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Lokalaugenschein in Rauris: "Dieser Schaden hat eine neue Dimension"

Aus der Idylle wurde durch die reißerische Kraft der Natur ein steinernes Meer. Seither wird gebaggert, was das Zeug hält. Ein PN-Lokalaugenschein mit Bauhofleiter Thomas Daum, Bürgermeister Peter Loitfellner und Katastrophenreferent Manfred Höger. Und es lauern noch mehr als eine Million Kubikmeter Geröll am Fuße des Sonnblicks, warnt Experte Gerald Valentin vom Landesgeologischen Dienst.

Es herrscht alles andere als Goldgräberstimmung in Rauris. Bürgermeister Peter Loitfellner (SPÖ) stand letzten Freitag mit bedenklicher Miene im Schlamm der vermurten Goldwaschanlage und sagte: "Man sieht das Ausmaß dieser Jahrhundertkatastrophe. Neben der ganzen Gemeindeinfrastruktur, die kaputtgegangen ist - Straßen, Kanal, Strom -, tritt jetzt erst zutage, was es an touristischer Einrichtung vernichtet hat."

Das betreffe die stark in Mitleidenschaft gezogene Goldwaschanlage ebenso wie zerstörte Wanderwege und das winterliche Langlaufangebot, denn viele Behelfsbrücken seien mitgerissen worden. Ganz zu schweigen von den landwirtschaftlichen Flächen, die mitunter einem steinernen Meer gleichen. "Es ist alles zum Verzweifeln, aber gemeinsam werden wir das schon schaffen", sagte der Bürgermeister, als ihn die Zuversicht packte. Das Wichtigste sei ohnehin, dass die Unwetterkatastrophe keine Menschenleben gefordert habe. "Gott sei Dank hat unser seit 2008 bestehender Hochwasserschutzdamm noch viel Schlimmeres verhindert. Ohne ihn wären entlang der Rauriser Ache wohl viele Häuser völlig zerstört worden." Doch wie schnell das Becken voll gewesen sei, das gebe einem schon zu denken. "Da ist Platz für rund 750.000 Kubikmeter. Es hat geheißen, dass es nach zwei bis drei Tagen Starkregen übergehen kann. Jetzt war das nach wenigen Stunden der Fall."

Unwetter hat massive Spuren hinterlassen

Das Unwetter vor eineinhalb Wochen hat jedenfalls im Raurisertal massive Spuren hinterlassen. Oberhalb von Kolm-Saigurn ist das sogenannte Pilatuskar quasi eingebrochen, Hunderttausende Kubikmeter Geröll ergossen sich in einer Gerölllawine am Talboden. Und es lauert noch mehr als eine Million Kubikmeter Geröll am Fuße des Sonnblicks. Experte Gerald Valentin vom Landesgeologischen Dienst hat sich daher diesen Bereich aus der Luft und am Boden genau angesehen, um die Gefahren einschätzen zu können. Er sagt: "Der Stöpsel wurde gezogen, diesen Bereich müssen wir genau beobachten."


Es wird auf Hochtouren gebaggert

Entlang der Rauriser Ache sind seit Tagen Dutzende Bagger und Baumaschinen im Einsatz. "Das Wichtigste ist jetzt, die Infrastruktur erst einmal notdürftig wiederherzustellen und dann parallel schon damit zu beginnen, die touristischen Attraktionen instand zu setzen. Wir sind eine Tourismusgemeinde. Wir sind gefordert, alles wieder aufzubauen. Dafür werden wir auf viele Hilfsgelder angewiesen sein. Allein können wir das nicht stemmen."

Der Rauriser Bauhofleiter Thomas Daum kann es kaum glauben, was er im Talschluss Kolm-Saigurn vor Augen hat: "Hier war ein Weidegebiet, alles voller Pferde und Rinder - auch denen geht der Platz jetzt ab." Die Behelfsstraße, die gebaut werde, müsse wahrscheinlich zu einer Dauerlösung mutieren: "Das Gelände ist einfach derart verschüttet."

