeschwerte Leben mit ihrem frisch angetrauten Mann war schlagartig vorbei. Am 2. Juni 1953 fand Elizabeths Krönung in der Westminster Abbey statt, sie wurde live im Fernsehen übertragen - ein Novum. Seitdem geriet ihr das höfische Korsett zumindest in der Außendarstellung nie zu eng.
"Sie mag Hunde, Pferde, Männer und Frauen - und zwar in dieser Reihenfolge"
Geprägt vom Sparzwang der Kriegs- und Nachkriegszeit pflegte Ihre Majestät, die weniger für ihre Intellektualität als für ihren Pragmatismus bekannt war, stets das Image als bodenständige und bescheidene Frau. Auf dem royalen Frühstückstisch etwa standen Tupperdosen mit Cornflakes und Haferflocken, Sachen wegzuwerfen blieb ihr verhasst. Am liebsten präsentierte sie sich in Gummistiefeln in der Natur, umgeben von Tieren. "Sie mag Hunde, Pferde, Männer und Frauen - und zwar in dieser Reihenfolge", schrieb einmal Biograf Graham Turner.
Die Queen blieb unnahbar und mysteriös
Selbst im hohen Alter war sie noch Schirmherrin von mehr als 600 Wohltätigkeitsorganisationen. Die tief religiöse Monarchin stand zudem als weltliches Oberhaupt der anglikanischen Kirche vor und war Chefin der Streitkräfte.
Jeden Morgen ging sie, wenn sie denn zu Hause im Buckingham-Palast weilte, nach dem Aufstehen ihre Korrespondenz durch, beantwortete Mitteilungen, wobei nur die per Post geschickten Briefe auf eine persönliche Antwort der Queen hoffen durften. Häufig aber hatte sie Termine, weihte Bahnstrecken ein oder besuchte Schulen und Krankenhäuser: sich zeigen, lächeln. Pausen gönnte sie sich nur wenige. Im Privaten kümmerte sie sich um ihre geliebten Corgis, die sie lange selbst züchtete, und Pferde. Ihr wurde ein guter Humor nachgesagt, aber wer weiß das schon so genau? Die Queen blieb unnahbar und mysteriös.
Die Queen bezeichnete 1992 als "annus horribilis"
Im Auftrag der Diplomatie reiste Ihre Majestät bis zum Ausbruch der Pandemie durch die Welt. Immer hielt sie sich an das Versprechen, das sie an ihrem 21. Geburtstag 1947 ihren Landsleuten gegeben hatte: "Mein ganzes Leben, sei es kurz oder lang, werde ich in euren Dienst stellen." Ihre Untertanen verehrten sie für diese Integrität. Elizabeth II. war das mit Abstand beliebteste Mitglied der Familie Windsor - der "Firma", wie Prinz Philip einmal die Royals bezeichnete.
In den 1990er-Jahren sorgte die jüngere Generation für Skandale, die sich keine Seifenoper hätte besser ausdenken können. Prinz Andrew trennte sich von seiner Sarah Ferguson, Tochter Anne ließ sich von Mark Phillips scheiden und Prinz Charles und Diana gingen auseinander - all das nicht ohne Enthüllungen in der sensationslüsternen Presse. Als wäre dies nicht genug gewesen, brannte Schloss Windsor zu Teilen nieder. Die Queen bezeichnete 1992 als "annus horribilis", als Schreckensjahr.
Elizabeth II. zahlte plötzlich Steuern und hielt das Land zusammen
Hinzu kam, dass die Bevölkerung dagegen rebellierte, mit ihren Steuergeldern für das Königshaus, in diesem Fall für die Instandsetzung von Windsor, zur Kasse gebeten zu werden. Die pragmatische Elizabeth II. fand die passende Antwort und bezahlte fortan Steuern.
Doch ihr persönlicher Tiefpunkt sollte erst noch folgen, als 1997 ihre Ex-Schwiegertochter Diana bei einem Unfall starb. Damals tauchte die Regentin tagelang ab, während das erzürnte Volk in seiner Trauer "mehr Mitgefühl" von seinem distanziert wirkenden Staatsoberhaupt forderte. Erst nachdem die Königin in ein Staatsbegräbnis für die ungeliebte Ex-Schwiegertochter eingewilligt und sich vor Dianas Sarg verbeugt hatte, zeigten sich die Britinnen und Briten versöhnlich.
Mittlerweise haben die Menschen Elizabeth II. alle Fehltritte verziehen. Sie war ihren traditionellen Werten stets treu geblieben und strahlte eben deshalb jene Kontinuität aus, nach der sich offenbar so viele Menschen sehnten. In glücklichen, traurigen und schweren Momenten hielt die Queen das gesellschaftlich gespaltene Land irgendwie zusammen. Deren Ära ist nun zu Ende gegangen. Prinz Charles übernimmt. "The Queen is dead. God save the King."