Nach 45 Jahren ist nun Schluss: 1979 war Marianne Winkler mit dem damalige A&O-Geschäft in der Gollinger Marktstraße ins Nahversorgergeschäft eingestiegen, 45 Jahre später ziehen sich ihr Sohn Detlef und seine Frau Sybill, mittlerweile Spar-Kaufleute, zurück. "Der Markt gehört erneuert, das hätte ca. 1,5 Millionen Euro gekostet", erklärt Detlef Winkler im TN-Gespräch. "Außerdem ist es wahnsinnig schwer, Mitarbeiter zu finden. Ich hätte die letzten Jahre immer sechs bis sieben Vollzeitstellen vergeben können." Der Spar-Markt ist noch bis 31. August geöffnet, nach einer kurzen Sanierung wird er am 11. September vom Spar-Konzern neu eröffnet. Unterversorgt ist Golling in diesen zehn Tagen nicht, mit dem M-Preis am Bahnhof und dem Unimarkt in Kuchl-Kellau. In vier anderen Tennengauer Gemeinden ist das anders - sie müssen komplett ohne Nahversorger auskommen.
Krispl-Gaißau versorgt sich mit einer "Dorfbox"
In Krispl-Gaißau zum Beispiel schloss der Adeg-Markt 2018 seine Pforten. Seit 2019 ist der einzige "Nahversorger" in der Gemeinde die "Dorfbox", ein Container auf dem Parkplatz im Gaißauer Ortszentrum, der ohne Kassenpersonal funktioniert. Angeboten wird dort alles Mögliche für den täglichen Gebrauch, von Lebensmitteln bis zu Hygieneartikeln. "Die Nachfrage ist gut, es funktioniert, aber leben kann man davon nicht", sagt Betreiberin Lydia Reischl im TN-Gespräch.
"Wir sind eine Pendlergemeinde, weswegen die Leute so und so draußen einkaufen", sagt Bürgermeister Martin Wallmann (ÖVP). Was laut dem Ortschef langfristig funktionieren könnte, wäre ein Bauer, der einen richtigen Hofladen betreibt, leider "findet sich keiner, der sich das antut, weil sie ihre Produkte so und so verkaufen". Trotzdem bleibt Wallmann ständig auf der Lauer, um eine Nahversorger-Lösung zu finden. "Inzwischen sind wir aber zufrieden mit dem, was wir haben."
In der Scheffau könnte etwas entstehen
Viel besser schaut es auch in Scheffau nicht aus. "Wir versuchen seit zehn Jahren, einen Nahversorger zu bekommen", sagt Bürgermeister Friedl Strubreiter (ÖVP). Die Firma M-Preis wollte in Scheffau eine Filiale eröffnen, allerdings hakte es an der Umwidmung einer passenden Fläche. Diese Umwidmung steht nun kurz vor dem Abschluss, was den Ortschef fröhlich stimmt: "Obwohl das Grundstück der Gemeinde gehört, hatten wir viele Hürden bei der Umwidmung zu bewältigen. Jetzt schaut es sehr gut aus, es gibt auch bereits interessierte Firmen. Nun sind wir noch auf der Suche nach einem selbstständigen Kaufmann."
Geplant sind 400 m² Geschäftsfläche inklusive Postpartner, Tabakladen, kleinem Café und Gewerbeflächen im Obergeschoß. Die Errichtung von Marcel Hirschers Van-Deer-Skifabrik könnte das ihre zum Zuzug eines Nahversorgers tun, denn "hier entstehen rund 100 Arbeitsplätze, die brauchen eine Infrastruktur", ist sich der Ortschef sicher.
St. Koloman befragt die Bürgerinnen und Bürger
Schon seit 2018 hat St. Koloman keinen Nahversorger mit Vollsortiment mehr. Ende September 2024 zieht sich auch das örtliche Lagerhaus zurück, das in den vergangenen Jahren die Bevölkerung mit dem Notwendigsten versorgt hatte. "Wir haben eine Umfrage bei unseren Bürgerinnen und Bürgern gemacht, um herauszufinden, welche Art von Nahversorger sie sich wünschen", erklärt Bürgermeister Herbert Walkner (ÖVP). Des Weiteren wurde nach den gewünschten Öffnungszeiten und dem notwendigen Sortiment gefragt. "Am Ende braucht es natürlich auch jemanden, der das Geschäft führt." Walkner selbst weiß aus Erfahrung, dass ein Markt mit weniger als 500 m² Geschäftsfläche wenig Sinn hat. "Ohne Vollsortiment gehen die Leute auswärts einkaufen. Dann ist ein Geschäft unwirtschaftlich."
Rußbach hütet seinen Krammerladen wie einen Schatz
Seit 2019 gehört auch Rußbach zu jenen Gemeinden ohne Nahversorger. "Zurzeit haben wir einen kleinen Kramerladen, auf den wir gut aufpassen müssen", sagt Bürgermeister Stefan Lanner (SPÖ). Dort gebe es zwar kein Vollsortiment, aber "alles für den täglichen Gebrauch".
Für eine große Supermarktkette sei die Gemeinde am Pass Gschütt zu klein: "Es braucht einen selbstständigen Kaufmann, der sich hier niederlassen will." Hoffnung machen dem Ortschef die vier in Planung befindlichen Hotelprojekte. "Bei vier neuen Hotels braucht es Infrastruktur. Da kommt es auch auf die Öffnungszeiten an, etwa am Samstagnachmittag, wenn neue Gäste anreisen." Aktuell gibt es keine Pläne für einen Nahversorger, die macht der Bürgermeister erst, wenn es touristisch wieder bergauf geht. "Mehr Gäste bedeuten mehr Umsatz für ein Geschäft."
Orte ohne Nahversorger könnten mehr werden
Die Zahl der Gemeinden ohne Nahversorger ist laut Wirtschaftskammer Salzburg seit mehreren Jahren stabil. "Von den 119 Gemeinden im Bundesland haben aktuell 15 keinen Nahversorger. Diese Zahl ist seit vielen Jahren relativ stabil", sagt Johann Höflmaier, Fachgruppen-Geschäftsführer Lebensmittel in der WKS. Das Problem trifft seiner Meinung nach speziell Pendlergemeinden mit wenig Betrieben innerhalb des Ortes. "Der Wocheneinkauf wird oftmals außerhalb des Ortes erledigt. So bleibt die Kaufkraft nicht im Ort."
Einen Supermarkt zu betreiben, muss wirtschaftlich sein. "Wenn die Bevölkerungszahl im Vergleich zum Umsatz nicht passt, ist es nicht wirtschaftlich. Das Zahlen einer Pacht für die Geschäftsfläche macht den Betrieb fast nicht mehr finanzierbar. Wenn lediglich Milch und Brot für das Wochenende gekauft werden, reicht das keinem Nahversorger zum Überleben", erklärt Höflmaier.
Zurzeit verfügt das Bundesland Salzburg noch über eine hohe Dichte an Nahversorgern, was sich in den nächsten Jahren aber ändern könne, da ein Generationenwechsel stattfindet. "Es braucht viel individuelle Motivation zur Aufrechterhaltung der Nahversorgung. Das wollen sich viele Junge nicht mehr antun. Zukünftig könnte es mehr Gemeinden ohne Markt mit Vollsortiment geben", blickt Höflmaier in die Zukunft.