"Immense Spuren der Verwüstung"

An selber Stelle sagt der Pinzgauer Katastrophenreferent Manfred Höger gegenüber den PN: "Die immensen Spuren der Verwüstung hier zeigen, dass es ein ungeheures Niederschlagsereignis war. Ein Schadensausmaß, das man sich in dieser Form seit Jahrzehnten nicht vorstellen hat können." In der Bewältigung der Katastrophe könne man aber auf ein "eingespieltes Team" bauen: "Es gibt eine perfekte Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Blaulichtorganisationen, der Wildbach- und Lawinenverbauung und der Marktgemeinde Rauris." Von Bedeutung sei anfangs auch der Einsatz des Polizeihubschraubers Libelle gewesen, ob zur Evakuierung von eingeschlossenen Personen oder zu Dokumentationszwecken.

Von oben zeigte sich das gewaltige Ausmaß der Katastrophe

Gebhard Neumayr war bei einem Flug dabei. Seine Eindrücke von oben beschrieb er am Donnerstag letzte Woche wie folgt: "Es gibt teilweise massive Verwerfungen der Rauriser Ache, es sieht aus wie eine Mondlandschaft. Hunderte Meter Straße wurden weggerissen. Die Straße bei Kolm-Saigurn muss komplett neu gemacht werden, dort ist alles zerstört." Neumayr ging noch ins Detail: "Oberhalb von Kolm-Saigurn, unterhalb des Pilatussees, liegt das Pilatuskar. Dieses ist durch das Abfließen der Wassermassen 70 bis 100 Meter tief abgetragen worden, selbst für mich in diesem Ausmaß eine völlig neue Dimension. Ich bin überzeugt, dass das Auftauen des Permafrosts dafür verantwortlich ist. Wir müssen das sicher weiter genau beobachten."

In Kolm-Saigurn wurde ein Gebiet von 24 Hektar, vor allem landwirtschaftliche Flächen, vermurt. Das entspricht rund 24 Fußballfeldern. Teils kam das Geröll vom Pilatuskar meterhoch zum Liegen. "Hauptwohnsitze im Tal oder das Naturfreundehaus und das Hotel Ammerer waren und sind zum Glück nicht gefährdet, obwohl noch Unmengen an Material am Berg sind, die bei künftigen Unwettern ins Tal befördert werden könnten", sagte Gebhard Neumayr vorige Woche.

"Peter, jetzt werkt's einmal"

Insgesamt ist noch vieles ungewiss. Zum Beispiel, wie viele und welche finanziellen Brocken nach den Katastrophen-Sofortmaßnahmen im Weg liegen. "Landesrat Sepp Schwaiger hat mir bei seinem Besuch erklärt: ,Peter, jetzt werkt's einmal'", sagt Bürgermeister Loitfellner. Man würde die Rauriser nicht im Regen stehen lassen.

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Bauhofleiter Thomas Daum, Bgm. Peter Loitfellner und Katastrophenreferent Manfred Höger bei der vermurten Goldwaschanlage.
Bauhofleiter Thomas Daum, Bgm. Peter Loitfellner und Katastrophenreferent Manfred Höger bei der vermurten Goldwaschanlage.
Geröllwüste im Bereich Kolm-Saigurn: Von der ursprünglichen Straße ist hier nichts mehr zu sehen. Im Hintergrund war ein weitläufiges Weidegebiet.
Geröllwüste im Bereich Kolm-Saigurn: Von der ursprünglichen Straße ist hier nichts mehr zu sehen. Im Hintergrund war ein weitläufiges Weidegebiet.
V. l.: Moosreitbauer Anton Mühltaler (betroffener Landwirt), Bürgermeister Peter Loitfellner, Landesrat Josef Schwaiger und Martin Zopp (Land Salzburg).
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Bei der beliebten Goldwaschanlage ist die Saison vorbei. Noch im Herbst soll damit begonnen werden, der Touristenattraktion neues Leben einzuhauchen.
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Großflächiger Arbeitseinsatz über viele Kilometer auf Feldern entlang der Rauriser Ache.
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