S-Link-Debatte: Emotionen im Publikum, Schlagabtausch am Podium
Am 26. November stimmen die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Salzburg über das größte Öffi-Projekt - den S-Link - ab. Bei der Diskussion im SN-Saal am Montag ging es um viele Fragen - zur Finanzierung, dem Kosten-Nutzen-Faktor und den Belastungen der Anrainer durch die mehrjährige Bauphase.
Nur wenige Tage vor der Bürgerbefragung in der Stadt Salzburg ist das Interesse zum Megaverkehrsprojekt S-Link groß. Und es polarisiert. Das wurde am Montagabend bei der Podiumsdiskussion im SN-Saal deutlich. Etwa 180 Menschen haben die Veranstaltung besucht - Gegner, Befürworter, interessierte Bürgerinnen und Bürger. Die Debatte am Podium war gesittet, aber durchaus hitzig. Und auch aus dem Publikum gab es immer wieder Zurufe oder Applausbekundungen, die nicht selten eingebremst werden mussten. Drängende Fragen aus dem Publikum lauteten wie folgt: "In welchem Takt fährt der S-Link?", "Wie lange wird uns die Baustelle vor der Haustür belasten?" oder "Und woher wissen wir, dass durch den Tunnel im Untergrund nicht oben erst wieder mehr Platz für Autos entsteht?". Ein Mann aus dem Publikum sagte voll Überzeugung: "Wir alten Leute werden nicht mehr besonders viel mit dem S-Link fahren, aber unsere Enkel und Urenkel."
Zunächst führte Stefan Knittel, S-Link-Geschäftsführer, den aktuellen Stand zum Projekt aus und verwies auf die Vorteile des Milliardenprojekts: Aus Verkehrsstromanalysen habe sich klar herauskristallisiert, dass der Bedarf am Netzausbau vor allem an der Nord-Süd-Achse von der bestehenden Lokalbahnstrecke in den nördlichen Flachgau bis nach Hallein bestehe. Der S-Link sei "das Rückgrat der Mobilitätswende" - so könne man der Touristenproblematik in der Stadt Salzburg begegnen und gleichzeitig mit S-Link-Garnituren in das S-Bahn-Netz ins Umland ausfahren. Der Takt des S-Link soll auf 7,5 Minuten verdichtet werden - in einem ersten Schritt vom Hauptbahnhof zum Mirabellplatz, später soll die Taktung auf zwei Minuten verringert werden. "Trotzdem braucht es Begleitmaßnahmen. Es geht nicht nur um die Bahn, auch Fußgänger und der Radverkehr werden mitgedacht." Außerdem würde der S-Link letztlich auch die Wirtschaftsleistung in Salzburg steigern.
BILD: SN/ROBERT RATZER
Der SN-Saal war fast voll besetzt – etwa 180 Menschen haben die Veranstaltung besucht.
Schnöll: "Es gibt keine Alternative zum S-Link"
Projektgegner Wilfried Rogler von der Initiative Stopp U-Bahn, die die Bürgerbefragung eingebracht hat, überzeugt das nicht: "Die derzeitigen Kostenschätzungen sind enorm hoch. Außerdem haben wir bisher nicht das Gefühl gehabt, dass wir als Bürger mitgenommen werden, dass wir uns einbringen können." Er verlange ein Gesamtkonzept für die nächsten 20 bis 30 Jahre für die gesamte Region, "damit die Menschen wissen, was sie wann erwarten können".
Bei dem Begriff "Gesamtkonzept" reißt Landeshauptmann-Stellvertreter Stefan Schnöll (ÖVP) merklich der Geduldsfaden: "Es gibt ein Gesamtkonzept, wir haben gerade einen neuen Nahverkehrsplan für die Stadt Salzburg präsentiert, neue Busverbindungen für das Land und fördern landesweit den Mikro-ÖV in den Gemeinden. Aber wer glaubt, dass man mit mehr Bussen in der Stadt Salzburg das Problem löst, der war schon lange nicht mehr an der Staatsbrücke." Der S-Link sei für ihn die einzige Lösung, sämtliche oberirdischen Varianten seien mehrfach verworfen worden: "Mir fehlt mittlerweile die Fantasie, wie wir die Menschen abseits vom Auto durch Salzburg bewegen können. Es gibt keine Alternative und schon gar keine leistbare."
