SN.AT / Wirtschaft / Österreich / Haftbefehl

Signa: René Benko im Zentrum eines Italo-Krimis

Die italienischen Anklagebehörden fahren schwere Geschütze auf. Haftbefehle gegen neun Personen wurden erlassen. Darunter sind Benko und dessen rechte Hand in Südtirol.

René Benko hat in Italien kräftig investiert. Hauptziele waren der Gardasee und Bozen in Südtirol.
René Benko hat in Italien kräftig investiert. Hauptziele waren der Gardasee und Bozen in Südtirol.
Darunter befand sich auch seine Luxusvilla Ansaldi in Sirmione.
Darunter befand sich auch seine Luxusvilla Ansaldi in Sirmione.

Die Milliardenpleite des Immobilienkonzerns Signa und von dessen Gründer René Benko wächst sich in Italien nun zu einem Krimi aus.

Die Staatsanwaltschaft Trient sorgte Dienstagmittag für einen Paukenschlag: Sie erließ Haftbefehl gegen neun Personen, darunter René Benko, ein Südtiroler Unternehmer, der als Benkos rechte Hand bei seinen Geschäften in Italien gilt, eine amtierende Bürgermeisterin, ein Ex-Bürgermeister und Senator, zwei Architekten, ein Bozner Journalist sowie eine Beamtin. Sie alle weisen die Vorwürfe zurück - es gilt die Unschuldsvermutung.

Acht von ihnen stehen unter Hausarrest, Benko selbst stellte sich nach Bekanntwerden des Haftbefehls den Behörden in Tirol, blieb aber auf freiem Fuß. Sein Anwalt Norbert Wess ließ in einer ersten Stellungnahme wissen: "Es wird kein Europäischer Haftbefehl gegenüber Herrn Benko vollzogen. Herr Benko wird - wie bisher - mit allen nationalen wie internationalen Behörden vollumfänglich kooperieren und ist zuversichtlich, dass sich allfällige Vorwürfe ihm gegenüber als inhaltlich unrichtig aufklären lassen."

Die Staatsanwaltschaft von Trient sieht Benko freilich als zentrale Figur rechtswidriger Machenschaften: Dank seiner wirtschaftlichen Macht sei Benko einer der Förderer der kriminellen Vereinigung, die in Italien etabliert und eng mit jenem Südtiroler Unternehmer verbunden sei, der in Italien die Signa-Geschäfte führte, so die Behörde. Benko habe diesem Hinweise gegeben, wie er Genehmigungen für Bauprojekte erhalten könne.

Anti-Mafia-Kommission in Rom will Akten

Sogar die Anti-Mafia-Kommission im Parlament in Rom soll bei der Staatsanwaltschaft in Trient den Zugang zu den Ermittlungsakten beantragt haben. Die Kommission will vor allem die Immobilienprojekte prüfen, in die Benko und andere italienische Unternehmer verwickelt sind. Vermutet wird, dass auch die Mafia die Finger im Spiel haben könnte, verlautete es aus der Kommission in Rom.

Tatsächlich haben es die Vorwürfe, die den Betroffenen zur Last gelegt werden, in sich: Bildung einer kriminellen Vereinigung, Manipulation von Ausschreibungen, unrechtmäßige Parteienfinanzierung, unzulässige Einflussnahme, Betrug, unrechtmäßiger Bezug von Leistungen zum Nachteil des Staates sowie verschiedene Straftaten gegen die öffentliche Verwaltung, darunter Korruption.

Die anfängliche Verwirrung, ob Benko nun verhaftet wird, klärte sich rasch auf. Die Staatsanwaltschaft Innsbruck bestätigte den SN, dass ein europäischer Haftbefehl gegen Benko vorliege. Er sei am Dienstag deshalb auch vom Landeskriminalamt Tirol einvernommen worden. Benko wurde dabei nicht von Polizisten abgeholt, sondern soll sich selbst gestellt haben. Dies wird auch indirekt von seinem Anwalt Norbert Wess bestätigt: "Wir wurden von der Polizei über die Vorgänge in Italien in Kenntnis gesetzt und haben danach einen Termin mit dem Landeskriminalamt in Innsbruck vereinbart. Dort wurde klar vereinbart, dass wir in dem Verfahren kooperieren werden."

