Vor zwei Jahren hat es zweieinhalb Monate gedauert, bis es bei den Verhandlungen über einen neuen Kollektivvertrag (KV) für die Metallindustrie eine Einigung gab. Diesmal ging es schnell, sehr schnell sogar. Nach rund vier Stunden verkündeten Arbeitnehmer und Arbeitgeber am Montag einen KV-Abschluss für zwei Jahre. Die Ist-Löhne und Gehälter der rund 190.000 Beschäftigten steigen ab 1. November 2025 um 1,41 Prozent und ab 1. November 2026 um 1,9 Prozent. Das ist deutlich weniger als die Inflation der vergangenen zwölf Monate, die bei 2,8 Prozent lag. Dazu kommen zwei "Kaufkraftsicherungsprämien" von je 500 Euro, die auch in freie Tage umgewandelt werden können. Die Mindestentgelte werden um zwei bzw. 2,1 Prozent angehoben.
Der Verhandlungsführer auf Arbeitnehmerseite, der Bundesvorsitzende der Produktionsgewerkschaft Pro-Ge, Reinhold Binder sprach von einem "Krisenabschluss auf Zeit, der die rollierende Inflation nicht voll abdeckt". Angesichts der hohen Teuerung und Energiekosten sei es wichtig gewesen, gemeinsam "mit Vernunft und Sicherheit in die Zukunft zu schreiten". GPA-Bundesgeschäftsführer Mario Ferrar, der gemeinsam mit Binder verhandelt, betonte, der Abschluss sei für die Arbeitgeber tragbar und bringe den Arbeitnehmern Planungssicherheit: "Es ist ein starkes Signal für die Sozialpartnerschaft, in herausfordernden Zeiten rasch vernünftige Lösungen zu finden."
Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit
Für den Obmann der Metalltechnischen Industrie (FMTI) und Chefverhandler der Arbeitgeber, Christian Knill, ist das ein Abschluss, "der erstmals seit Jahren wieder in Richtung einer Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe geht. Der Abschluss bleibe deutlich unter der europäischen Inflation. Der Standort Österreich sei in den vergangenen Jahren zu teuer geworden. Mit der nun erzielten Einigung bestehe die Hoffnung, dass sich die Metallindustrie im europäischen Wettbewerb nicht weiter verschlechtern werde.
Knill verwies auf die vielen Gespräche mit der Gewerkschaft in den vergangenen Monaten, in denen "eine gemeinsame Sichtweise auf den dramatischen Verlust an Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen" entwickelt worden sei. Die Branche hat laut aktuellen Zahlen des Fachverbands binnen drei Jahren ein Fünftel der Produktion eingebüßt und 10.000 Beschäftigte abgebaut.
Der moderate Abschluss solle auch ein Signal an andere Branchen sowie die Bundesregierung senden, sagte Knill. Alle Akteure müssten gemeinsam durch zurückhaltende Lohnabschlüsse und eine aktive Wirtschaftspolitik dazu beitragen, die Inflation auf den europäischen Zielwert zu bringen. Um Österreichs Standortprobleme zu lösen, brauche es aber auch eine Senkung der Lohnnebenkosten und eine konkrete Entlastung der Unternehmen von bürokratischem Aufwand.
Lehrlingseinkommen steigen um zwei Prozent
Die rasche Einigung hatte sich bereits vor den Verhandlungen, die um 14 Uhr starteten, abgezeichnet. Bei den traditionellen Vorgesprächen hatte die Gewerkschaft darauf verzichtet, ihre Lohnforderungen - in Prozent - auf den Tisch zu legen. Der für seine sonst starke Wortwahl bekannte Pro-Ge-Chef hatte im Vorfeld von "gegenseitigem Verständnis" und der "schwierigen wirtschaftlichen Situation" gesprochen.
Die konkrete Ausgestaltung und Umsetzung der KV-Einigung soll auf betrieblicher Ebene entschieden werden, hieß es am Montagabend weiter. Die Lehrlingseinkommen steigen ab November 2025 um zwei Prozent, dazu gibt es eine Einmalzahlung von 250 Euro - und ab November 2026 um 2,1 Prozent.
Ebenfalls am Montag haben die Kollektivvertragsverhandlungen für rund 55.000 Beschäftigte in 92 Eisenbahnunternehmen in Österreich begonnen. Die Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft vida hat bereits erklärt, dass sie keine Reallohnverluste akzeptieren will. Vida-Vorsitzender Roman Hebenstreit warf der vergangenen Regierung Versagen bei der Inflationsbekämpfung vor. Jetzt brauche man einen Aufschwung, und mehr als 50 Prozent der Nachfrage würden aus der Kaufkraft kommen.
Auch das gewerkschaftsnahe Momentum-Institut argumentierte am Montag in diese Richtung. Das wahre Problem seien hierzulande die hohen Energiekosten. Lohnzurückhaltung würde nur die Nachfrage zusätzlich schwächen und die Rezession verschärfen, so Momentum-Ökonom Oliver Picek.
Anders sieht das Jan Kluge von der wirtschaftsliberalen Denkfabrik Agenda Austria. Die Löhne seien in Österreich deutlich stärker gestiegen als im Euroraum - bei stagnierender Produktivität.
