Seit Mai ist bekannt, dass sich AustroCel auf Brautschau befindet. Der Verkauf des Halleiner Unternehmens, das aktuell 340 Mitarbeiter beschäftigt, war bis Jahresende avisiert und ging nun deutlich schneller über die Bühne als geplant: Der bisherige amerikanische Eigentümer TowerBrook Capital Partners verkauft die Raffinerie an den japanischen Papierkonzern Oji. Die Übernahme muss allerdings noch wettbewerbsrechtlich abgesegnet werden. Der Kaufpreis wurde nicht genannt.
Ruß auf den Fensterbänken und Schwefelgeruch sind Vergangenheit
Wenige Unternehmen haben sich in den vergangenen vier Jahrzehnten so stark gewandelt wie AustroCel. Unter der Eigentümerschaft der deutschen Papierwerke Waldhof Aschaffenburg (PWA) gab es in den 1980er-Jahren ein erbittertes Ringen um Umweltauflagen. Ruß auf den Fensterbänken, permanenter Schwefelgeruch und Schaumkronen auf der Salzach prägten das Bild. Greenpeace-Aktionen, der Protestmarsch von 2000 Fabriksarbeitern vors Schloss Mirabell und die Investition von zwei Milliarden Schilling führten dazu, dass die PWA als erste Papierfabrik ihre Produktpalette chlorfrei anbot. 1992 schlitterte die Hallein Papier AG in die Insolvenz, 250 Beschäftigte mussten gehen. 1995 wurde der Betrieb nach Schweden verkauft, zur Jahrtausendwende nach Finnland. Noch bis 2009 wurde in Hallein unter dem Namen M-real Hallein AG Papier erzeugt. Dann kam 2009 das Aus: 450 Mitarbeiter verloren ihren Job, nur die Zellstoffproduktion blieb erhalten.
Zwischen 2011 und 2017 befand sich das Unternehmen in österreichischem Besitz: Als Schweighofer Fiber GmbH stellt der Betrieb seit 2013 hochreinen Zellstoff für Textil- und Spezialanwendungen her. Mit der Übernahme durch die Private-Equity-Gruppe TowerBrook Capital Partners in New York erfolgte eine weitere Spezialisierung: weg vom Export nach Asien für die schwächelnde Textilindustrie, hin zu einer breiten Verwertung des Rohstoffs Holz.
Kreislaufwirtschaft als ausgegebene Mission
Die intern ausgegebene Mission des Unternehmens lautet, den Rohstoff Holz so zu verwerten, dass kein Abfall mehr übrig bleibt. Jedes Nebenprodukt führe zu einem Nebenprodukt und wieder zu einem Nebenprodukt. Nur, was nicht mehr verwertbar sei, werde "thermisch verwertet", also verbrannt. Und selbst mit dem dadurch erzeugten Strom und der Abwärme versorge man die Haushalte in der Umgebung.
Laute Kritik nach tödlichem Unfall
Ein großer Einschnitt in der Unternehmensgeschichte war der Chemieunfall im Juni 2021, bei dem 150 Grad Celsius heißes Schwefeldioxid austrat. Ein Arbeiter starb. Dazu kam massive Kritik der Halleiner Bevölkerung an den Schutzmaßnahmen. Ein neuer Geschäftsführer, Wolfram Kalt, wurde im Mai 2022 ins Unternehmen geholt, dieser kündigte Änderungen vor allem in Hinblick auf die Sicherheitsvorkehrungen an. Diese seien wichtiger als die Zahlen, betonte Kalt damals. Doch auch diese zeigten nach oben: Von einem Umsatz von 130 Millionen Euro 2020 konnte sich die AustroCel auf mehr als 180 Millionen Euro im Vorjahr steigern.
Das sei durch die starke Diversifizierung der Produktpalette gelungen, die profitabler sei als Zellstoff.
Bioethanol als Zugpferd
Neben Zellstoff wird seit 2021 auch Biobenzin aus Braunlauge produziert, einem Abfallprodukt aus der Zellstoffkocherei. Durch Vergärung entsteht Alkohol, der zu Bioethanol destilliert wird. Wie Wolfram Kalt erläutert, stellt auch Oji in Japan Bioethanol her, "aber sie sind nicht so weit wie wir". Das chemische Verfahren von Oji sei anders als jenes in Hallein, "aber ich sehe hier viele Synergien".
Einen großen Coup landete die AustroCel im Vorjahr mit der Vereinbarung, ein biologisches Gel herzustellen, das den Bewässerungsbedarf auf Feldern um rund 20 Prozent senken und den Ertrag um ein Fünftel steigern soll. Die Zusammenarbeit mit dem Start-up Agrobiogel sei vor allem marketingtechnisch ein Jackpot, wie Kalt schildert.
Beide Bereiche seien für Oji ein starkes Kaufargument gewesen. "Ich glaube, die Japaner waren überwältigt davon, was wir in den vergangenen drei Jahren zustande gebracht haben", sagt Kalt. Der Papierkonzern spielt freilich in einer völlig anderen Liga als die AustroCel - mit knapp 39.000 Mitarbeitern, einem Jahresumsatz von 11,3 Milliarden und einem Waldbesitz von 635.000 Hektar. "Oji stemmt die Investition aus Eigenmitteln", wie Kalt betont, und sei daher "ein sicherer Hafen" für den Halleiner Industriebetrieb. Eine der rund 400 Fragen sei übrigens gewesen, ob die Führungsriege unter den neuen Eigentümern weitermachen wolle. Die Antwort lautete "Ja".