Die Einvernahme blieb aber folgenlos, auch weil der europäische Haftbefehl vorsieht, dass dieser nicht vollstreckt werden muss, wenn er einen österreichischen Staatsbürger betrifft, gegen den auch im Inland ein entsprechendes Verfahren geführt werden kann. Der 47-Jährige, der sich in seiner Tiroler Heimat aufhält, blieb deshalb auf freiem Fuß. Er wird auch nicht nach Italien ausgeliefert. Ebenso gibt es keine weiteren Auflagen. Das Land verlassen sollte er vorerst allerdings nicht. Das Risiko, dass aufgrund des von Italien erlassenen Haftbefehls im benachbarten Ausland die Handschellen klicken, wäre nicht unbeträchtlich.

Die italienischen Behörden fuhren nach komplexen Ermittlungen am Dienstag schwere Geschütze auf. Insgesamt wurden 100 Durchsuchungen, darunter im Bozner Rathaus, durchgeführt. Ziel waren nach Behördenangaben Unternehmen und öffentliche Einrichtungen in den Provinzen Trient, Bozen, Brescia, Mailand, Pavia, Rom und Verona sowie im Ausland. Zum Gegenstand der Ermittlungen geben die Behörden bislang keine Details bekannt. Es gehe um verschiedene Immobilienprojekte in Norditalien und auch Südtirol. Diese betreffen Projekte in den Jahren 2018 bis 2022. Insgesamt 77 Personen sind von den Nachforschungen betroffen, darunter elf Beamte der öffentlichen Verwaltung, 20 Manager und Beamte lokaler Behörden und Beteiligungsgesellschaften, Angehörige der Polizei, Freiberufler und auch eine Reihe von Südtiroler Unternehmern.

Einstieg in Italien

Benkos Einstieg in Italien liegt schon länger zurück. Im Herbst 2011 wurde bekannt, dass der Immobilieninvestor gemeinsam mit internationalen Stararchitekten sieben Luxusvillen, vier Reihenhäuser sowie ein Clubhaus mit Wellnessbereich, einem Restaurant und vier bis fünf Appartements auf einem 78.000 Quadratmeter großen Areal mit Blick auf den Gardasee im Nobelort Gardone Riviera plant. Das Investitionsvolumen wurde mit rund 65 Mill. Euro angegeben.

Ursprünglich waren auf dem Areal auf der Westseite des Gardasees von einem anderen Immobilienentwickler 130 kleine Wohnungen geplant gewesen, die rund 4000 bis 5000 Euro je Quadratmeter hätten kosten sollen. Dafür gab es laut Benko aber jahrelang keine Genehmigungen. Er kaufte das Grundstück vor ein paar Jahren eigenen Angaben zufolge um rund 10 Mill. Euro auf. Sein Ziel sei es, "besondere Immobilien zu realisieren, die es hier am See nicht gibt", sagte Benko damals, "jetzt sind wir bei einem Preis von deutlich über 10.000 Euro pro Quadratmeter."

Die zwei luxuriösen Villen sind mittlerweile auf dem Markt. Laut Berichten in italienischen Medien von Juni werden sie vom Luxusmakler Italy Sotheby's International Realty für 23 Mill. Euro angeboten.

Für das "Eden Reserve Resort", wie die gesamte Anlage genannt wird, interessiert sich seit Längerem auch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in Wien: Sie hat Ende Juli via Amtshilfe Hausdurchsuchungen in Luxemburg durchführen lassen.

