Deutschland gegen Südkorea. Da hätte man von einer g'mahten Wies'n geredet. Früher. Aber früher ist vorbei. Jetzt ist Hochspannung.
"Darf ich dich kurz was zur Arbeit fragen?", fragt K. Ja gilt denn das nicht als Schwerstarbeit, sich aus beruflichen Gründen so ein Spiel anzusehen. Erst recht wenn Lethargie und Grässlichkeit den Lauf bestimmen?
Als K. ihre Frage stellt, geht es noch 18. Minuten. Keine Zeit für etwas anderes, als mit den Deutschen am Abgrund zu torkeln. Da mag man nicht mehr hinschauen. Da reicht Deutschland noch ein Tor. Nur ein Tor.
Es offenbart sich gerade das letzte Armutszeugnis der Deutschen, jenes fußballerische Armutszeugnis, das sich schon in den Spielen gegen Mexiko und Schweden offenbarte: Zum Schluss vorn anrennen, wie der Markus Söder gegen Berlin, und hinten alles aufmachen und auf das Schicksal warten wie die Angela Merkel.
Und dass Innenverteidiger Mats Hummels am Ende die großen Chancen hatte (und nicht die eingewechselte, so genannte Sturmspitze Mario Gomez), spricht Bände. Desolat. Kein Automatismus. Ungeordnet. Unkonzentriert. Und auf eine Art uninspiriert, die die eigentliche Überraschung war im Auftritt der Deutschen während dieser WM.
So wollten die doch nie mehr spielen?! So träge und einbetoniert. Oder hat man da Löws Philosophie falsch verstanden? Oder spielt da eine Mannschaft, in der sich weit mehr zeigt, als bloß kein Spielplan?
"Die schießen noch das eine Tor, die Deutschen, die anderen sind ja nur patschert", sagt S. Da sind es noch elf Minuten. Es läuft die Klischeemaschine. Sie läuft auf Hochtouren, je weniger das deutsche Spiel läuft. "Schön, wenn sie's die auch einmal erwischt", sagt einer. Da hat es sie noch nicht erwischt "die Deutschen". Da ist nur diese eigenartige Häme, die hierzulande so gern, so oft und so unangenehm gegen Deutschland losbricht. Und oft so unberechtigt, weil sie nur Erinnerungen folgt, in Stereotypen stochert und dabei die Gegenwart ausblendet.
Man könnte dieses Spiel, aus dem tatsächlich ein End-Spiel werden sollte, auch ganz anders sehen. Man konnte, wenn man Fußball anschaut und nicht einen nationalistisch untermauerten Blödsinnskampf führt beim Zuschauen, erkennen, wie konsequent und tapfer es die Südkoreaner gegen die Deutschen angingen. Sie doppelten jeden Ballbesitz. Sie rotierten und rannten. Sie taten alles, um es den Deutschen schwer zu machen, obwohl es für Südkorea um nichts mehr ging.
Und die hatten nahe des Strafraums - ähnlich wie die bisher ausgeschiedenen afrikanischen Mannschaften - halt oft keine Mittel, um zu treffen. So also hielten die Koreaner die Deutschen am Leben, die selbst nicht an ihren zu glauben schienen. Und Deutschland hatte keine Mittel für irgendwas, war bloß Treibholz. Und irgendwie ergaben sie sich auch.
Torwart Neuer patzt. Die Abwehr wackelt. Nichts Genaues weiß man aber nicht, weil jede Genauigkeit fehlt. Und es geht ja eh überhaupt nichts mehr weiter, weil jeder Drive fehlt. Özil, wo ist Mezut Özil?
Joshua Kimmich ist da, aber er weiß nicht genau, was er tut. Toni Kroos ist da, aber kann wegen der Langsamkeit, die um ihn alles lahm legte, nicht seine Passquote erreichen (In diesen Zusammenhang den Namen des ewigen Renners Lahm zu verwenden, ist eine Gemeinheit, sorry Philipp). Auf der Tribüne mieselsüchteln Boateng und Klose. Löw sei ein wunderbarer Trainer und er trage immer großartige Anzüge, sagte der koreanische Trainer. Löw und seine Truppe sind auch wirklich fesch.
Aber nicht nur deshalb ist Jogi öfter bei Angela Merkel zu Gast. Dort gibt es angeblich immer Cordon Bleu. Also jedenfalls solange der Jogi Löw Nationaltrainer ist und Angela Merkel Bundeskanzlerin ist. Beides könnte schnell vorbei sein. Nur der eine hat sein Endspiel schon hinter sich. Und wir auch. Grässlicher kann ein Fußballspiel kaum laufen (egal wer gewinnt oder ausscheidet).
Hin und hergerissen ist man, ob das nun schlecht oder nur lahmarschig, ob es zu langsam oder einfach falsch angelegt war, ob das alles ein schlechter Traum für Fußballfeinschmecker ist oder eine der wundersamsten Geschichten einer WM (freilich nur in Bezug auf die deutsche Mannschaft) war.
Und wie jetzt die ewige und ewig blöde Deutschland-Häme losbricht in den Gastgärten und Wohnzimmern, ist ein Tor gefallen für Südkorea. Und als es dann gefallen ist, kommt dann das unvermeidliche "Deutschland, Deutschland ales ist vorbei". Da stutzt man aber schnell. Erst recht dann, wenn man den Fußball einmal aus dem Blick nimmt.
Wenn der Blick auf Rest-Deutschand schaut, dann ist so eine Niederlage gruselig. Deutschlands Stimmung wird sich von einem niedrigen Niveau nicht heben nach dieser Niederlage. Es steht mitten in einer Krise der Regierung, deren Ausgang weit mehr wiegt, als das Ende des Weltmeisters in der Vorrunde.
Jetzt ist es aus. 2:0. Sinnlos für Südkorea, weil Schweden in der Zwischenzeit Mexiko weghaut. Tragisch für Deutschland, weil das bitter ist, auch wenn es zu ahnen war. Alles falsch gelaufen. In jeder Richtung.