Am 2. Juli jährte sich der sogenannte "Sturm auf Goldegg" zum 80. Mal. 1944 durchkämmten über 1000 Männer von Waffen-SS und Gestapo das Areal rund um den Böndlsee auf der Suche nach einer Gruppe von Deserteuren. Rund 50 Menschen - auch (vermeintliche) Unterstützer der Fahnenflüchtigen - wurden in Folge des Sturms verhaftet und deportiert, 14 Frauen und Männer wurden umgebracht.
2014 stieß ein Gedenkstein auf Widerstand
Die historische Aufarbeitung der Ereignisse beschäftigt Goldegg schon lange. In einer Ortschronik aus dem Jahr 2008 wurden die Deserteure noch als "gefährliche Landplage" bezeichnet. In Reaktion auf die laut gewordene Kritik wurde die NS-Zeit in einem Zusatzband genauer beleuchtet. Als 2014 Brigitte Höfert, die Tochter von Deserteur Karl Rupitsch, der im Konzentrationslager Mauthausen hingerichtet wurde, einen Gedenkstein im Hof von Schloss Goldegg verlegen wollte, der an die Opfer des "Sturm" erinnern sollte, scheiterte das auch am politischen Widerstand in der Gemeinde. Der Stein wurde am Grundstück des Regenerationszentrums der damaligen Gebietskrankenkasse (heute ÖGK) errichtet. Ruhe kehrte deswegen aber noch nicht ein: Im Jahr 2018 folgte die Schändung des Gedenksteins - Namen und Texte wurden mit grüner Farbe übermalt. Die Täter wurden nie ermittelt.
Zehn Jahre später: Einstimmer Beschluss für Stolpersteine
Die intensive Auseinandersetzung mit der Thematik hat in den vergangenen zehn Jahren viel bewirkt - auch in der Gemeindepolitik. Am Montag wurden in Folge eines einstimmigen Beschlusses der Goldegger Gemeindevertretung vier Stolpersteine direkt unter den Torbögen des Schlosses verlegt. Sie erinnern an vier Frauen, die im Unterstützungswiderstand tätig waren beziehungsweise aufgrund ihres menschlichen Verhaltens vom Regime als Gegner eingestuft und in Folge dessen zu Opfern wurden.
Verlegung in würdigem Rahmen
Im Rahmen der offiziellen Verlegung lasen Angehörige aus den bewegten Biografien der Goldeggerinnen vor, die alle die Grausamkeiten des NS-Regimes überlebt hatten. Die Freude und Erleichterung über die späte Würdigung ihrer Vorfahrinnen war spürbar. "Sie haben das Selbstverständliche getan und wurden dafür verhaftet, geschlagen, gefoltert und ins KZ verschleppt", betonte Judith Forthuber, auf deren Initiative hin das Projekt "Stolpersteinweg in Goldegg" vorangetrieben wurde. "Es freut mich daher sehr, dass wir heute erstmals in Goldegg Stolpersteine für Frauen verlegen können", ergänzte sie. Die Position direkt unter dem Eingang des Schlosses bilde dafür einen würdigen Rahmen.
Goldegg im Zeichen der Erinnerungstage
Bereits vergangene Woche Stand Goldegg ganz im Zeichen des Gedenkens. Mit verschiedenen Veranstaltungen wurde im Rahmen der Goldegger Erinnerungstage rund um den Jahrestag des Sturms an die Opfer von damals erinnert. So fand unter anderem eine Gedenkveranstaltung unter dem Ehrenschutz von Landeshauptmann Wilfried Haslauer statt. "All diese Veranstaltungen zeigen, dass wir 80 Jahre danach in Goldegg alle gemeinsam eine Erinnerungskultur leben, die zeitgemäß ist. Darüber freue ich mich", betonte Bürgermeister Hannes Rainer (ÖVP), der den politischen Anstoß für die Verlegung der vier Stolpersteine im Schloss Goldegg gegeben hatte.
An wen die Stolpersteine erinnern:
Margarethe Bammer wurde 1922 in Goldegg geboren und hatte Deserteur Franz Unterkirchner mit Verpflegung unterstützt. Am 27. Juli 1944 wurde sie von der SS verhaftet und später ins Konzentrationslager Ravensbrück deportiert. Sie überlebte, konnte im Juni 1945 in ihre Heimat zurückkehren und verstarb im Februar 2016.
Maria Etzer wurde als Maria Höller 1890 in Taxenbach geboren. Sie bewirtschaftete ab 1925 als Witwe das Lehengut am Goldegger Buchberg und war - vermutlich wegen ihres katholischen Glaubens - Gegnerin des NS-Regimes. Daher behandelte sie auch die ihr zugeteilten französischen Zwangsarbeiter menschlich. Etzer wurde von einem Nachbarn denunziert und 1943 wegen des "verbotenen Umgangs mit Kriegsgefangenen" zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt, wo sie schwere Schikanen erlitt. Nach ihrer Entlassung kehrte sie nicht mehr nach Goldegg zurück.
Maria Hölzl kam 1921 in Goldegg zur Welt. 1941 gebar die Sennerin Tochter Brigitte. Vater war Karl Rupitsch, der Anführer der Goldegger Deserteure. Hölzl versorgte ihn und seine Gruppierung mit Essen, Zigaretten und Informationen. Sie wurde im Zuge des "Sturms" verhaftet und später ins KZ Ravensbrück gebracht. Weil sie schwanger war, konnte sie im Oktober 1944 nach Goldegg zurückkehren. Sie starb 1998 als verheiratete Maria Andexer. SIe starb 1960.
Theresia Kössner wurde mit dem Mädchennamen Eder 1921 in Taxenbach geboren. Sie hatte ihren Mann Georg Kössner, Trog-Bauer in Goldegg-Weng bei der Fahnenflucht ständig unterstützt. Kössner wurde wie Hölzl während des "Sturms" festgenommen und nach Ravensbrück gebracht. Da sie ebenfalls schwanger war, konnte auch sie im Oktober nach Goldegg zurückkehren. Ihr Mann wurde 1945 in Glanegg erschossen. Als Witwe heiratete sie ein zweites Mal und starb 1977 als Theresia Hochleitner.