Vor Mozarts Geburtshaus in der Getreidegasse drängen sich Gäste aus aller Welt. Nur wenige Schritte von dem Trubel entfernt entfaltet auf sieben Quadratmetern das Kaslöchl mit der alten Holzfassade den Charme von anno dazumal. Unter der historischen Gewölbedecke verströmen 160 Käsespezialitäten aus Österreich, der Schweiz, Frankreich, Italien und den Niederlanden ihren Duft. Touristen verirren sich selten in das Reich von Günther Soukup, einem Käsekenner par excellence, der alles über die Herstellung, die Aromen und die Herkunft jeder Sorte zu erzählen weiß. "95 Prozent meiner Kunden sind Stammgäste", sagt er.
Wie bestellt betritt Gabriela Strohmer über die Marmorstufe das winzige Geschäft. Wie immer, wenn ihre 31 und 26 Jahre alten Söhne aus Wien zu Besuch kommen, kauft sie im Kaslöchl deren Lieblingskäse ein. "Sie haben hier als Kinder immer eine Kostprobe bekommen, das haben sie nicht vergessen", erzählt Strohmer. Wie ihre Söhne kennt die Salzburgerin das Geschäft seit Kindertagen. "Wenn meine Eltern Gäste hatten, hat meine Mutter nach dem Essen immer eine Käseplatte serviert."
Wenige Minuten später gibt Stammgast Andreas, der seit 30 Jahren in der Altstadt lebt, seine Bestellung auf: "Bitte das erweiterte Einsermenü." Günther Soukup weiß Bescheid und schneidet je eine dünne Scheibe vom mageren Gouda und vom Nusscamembert ab, teilt den Käse in mundgerechte Happen, drapiert sie auf einer Serviette und legt sie auf die Theke. Andreas lässt sich den Käse an Ort und Stelle schmecken und schwingt sich nach einem kurzen Plausch wieder auf sein Fahrrad.
Seit fast 26 Jahren führt Günther Soukup das Kaslöchl. Seine Frau Barbara hatte das Geschäft zwei Jahre nach dem Konkurs der Vorgänger 1999 übernommen und wieder zum Leben erweckt. Weil im selben Jahr die Tochter des Ehepaares zur Welt kam, stieg Günther Soukup - er ist gelernter Koch - aus der Gastronomie aus und im Geschäft ein. Alles, was er über Käse weiß, hat er sich selbst angeeignet. Der Cappuccino aus der Siebträgermaschine kostet bei ihm übrigens nur 2,80 Euro.
Die Anfänge des Geschäftes am heutigen Standort reichen ins Jahr 1902 zurück, zuvor war es ab 1884 im Griesbaderhaus am Hagenauerplatz zu finden. Der Pinzgauer Michael Fazokas hat nun ein Buch über die Geschichte dieses einzigartigen Altstadtgeschäfts verfasst, die eng mit seiner Familie verwoben ist. Erschienen ist das Buch in Fazokas' Verlag Pinzgaubooks. Es ist sein elftes und persönlichstes Buch.
"Ich habe es geschrieben, um meine Großmutter Friedl Herout und ihr fleißiges, bescheidenes Leben 32 Jahre nach ihrem Tod zu würdigen", sagt der 63-Jährige. Von 1945 bis 1974 war Friedl Herout die Seele des Ladens, der als Nahversorger für Käse, Butter, Eier, Topfen und Schmalz rundum bekannt war und in den 1960er- bis 1980er-Jahren die Hochblüte erlebte. Zwischenzeitlich weilte die Geschäftsfrau immer wieder bei ihrem Mann in Wien, doch die Ehe war schwierig und wurde 1978 geschieden.
"Zum Glück hat meine Oma genau Buch geführt und alle Unterlagen und Fotos aufgehoben", sagt Fazokas, der in Kaprun im Pinzgau aufgewachsen ist. Sein 1990 verstorbener Vater war der Bürgermeister Kapruns. Seine Mutter hat vor ihrer Heirat im Jahr 1958 einige Jahre im Kaslöchl gearbeitet.
Als Student wohnte Fazokas bei seiner Großmutter in Salzburg-Maxglan. "Sie war eine typische Bürgersfrau und war sehr verbunden mit der Stadt Salzburg." Fazokas erinnert sich gerne an gemeinsame Besuche bei Delikatessen Schwaighofer neben dem Rathaus, beim Knopferlmayer, im Fisch Krieg und im Café Tomaselli.
Fazokas zeichnet in seinem Buch nicht nur die Geschichte des Käsegeschäftes nach, er beschreibt auch Käsesorten aus dem historischen Kaslöchl. Günther Soukup hat das Buch bereits gelesen. "Ich war erstaunt, wie viele Käsesorten damals schon verkauft wurden, sogar Parmesan und Gorgonzola gab es." In dem Buch finden sich auch unterhaltsame Episoden wie jene über den Hund von Fazokas' Urgroßvater, dem Käser Franz Raudaschl. Russi bewahrte den in angemieteten Kellern gelagerten Käse davor, von Mäusen und Ratten verspeist zu werden. Russi gehörte der Rasse der Rattler an und brachte jeden noch so gut versteckten Schädling zur Strecke. 1928 entlief Russi und ward nicht mehr gesehen. Sein Nachfolger enttäuschte: "Dem Hund fehlte es an Motivation und Jagdinstinkt, seine Erfolge reichten an die von Russi keinesfalls heran", schreibt Fazokas.
SN-Info
Michael Fazokas: Das Kaslöchl zu Salzburg. Die Geschichte des kleinsten Käsegeschäftes der Welt. Verlag Pinzgaubooks.
Das Buch ist im Kaslöchl und
online erhältlich, 24,90 Euro
(zzgl. Versandkosten).
www.pinzgaubooks.at