Auf die Wiederbelebung der Ischlerbahn angesprochen sagt Schnöll dezidiert: "Die von früher bekannte Trasse nach Bad Ischl ist nicht mehr frei, das ist leider vergebens. Aber wir werden nicht in jedes Eck im Land eine Schiene legen können. Die Messe- und die Stieglbahn sind realistisch. Wir werden das Gesamtnetz aber auch mit Bussen erweitern müssen."
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Vizebürgermeister Bernhard Auinger warnt vor den Kosten: „Wenn man sich den Ferrari nicht leisten kann, muss es halt ein Volkswagen werden.“
Auinger: "Der S-Link darf nicht isoliert betrachtet werden"
SPÖ-Vizebürgermeister Bernhard Auinger, der die Stadtpolitik am Podium vertreten hat, bringt als bekennender S-Link-Kritiker wieder einmal die Kosten ins Spiel. Je nach Trassenverlauf soll der S-Link mit 1,99 bis 2,83 Milliarden zu Buche schlagen. 50 Prozent davon werden vom Bund finanziert, bis Mirabell zahlen Stadt und Land je 25 Prozent. Darüber hinaus wird noch verhandelt. "Die Kosten im Tunnelbau explodieren weltweit, ich bin Stadtpolitiker, da kann ich nicht isoliert ein Verkehrsprojekt sehen, das das Budget der Stadt für die nächsten Jahre stark belastet", sagt Auinger. "Wenn man sich den Ferrari nicht leisten kann, muss es halt ein Volkswagen werden." Und das ist in dem Fall der Obus. Auinger plädiert dafür, zunächst die "blinden Flecken" zu beseitigen und jene Stadtteile, die bisher gar nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sind, mit dem bestehenden Bussystem anzubinden. Sollten nur Bund und Land bezahlen, wäre der Vizebürgermeister allerdings umzustimmen: "Ja, wenn ich gratis den S-Link bis vor die Haustür bekomme, dann würde ich sagen, bauts ihn."
Entschädigungsfonds für betroffene Anrainer soll eingerichtet werden
Zur Kosten-Nutzen-Analyse sagt Stefan Knittel von der Projektgesellschaft: "Wir werden laufend über unabhängige Stellen im Bundesministerium überprüft. Ohne eine Kosten-Nutzen-Rechnung gibt es keine Finanzierung vom Bund." In den kalkulierten Projektkosten seien auch Grundstücksablösen und Entschädigungszahlungen - etwa für geschädigte Gewerbetreibende durch den S-Link - enthalten, schildert Knittel. "Die Entschädigungen sind ganz klar im Gesetz geregelt. Die Höhen werden von externen Sachbearbeitern festgelegt. Jeder, der von dem Projekt einen Schaden erleidet, bekommt diesen ersetzt." Aber er betont: "Für Hoteliers ist es möglich, Übernachtungen anzubieten, wir arbeiten am S-Link nicht nachts und nicht an den Wochenenden." Durch die Deckelbauweise, wo ein Großteil der Arbeiten unterirdisch stattfinde, seien Anrainer zudem immer nur vier bis sechs Monate am Stück massiv belastet.
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Hotelier Georg Imlauer fordert: „Den Anrainern reinen Wein einschenken“, was die Belastungen durch die S-Link-Baustelle betrifft.