Hintergrund soll ein Tauschgeschäft zwischen Benkos Liechtensteiner INGBE-Stiftung und der Signa Holding vor knapp einem Jahr sein, als es im Immobilienkonzern finanziell schon sehr eng wurde. Dabei seien sechs Villen am Gardasee im Wert von 46 Mill. Euro gegen ein Signa-Aktienpaket an die Stiftung von Benko und seiner Mutter gegangen. Wenige Monate später waren die Aktien durch die Signa-Insolvenz praktisch nichts mehr wert. Jetzt wird untersucht, ob hier gemeinsam mit zwei Signa-Managern teure Immobilien kurz vor dem Zusammenbruch des Signa-Konzerns in seine Stiftung transferiert wurden. Benko bestreitet das.

Die Villa Ansaldi auf der malerischen Landzunge von Sirmione hat Benko diskreter gekauft. Sie gehört laut Medienberichten Zwischengesellschaften der Arual-Stiftung in Liechtenstein - wo mittlerweile ebenfalls ermittelt wird. Diese Stiftung ist wiederum mit der Innsbrucker Laura-Stiftung verwoben.

Anfang der 2010er-Jahre startete Benko mit großen Plänen in der Südtiroler Hauptstadt Bozen. Angelehnt an sein erstes größeres Immobilienprojekt, das "Kaufhaus Tirol" in Innsbruck, sollte es "Kaufhaus Bozen" heißen. Nach jahrelangem Tauziehen und Widerstand der örtlichen Kaufleute wurde das Projekt fallen gelassen. Auch 2019 bei der Suche nach einem Standort für das Ötzi-Museum setzte sich Benko mit seinen Plänen für eine futuristische Belebung des Bozener Hausbergs Virgl nicht durch. Vor zwei Jahren wurde bekannt, dass es im Zuge des Landtagswahlkampfes 2018 vom Umfeld eines offenbaren Beraters der Signa-Gruppe Geldflüsse an die Südtiroler Regierungspartei SVP gab. Mindestens ein halbes Dutzend direkt mit dem Berater verbundene Unternehmen sollen jeweils 5000 Euro an die SVP gespendet haben.

Nach Plan liefen bisher die Arbeiten am Shopping Center Waltherpark in Bozen, wo wenige Meter vom Bozner Bahnhof entfernt auf je 11.000 Quadratmetern Büros und Wohnungen entstehen sollen, sowie ein Viersternehotel der Falkensteiner-Gruppe und ein Fitness- beziehungsweise Medicalcenter. Der nun unter Hausarrest stehende Präsident von Signa Italien hatte wiederholt betont, das Projekt werde unabhängig von den Turbulenzen der Signa fertiggestellt und sei bereits zu 60 Prozent vermietet. Der Südtiroler Unternehmer ließ am Dienstag wissen, dass er seine Verteidiger beauftragt habe, Einspruch gegen den Haftbefehl einzulegen. Er bot den Ermittlern die volle Zusammenarbeit an und äußerte "großes Vertrauen in die Justiz".

Im April hat die deutsche Schoeller-Gruppe das Projekt Waltherpark in Bozen von der insolventen Signa-Gruppe übernommen sowie "Viva Virgolo" und das erste 2020 erworbene Hotel Bauer-Grünwald in Venedig. Das venezianische Luxushotel ging nach weiteren juristischen Streitigkeiten kürzlich an die Mohari Hospitality Group, Eigentümerin der Luxushotelkette Four Seasons.

Wie die Recherchen offenbarten, laufen die Ermittlungen in Italien bereits seit 2019. Dabei geht es um den Verdacht, dass Unternehmen Staatsbediensteten Geschenke, Gefälligkeiten und Geld anboten, um an Aufträge der öffentlichen Hand zu kommen. Bei den Durchsuchungen im Rathaus von Bozen wurden nach italienischen Medienberichten mehrere Computer und Smartphones beschlagnahmt. Pikantes Detail: Auslöser soll ein unbefugter Zugriff auf das IT-System einer Mitarbeiterin der Stadtverwaltung von Bozen gewesen sein.

WIRTSCHAFT-NEWSLETTER

Abonnieren Sie jetzt kostenlos den Wirtschaft-Newsletter der "Salzburger Nachrichten".

*) Eine Abbestellung ist jederzeit möglich, weitere Informationen dazu finden Sie hier.