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Fachkräftemangel: Es geht auch ohne eigenen Koch

Der Fachkräftemangel in der Gastronomie macht kreativ. Spitzenköche bauen regionale Großküchen und beliefern Hotels mit Menüs.

Oft wird das Essen zugeliefert und nicht mehr vor Ort gekocht.
Oft wird das Essen zugeliefert und nicht mehr vor Ort gekocht.
Das frisch gekochte Menü wird auf vier Grad tuntergekühlt.
Das frisch gekochte Menü wird auf vier Grad tuntergekühlt.
Bestellung und Auslieferung läuft über digitalisierte Prozesse.
Bestellung und Auslieferung läuft über digitalisierte Prozesse.
Vom Koch zum Unternehmer: Matty-Chef Georg Foidl (31) beschäftigt jetzt selbst sieben Köche und fünf Küchenhilfen.
Vom Koch zum Unternehmer: Matty-Chef Georg Foidl (31) beschäftigt jetzt selbst sieben Köche und fünf Küchenhilfen.

Georg Foidl ist so etwas wie ein klassischer Fall. Der Tiroler aus Waidring ist 31 Jahre jung. 2006 begann er die Kochlehre, schon mit 19 wurde er zum Küchenchef. Er wechselte in die Haubengastronomie - und stieg 2014 aus. "Ich habe gewusst, mit 40 oder 50 schaffe ich das nicht mehr", erzählt er. Für einen IT-Spezialisten installierte er fortan digitale Lösungen in der gehobenen Hotellerie. Doch das Problem der fehlenden Köche wurde zum ständigen Begleiter. "Ich war von der Schweiz bis Wien in den besten Häusern, und ich wurde ständig gefragt, ob ich nicht als Koch bleiben möchte oder einen Kollegen kenne", sagt der Tiroler. Anfang 2020 entschloss er sich, wieder zu kochen - aber anders.

Neue Idee: Eine Großküche beliefert mehrere Hotels

Foidl baute in Buch bei Jenbach einen alten Spar-Markt in eine moderne Großküche um. 2,2 Millionen Euro hat er investiert. Seine Geschäftsidee: Wenn keine Köche zu finden sind, kann einer wie er, der es gut kann, Hotels auch mit frisch gekochten Menüs beliefern.

Die Coronapandemie machte den Start von "Matty" (Menus are transported to you) nicht einfach, in den Lockdowns wurde erst einmal für Büros und Werkstätten gekocht. Vergangenen Winter habe es dann in der Hotellerie aber "total gekracht", erzählt Foidl, "wir hatten Kundenanfragen ohne Ende". Mittlerweile kocht Matty für 15 Hotelbetriebe und drei Hochzeitsalmen mit vier und fünf Sternen im Umkreis von 70 bis 100 Kilometern. Dabei würde sich ein Betrieb, den man beliefere, sogar selbst zwei Küchenchefs leisten, sagt Foidl, "die wollen halt fixe und bessere Arbeitszeiten".

Ein Betrieb könne sich bis zu 45.000 Euro im Jahr sparen

Abgewickelt werden die Bestellungen über eine IT-Schnittstelle zu den Kunden, die frisch gekochten Menüs werden auf vier Grad heruntergekühlt, für die Lieferung wird ein bestehendes Netzwerk genutzt. Geld sparen würde sich ein Betrieb, der nur drei oder vier Tage zukauft, nicht, erklärt Foidl. "Bei sieben Tagen und ohne eigenen Koch sieht das anders aus. Da kommen schon bis zu 45.000 Euro Ersparnis im Jahr zusammen."

Bei Matty selbst arbeiten mittlerweile sieben Köche, fünf Küchenhilfen, ein Hausmeister und drei Beschäftigte im Backoffice. Arbeitszeit für die Köche: sechs Uhr früh bis halb drei am Nachmittag, Fünftagewoche. Sogar zwei Köche mit 56 und 58 hätten bei ihm angeheuert, erzählt Foidl, "die sagen, sie wollen bei mir in Pension gehen".

Ob die Hotelkunden ihren Gästen auch sagen, dass das gute Essen nicht aus dem eigenen Haus stammt? "Eher nicht", erklärt Foidl, "da braucht es noch etwas Sensibilisierungsarbeit." Jedem fehlten zwar die Köche, aber zugeben, dass das Essen woanders gekocht wird, wolle noch niemand so wirklich.

"Ein Betrieb muss breit aufgestellt sein"

Für andere Betriebe kocht auch der steirische Haubenkoch Hans Peter Fink mit seinem Team vom Gasthaus Haberl und Fink's Delikatessen in Walkersdorf. Die aktuell fünf Betriebe, darunter ein Weingartenressort, im Umkreis von 30 Kilometern werden zwar nicht beliefert, bei Fink muss abgeholt werden. Doch der Haubenkoch sieht das Kochen für andere durchaus als zusätzliches Standbein. "Ein guter Betrieb, der gutes Essen macht, muss breit aufgestellt sein, um sich abzusichern. Ich brauche nicht nur einen, sondern mehrere Kunden", erklärt Fink. Die Qualität müsse dabei freilich hoch gehalten werden. "Wenn ich 100 Rostbraten mache, dann habe ich die Qualität, hinter der ich stehen kann, bei 300 geht das nicht mehr." Er warne deshalb davor, "dass jeder Koch jetzt glaubt, er muss auch noch Catering machen". Er selbst vereinbare mit seinen Kunden, für die er kocht, seinen Namen nicht zu nennen, betont Fink. "Weil angerichtet werden die Menüs vor Ort, und dafür übernehme ich keine Verantwortung." Werde nachgefragt, könne sein Name aber genannt werden.

Hotels oder Restaurants, die Menüs extern einkauften, müssten in der Kalkulation jedenfalls umdenken, sagt der Haubenkoch. "In der Gastronomie ist ein Aufschlag von 300 bis 400 Prozent normal, bei meiner Suppe kann man halt nur 100 Prozent draufschlagen." Es bleibe dann beim Essen zwar weniger Geld übrig, dafür muss es nur aufgewärmt werden und der Kunde hat selbst keine Arbeit. "Das muss verstanden werden."

"Ein Koch, der selbst kocht, wird seltener"

Urs Bürki, gelernter Koch und mit seiner Firma Bekom als Berater für die Gastronomie und Hotellerie ein gefragter Mann, sieht in den regionalen Produktionsküchen jedenfalls die Zukunft. "Ein Koch, der selbst kocht, wird seltener", sagt er. Nicht nur, weil es so schwer ist, einen zu finden. "Es ist ein Trugschluss, wenn ein Koch glaubt, die Gäste kommen zu ihm, weil er so kreativ ist. Sie kommen, weil sie genau wissen, welches Essen sie in welcher Qualität erwartet", erklärt Bürki. Standardisiertes Kochen sei das Beste, was man haben könne, freilich ohne Kompromisse bei der Qualität, "ein Hendl aus China geht nicht".

Bürki geht künftig auch von mehr Kooperationen bei den Betrieben untereinander aus. "Es werden sich vielleicht fünf Hotels in einem Tourismusort zu einer Produktionsküche zusammenschließen." Man werde über den eigenen Betrieb hinausblicken müssen. "Das Geld wird über das Zimmer verdient, nicht mehr beim Essen."

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