Das öffentliche Verkehrssystem steht still. In der Stadt drohen Staus, auf dem Land sind vor allem Pendler und Schüler betroffen.
Auf dem Salzburger Hauptbahnhof hängt am Sonntag dichter Nebel über den Gleisen. Die Menschen stecken ihre Nasen tief in die Mantelkrägen, wenn sie mit ihren Koffern über die Bahnsteige hasten. Da ertönt die Stimme von Chris Lohner, der auch die Bahnhofslautsprecher nichts von ihrer Eleganz nehmen können: "Sehr geehrte Bahnkunden! Die Gewerkschaft Vida hat für Montag von 0 bis 24 Uhr einen österreichweiten Bahnstreik angekündigt. Im Streikfall muss der Zugverkehr auf der gesamten Bahnstrecke eingestellt werden. Wir bitten um Entschuldigung." Die Durchsage wiederholt sich alle 15 Minuten.
Ob die ÖBB alle am Montag betroffenen Bahnkundinnen und Bahnkunden erreichen, ist fraglich. Am Sonntag sind eher Touristen anzutreffen. Margarete Pressl und Christine Peucher warten in der Bahnhofshalle auf den Zug und vertreiben sich die Zeit mit dem Studium von Werbeplakaten. "Wir sind froh, dass wir heute noch nach Hause fahren", sind sich die Seniorinnen einig. Sie äußern dennoch Verständnis für den Streik: "Ja, keine Frage, in Zeiten wie diesen. Das Leben ist einfach so teuer geworden und für Familien ist das eine starke Belastung." Die Wienerinnen verbringen öfter einige Tage in Salzburg: "Die Zugverbindung ist sehr gut und Salzburg hat das gewisse Etwas."

Auch Gerhard Ebner äußert Verständnis für den Streik, obwohl er persönlich betroffen sein könnte. "Grundsätzlich hat jeder das Recht, mehr zu verdienen." Er pendle mit Zug und Rad von Itzling nach Wals. "Ich fahre erst um 7 Uhr und hoffe, dass es dann schon wieder vorbei ist. Sonst muss ich mir etwas anderes überlegen."
Als "Wochenend-Bahnfahrer" bezeichnet sich Familie Waldhör. Verständnis für den Protest habe er "eher nicht", sagt Klaus Waldhör: "Acht Prozent sollten eigentlich genug sein", findet er.

Neben den Eisenbahnen stehen am Montag auch alle anderen schienengebundenen Verkehrsmittel still, Salzburger und Pinzgauer Lokalbahn sowie die Obusse in der Stadt Salzburg. Regulär verkehren Albus und Regionalbus. Verkehrsverbund-Geschäftsführer Johannes Gfrerer rechnet mit teils überlasteten Bussen. "Auf Achsen, wo keine Bahnverbindung besteht, wird es nicht so schlimm sein. Parallel zur Bahn wird es sicher schwierig werden."
Eine Verdichtung der verbleibenden Busverbindungen sei nicht möglich, weil es an den dafür notwendigen Fahrzeugen fehle. Kunden, die auf Albus und Regionalbus ausweichen, könnten auf die Fahrplanauskunft auf der Verkehrsverbund-Homepage und auf die Salzburger Verkehrs-App vertrauen. "Die Echtzeitauskunft wird funktionieren." Es könne jedoch passieren, dass Bahnverbindungen angezeigt würden. "Das hängt davon ab, ob die Datenmanager der ÖBB auch streiken."

Albus-Geschäftsführer Hermann Häckl erwartet keine Überbelastung der Busse. "Vielleicht ist im Zentrumsbereich in Richtung Europark ein bisschen mehr los als sonst. Aber es werden viele Pendler auf das Auto umsteigen, was uns wieder entlastet." Für eine genaue Prognose fehlten die Erfahrungswerte. "Ich kann mich an so etwas nicht erinnern."
Harald Preuner (ÖVP), Bürgermeister der Stadt Salzburg, geht von etlichen Staus aus. Der Handlungsspielraum der Stadtpolitik sei beschränkt. "Was sollen wir machen?" Er hoffe, dass möglichst viele Berufstätige etwas früher oder später ihren Weg zum Arbeitsplatz antreten, um die Stoßzeiten zu entlasten. "Wer kann, fährt hoffentlich mit dem Rad oder geht zu Fuß. Auch er selbst werde die halbe Stunde ins Schloss Mirabell am Montag per pedes zurücklegen.
Auch auf dem Land werde sich der Streik merkbar auswirken, sagt Hansjörg Obinger, Bürgermeister von Bischofshofen. "Es gibt viele Pendler, die darauf angewiesen sind, mit dem Zug in die Arbeit zu fahren." Da ein Großteil nach Salzburg unterwegs sei, biete es sich an, Fahrgemeinschaften zu bilden. "Das ergibt sich wahrscheinlich allein durch das zu erwartende Parkplatzproblem." Zu den Hintergründen will sich Obinger, selbst ÖBB-Lokführer, nicht äußern. "Der Streik wird jedenfalls zeigen, wie wichtig der öffentliche Personennahverkehr auch für die Regionen ist."
Weniger zurückhaltend gibt sich der Mittersiller Bürgermeister Wolfgang Viertler (Liste Viert). "Ich habe kein Verständnis. Wir alle wissen, dass sie sich einigen werden. Für mich ist das ein politisches Spielchen zur Unzeit." Angesichts hoher Sprit- und Energiepreise sei Gesamtsolidarität gefragt, er meine damit beide Seiten. Was den Ausfall der Pinzgauer Lokalbahn am Montag betrifft, erwarte er keine großen Probleme. "Aber das Gesamtbild ist kein gutes", sagt Viertler, Obmann des Regionalverbands Oberpinzgau.
Mit Staus auf der Autobahn rechnet die Asfinag nicht. Sprecher Christoph Pollinger verweist auf weitaus größere Frequenzen im Urlauberverkehr. "Auf den Freilandstrecken wird sich das nicht groß bemerkbar machen." Auf Pendlerstrecken im niederrangigen Straßennetz erwarte er massiven Verkehr und Verzögerungen. Maßnahmen könne die Asfinag in einem solchen Fall kaum setzen.
Folgen hat der Streik auch für zahlreiche Schülerinnen und Schüler im Land. Bildungslandesrätin Daniela Gutschi bedauerte in einer Aussendung, dass "wieder einmal die Schülerinnen und Schüler maßgeblich betroffen sind und an ihrem Recht auf Bildung gehindert werden." Gerade in der aktuellen Schularbeitszeit sei das nach den beiden Covidjahren doppelt bitter. Fahrschüler, die aufgrund des Streiks nicht zur Schule kommen können, gelten automatisch als entschuldigt, verkündeten Gutschi und Bildungsdirektor Rudolf Mair am Sonntag.
Gutschi und Verkehrslandesrat Stefan Schnöll (beide ÖVP) äußerten in Aussendungen Kritik an den Verhandlungspartnern, die ihre Uneinigkeit auf dem Rücken der Kundinnen und Kunden austrügen.
Die ÖBB schoben die Verantwortung in Richtung Gewerkschaft. Die Arbeitgeberseite habe mit 8,44 Prozent das höchste Angebot aller Branchen gestellt. Es handle sich um einen mutwilligen Streik der Gewerkschaft. Friedrich Schinagl, Landesvorsitzender der Gewerkschaft Vida, verwies auf die anhaltende Weigerung der ÖBB, die niedrigen Einkommen besonders zu entlasten.
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