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Homeoffice entzweit noch immer: Was Firmenchefs und Mitarbeiter sagen

Bei vielen Mitarbeitern steigt der Wunsch nach flexibler Arbeit. Manche Firmenchefs dagegen sehen das zunehmend skeptisch. Und das Hochwasser hat die Diskussion neu belebt.

Wer nach dem Hochwasser nur schwer ins Büro kommt, kann in vielen Firmen im Homeoffice bleiben.
Wer nach dem Hochwasser nur schwer ins Büro kommt, kann in vielen Firmen im Homeoffice bleiben.

Dass man - was Homeoffice betrifft - mittlerweile krisenerprobt ist, hat vielen Unternehmen in den vergangenen zwei Wochen, in denen weite Teile des Landes im Hochwasser versanken, geholfen. "Intern war bei uns sehr rasch die Mitteilung da, dass, wer schwer ins Büro kommt, von zu Hause aus arbeiten kann", sagt Rewe-Sprecher Paul Pöttschacher. 3000 Mitarbeiter beschäftigt die Billa-Mutter in der niederösterreichischen Konzernzentrale. Auch wenn generell die 50:50-Regel gelte, Homeoffice also gerne gesehen ist, aber nur für die Hälfte der Arbeitszeit, so könnten auch jetzt noch mit der jeweiligen Führungskraft Ausnahmen vereinbart werden, so Pöttschacher. "Es macht ja keinen Sinn, wenn wer mit den Öffis viel länger braucht oder mit dem Auto im Stau steht."

Pandemie hat Homeoffice in Österreich nötig gemacht

Ähnlich argumentiert man bei der Erste Group. "Natürlich werden jetzt gerade mit Kollegen, die aus Niederösterreich nach Wien pendeln, wenn es nötig ist, individuell Lösungen gesucht", sagt Sprecher Christian Hromatka. Grundsätzlich ist Homeoffice in der Bank auf die Hälfte der Arbeitszeit begrenzt. "Weil das Zusammentreffen wichtig ist und die Kreativität fördert."

Die Coronapandemie hat das Arbeiten im Homeoffice in Österreich nötig gemacht - und salonfähig. Zuletzt allerdings schwang das Pendel allmählich zurück, das zeigt die jüngste Studie zum flexiblen Arbeiten, die das Beratungsunternehmen Deloitte alle zwei Jahre in Zusammenarbeit mit den Unis in Wien und Graz durchführt. Die Option Homeoffice ist in vielen Unternehmen demnach auf dem Rückzug. Während 2022 noch in 90 Prozent der Betriebe zumindest die Hälfte der Beschäftigten von zu Hause aus arbeiten konnte, ist das mittlerweile nur mehr in drei von vier Unternehmen (73 Prozent) möglich. Die tatsächliche Nutzung hat sich von 82 auf 65 Prozent reduziert.

Bedenken: Arbeitszeit wird für private Zwecke genutzt

Die Gründe dafür sind vielfältig, so haben Mitarbeitende das Ausmaß von Homeoffice freiwillig reduziert, weil es die Kommunikation erschwert, sie soziale Kontakte vermissen oder um ihre Karrierechancen bangen. Auf dem Rückzug ist Homeoffice aber vor allem deshalb, weil es von den Führungskräften mit steigender Skepsis betrachtet wird. Zwar sind rund 70 Prozent der Führungskräfte mit dem gegenwärtigen Ausmaß von Homeoffice zufrieden, aber 17 Prozent der im Rahmen der Studie befragten Unternehmen sprechen sich für eine Reduktion des Arbeitens von zu Hause aus. Und zehn Prozent wollen diese Möglichkeit am liebsten ganz abschaffen. Dahinter stehen weiterhin vor allem die Bedenken, dass die Arbeitszeit im Homeoffice auch für private Zwecke genutzt wird.