Einige, die von der S-Link-Baustelle besonders betroffen sein werden, waren auch im Saal anwesend, so etwa der Hotelier Georg Imlauer: "Es ist nicht so, dass nach wenigen Monaten die Baustelle vorbei ist. Drei Jahre ist die Rainerstraße nicht befahrbar." Der Hotelier mit vier Betrieben im Umfeld der S-Link-Bauarbeiten forderte die Projektgesellschaft auf, den betroffenen Anrainerinnen und Anrainern reinen Wein einzuschenken. In dieselbe Kerbe schlägt Motzko-Chef Christoph Steiner, der dort zwei Buchhandlungen führt: "Wir haben durch Zufall erfahren, dass eine Geschäftszeile an der Rainerstraße abgerissen werden muss, wenn der S-Link gebaut wird. Wir wollen mehr Transparenz - wie werden wir entschädigt?"
Schnöll kündigt hierzu an: "Wir verhandeln - zusätzlich zu den gesetzlichen Entschädigungszahlungen - mit der Wirtschaftskammer über einen Entschädigungsfonds für Betroffene. Aber der ist noch nicht ausgegoren." Den Vorwurf der mangelnden Transparenz bei dem Projekt könne er nicht nachvollziehen: "Das Umweltverträglichkeitsverfahren ist öffentlich, die Unterlagen sind wochenlang aufgelegen. Noch transparenter geht es nicht." Woran er den Erfolg des Milliardenprojekts festmachen werde, sollte der S-Link umgesetzt werden? "Am Modal Split - also daran, wie viele Menschen den öffentlichen Verkehr in Salzburg nutzen." Der Anteil des öffentlichen Verkehrs liegt laut einer Mobilitätserhebung des Landes im Jahr 2022 bei 12,3 Prozent. "Das ist nicht viel", sagt Schnöll. "Mit dem S-Link sollte der Wert auf 20 bis 25 Prozent steigen."
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Wilfried Rogler von Stopp U-Bahn: „Ich wünsche mir eine ehrlichere Debatte.“
Bürgerbefragung: "Noch zu viele Fragen offen"
Hinsichtlich der Bürgerbefragung am kommenden Sonntag appelliert Projektgegner Wilfried Rogler an die Salzburgerinnen und Salzburger, "mit Nein zu stimmen". Es seien noch zu viele Fragen offen und er forderte eine ehrlichere Diskussion in der Sache. Vizebürgermeister Bernhard Auinger schätzt, dass etwa 20.000 Menschen am Sonntag ihre Stimme abgeben werden: "Die Mehrheit wird mit Nein stimmen." Das Ergebnis werde er aber so oder so annehmen. Einer, der offensichtlich für das Projekt brennt, bleibt Stefan Schnöll: "Ich hoffe, dass mehr Menschen einmal für etwas sind. Ich könnte es mir auch leicht machen und dagegen sein. Es hat noch kein Verkehrsprojekt gegeben, wo jemand im Nachhinein gesagt hat, wir hätten es nicht gebraucht." Er verweist zum Schluss noch auf die landesweite Befragung, die er bis Mitte kommenden Jahres in Salzburg zum S-Link abhalten wolle: "Das ist als Chance zu sehen, weil sie dann stattfinden wird, wenn mehr Informationen auf dem Tisch liegen."
Moderation: Heidi Huber und Marco Riebler, Lokalredaktion.
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Ein Podium mit zwei Stimmen gegen und zwei Stimmen für den S-Link: Wilfried Rogler (Stopp U-Bahn), Vizebürgermeister Bernhard Auinger, LH-Stv. Stefan Schnöll und Stefan Knittel von der S-Link-Projektgesellschaft.
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Stefan Knittel von der S-Link-Projektgesellschaft am Podium mit LH-Stv. Stefan Schnöll, Vizebgm. Bernhard Auinger und Wilfried Rogler (Stopp U-Bahn).
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Der SN-Saal war fast voll besetzt – etwa 180 Menschen haben die Veranstaltung besucht.
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LH-Stv. Stefan Schnöll kämpft mit Vehemenz für das Verkehrsprojekt: „Es gibt keine Alternative zum S-Link.“
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Stefan Knittel: „Der S-Link ist das Rückgrat für die Mobilitätswende.“