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Trotz Schieflagen: Betriebe wollen Personal halten

Speziell die Industrie, der Bau und der Handel kämpfen mit Einbußen. Statt Kurzarbeit sind kreative Modelle wie vorübergehende Arbeitszeitverkürzung gefragt. Kündigungen wollen fast alle vermeiden.

Arbeitslosenquote im Juli 2023 in Prozent.
Arbeitslosenquote im Juli 2023 in Prozent.
Arbeitslosigkeit Juli im Detail.
Arbeitslosigkeit Juli im Detail.

Braut sich ein kleiner Sturm auf dem Arbeitsmarkt zusammen? Die Industrie ließ kürzlich mit der Nachricht aufhorchen, dass ein Viertel der Betriebe wegen Auftragsrückgängen Personal abbauen will. Die Sorgenkinder stechen auch in der Arbeitslosenstatistik für Juli ins Auge. Die Baubranche streicht am stärksten Personal (plus zehn Prozent), dahinter folgen Gastro (plus 8,4 Prozent), Leiharbeitsvermittler (plus 4,5 Prozent) und der Handel (plus drei Prozent).

Der Bau, der lange boomte, erlebt einen regelrechten Einbruch. Die Baugenehmigungen fielen im ersten Quartal auf 10.600 - das bedeutet ein Minus von 36 Prozent und einen Rückfall auf das Niveau von 2011. Hier kämen mit Zinsschüben und gestiegenen Baukosten mehrere ungünstige Faktoren zusammen, sagt die neue AMS-Vorständin Petra Draxl. Auch regional ist die Einschätzung ähnlich. Salzburgs AMS-Chefin Jacqueline Beyer will nicht dramatisieren und verweist auf die aktuell gute Lage. "Wenn zwei oder drei Baufirmen mit größeren Personalabbauplänen kommen, haben wir aber ein Riesenthema."

Zahl der Insolvenzen steigt

Auch die Zahl der Pleiten steigt beachtlich. Zwischen 5200 und 5500 Insolvenzen dürften es heuer werden, sagt Karl-Heinz Götze, Leiter des Bereichs Insolvenzen im KSV. Das sind nicht nur deutlich mehr als in den Coronajahren (3000), sondern auch mehr als 2019 (5000 Pleiten). Alarmierend ist laut Götze, dass fast jeder zweite Pleitebetrieb mangels Masse das Insolvenzverfahren gar nicht mehr eröffnen kann - womit die Gläubiger gänzlich durch die Finger schauen. Die größten Probleme sieht auch Götze in der Braubranche und im Handel. Die Pleiten von Kika/Leiner und der Autozubehörkette Forstinger sorgten zuletzt für Schlagzeilen.

Auch im AMS-Frühwarnsystem für bevorstehende Kündigungen ist der Handel aktuell besonders auffällig, wie AMS-Vorständin Draxl sagt. Handelsverbandchef Rainer Will sieht die Branche von mehreren Seiten unter Druck. Die Kunden seien wegen der Teuerung sparsamer und es fließe nach den Einschränkungen der Coronazeit mehr Geld in Reisen, Freizeit und Gastronomie. Dazu litten die Händler unter steigenden Energiepreisen, Mieten und höheren Kreditlasten. "Weitere Pleiten und Schließungen wird es wohl geben", meint Will. An einen Abbau von Arbeitskräften in Filialen glaubt er nicht, denn in Wahrheit herrscht weiter Fachkräftemangel. "Und die Mitarbeiter sind unsere einzige Chance, die Trendwende zu schaffen."

"Viele hätten lieber Kurzarbeit"

Peter Unterkofler, der Salzburger Präsident der Industriellenvereinigung, sieht im aktuellen Auftragsloch "ein vorübergehendes Phänomen". Die Konjunktur werde bald wieder anziehen. Deshalb glaubt er nicht, dass viele Betriebe tatsächlich Personal abbauen werden. "Viele hätten lieber Kurzarbeit." Denn ziehe die Konjunktur wieder an, würden Fachkräfte erneut dringend gesucht. "Und dann kriege ich sie nicht mehr." Niemand werde deshalb leichtfertig Kündigungen aussprechen, sagt Unterkofler.

Kurzarbeit statt kündigen - das scheint für notleidende Betriebe das Motto der Stunde. Beim AMS häufen sich die Anfragen. Das Problem ist nur, dass die Vorschriften für Kurzarbeit wieder schärfer sind als während Corona. Es wird intensiv geprüft, ob es sich tatsächlich nur um ein kurzfristiges Auftragsloch handelt, das es zu überbrücken gilt. "Wir können nicht weiter mit dem Kurzarbeitsmodell Betriebe am Leben erhalten, die dauerhafte Probleme haben", sagt AMS-Vorständin Draxl. Auch das Budget für Kurzarbeit wurde deutlich gekürzt.

Maco stellt auf 30,8-Stunden-Woche um

Salzburgs AMS-Chefin Beyer berichtet von intensiven Gesprächen mit Betrieben, alternative Modelle zu erarbeiten. Sie nennt Arbeitszeitverkürzung, Urlaubsabbau oder Bildungskarenz - und den Beschlägeproduzenten Maco mit Standorten in Salzburg und der Steiermark als Beispiel. Maco kämpft wegen der Baukrise mit Auftragsrückgängen und stellt bis Jahresende auf eine 30,8-Stunden-Woche um. Der Freitag wird produktionsfrei. Arbeiter und Angestellte erhalten 92,5 Prozent des Gehalts. 900 der weltweit 2500 Beschäftigten sind betroffen. Auch hier galt als oberste Prämisse, einen Abbau von Stammpersonal zu verhindern.

Es könnte also ein turbulenter Herbst werden. Trotzdem dürfte sich der Anstieg der Arbeitslosigkeit in Grenzen halten. Das Wifo prognostiziert für heuer eine leicht höhere Arbeitslosenquote von 6,4 Prozent. Und Gekündigte hatten selten mehr Möglichkeiten, wieder einen Job zu finden. AMS-Chefin Beyer nennt ein aktuelles Beispiel: Die Hälfte der 33 Mitarbeiter der Kika-Filiale im Salzburger Pongau, die am Samstag geschlossen wurde, hat schon einen neuen Job gefunden.

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