Claro hat Homeoffice abgeschafft

Claro, der Salzburger Hersteller von Geschirrspültabs, hat Homeoffice vor mehr als einem Jahr abgeschafft - und dafür die Vier-Tage-Woche eingeführt, Freitags haben die Mitarbeiter frei. "Kreative Prozesse sind nur in der Gruppe möglich. Und ich bin der tiefsten Überzeugung, dass es der Firmenkultur guttut, wenn man wirklich zusammen arbeitet", hatte Claro-Chef Josef Dygruber damals argumentiert - und ist heute noch von dem Konzept überzeugt. Die Vier-Tage-Woche habe die Motivation der Mitarbeiter und damit die Produktivität gesteigert. Homeoffice werde nicht vermisst - mit den Mitarbeitern wird die Verlängerung der Regelung jedes Jahr neu abgestimmt. Ausnahmen gibt es auch hier. "Wenn auf der Tauernautobahn wieder der Megastau ist, kann die Mitarbeiterin aus dem Pongau natürlich im Homeoffice bleiben."

Commend sieht Vorteile des Homeoffice

Beim Salzburger Kommunikationslösungs-Profi Commend sieht man dagegen vor allem die Vorteile des Homeoffice. "Gerade wenn wir Mitarbeiter in der IT, der Softwareentwicklung oder der Audiotechnik suchen, ist für viele, die weiter weg wohnen, Homeoffice ein Grund, sich für oder gegen den Job zu entscheiden", sagt Sprecher Jörg Weisser. Das gehe so weit, dass man in Dresden ein kleines Büro eröffnet habe, um einen Mitarbeiter - der dorthin geheiratet hat - zu halten. Generell, so sagt auch Weisser, ist es Wunsch der Firma, dass die Hälfte der Zeit im Büro verbracht wird. "Für Teambuilding ist das wichtig."

Homeoffice wichtiges Argument

Auch bei Rewe sieht man Homeoffice als wichtiges Argument, um neue Mitarbeiter zu finden. "In Wiener Neudorf haben wir eine schlechte öffentliche Anbindung, viele junge Leute haben aber gar kein Auto mehr", sagt Pöttschacher. Das Argument, nicht jeden Tag lange zu pendeln, werde damit immer wichtiger. Zudem hätten Untersuchungen mehrheitlich gezeigt, dass die Produktivität im Homeoffice nicht leidet, sagt Deloitte-Expertin Juliana Wolfsberger. Sie hält ein Umdenken für nötig: In der Arbeitswelt von heute sollte Leistung nicht an der Anwesenheit, sondern an den Ergebnissen gemessen werden.

Wenn man es nicht in die Arbeit schafft

Die Weststrecke der ÖBB durch das Tullnerfeld wird auf Monate hinaus nicht befahrbar sein. Für Menschen in der Region, die pendeln, bedeutet das entweder große Umwege und längere Fahrzeiten oder den Umstieg auf private Verkehrsmittel. Das Angestelltengesetz regelt, dass Beschäftigte den Anspruch auf Entgelt behalten, wenn sie ohne ihr Verschulden "während verhältnismäßig kurzer Zeit" am Leisten ihrer Dienste gehindert sind.

Was, wenn es länger dauert? Grundsätzlich gilt, dass ein Arbeitnehmer alles ihm Zumutbare unternehmen muss, um an den Arbeitsplatz zu gelangen. Juristen verweisen als auf die Arbeitslosenversicherung, wo für die Annahme einer Vollzeitstelle zwei Stunden Wegzeit als zumutbar gelten. Wenn jemand keine Alternative habe, drohe die Kündigung, weil es auch Arbeitgebern nicht zuzumuten ist, dauerhaft auf das Erbringen der Arbeitsleistung zu verzichten.

Kann Homeoffice helfen? Ja, es ist in Österreich aber Vereinbarungssache, es gibt keinen Anspruch darauf. Die spezielle Situation könnte aber dazu führen, dass Arbeitgeber diese Option anbieten müssen, bevor sie ein Arbeitsverhältnis wegen längerer Verhinderung beenden.

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