Einsamkeit auf einem Fußballplatz fühlt sich selbst beim Zuschauen grausam an. Egal, ob der Einsame geliebt wird oder nicht. Wenn die Einsamkeit ausbricht, fliegt dem Einsamen Mitleid zu. Also zieht nun Lionel Messi alles Mitleid auf sich, auch wenn er schaut, dass er schnell vom Platz kommt. Und dabei schaut er, als sei ihm der Himmel auf den Kopf gefallen. Dabei war es nur kroatische Luft, die Messi und seine Kollegen verblies, die sie aus einer Bahn haute, deren Linie so einfach zu erkennen war, dass sie sie deshalb stoppen ließ. Drei Tore Kroatien. Kein Tor Argentinien. Kann passieren. Oder: Kann das passieren? Es konnte und so entgleitet Argentinien, immer unter den Favoriten, dieser Bewerb. Und Kroatien surft auf einer Welle, die dieses Team selbst ausgelöst hat, mit klaren, diszipliniert umgesetzten Plänen und den dadurch möglichen Freiräumen für individuelle Stärken.
Noch ginge es sich ja für Argentinien irgendwie noch aus, wenn Island gegen Nigeria so, und dann Nigeria gegen Kroatien anders und die Argentinier selbst gegen Nigeria überhaupt ganz anders (oder überhaupt) spielen, dann womöglich. Rechnen, statt gewinnen ist ähnlich grausam und demütigend wie die Einsamkeit des untergegangenen Helden auf dem Platz. Aber dennoch: Weine noch nicht Argentinien. Auch wenn es zum Weinen ist für jene, die Argentinien und Messi unterstützen. Aber ist diese von der Mehrheit bestimmte Reihenfolge nicht ohnehin falsch? Messi, dann die Mannschaft - das ist der simple Blick der Sensationsgierigen und Einfältigen. Ist es nicht so, dass in der Zuneigungsskala zuerst Messi, dann Messi und Messi kommen, und der Messi ist halt Argentinier, und das ist - wie sich wieder einmal bei einer WM zeigt - ein böses Schicksal. Dieses Schicksal zeigt sich in einem Spielplan, in dessen Zentrum wieder und wieder allein und wieder so allein, dass es falsch war, Messi steht. Und dort stand er wieder allein. Nicht mehr ganz so allein und dauerhaft umzingelt und zugedeckt wie gegen Island aber allein genug, dass er nichts ausrichten konnte. Eine leichte Verschiebung gab es bei den Argentiniern im Gegensatz zum Island-Spiel, etwas mehr über die Flanken legten die Argentinier es an. Und doch lief freilich wieder zu vieles auf Messi und man legte ihm mit jedem Pass die Last der Erlösung auf die Schulter, die er in der heimeligen Umgebung in Barcelona stemmt, die in der offensichtlich kalten, abweisenden Umgebung der Nationalmannschaft erdrückend wirkt. Da kann Teamchef Jorge Sampaoli offenbar tun, was er will. Aber er tut nicht genug. Und dass Diego Maradona vor dem Spiel und vor der Kamera das Messi-Trikot küsste und dadurch heilig sprach, ist nun ein Fluch. "Schande", sagte der ewige Beste nach dem Spiel gegen Island. Nach dem Kroatien-Spiel weinte er in der VIP-Lounge.
Aber weinen wir nicht mit Diego, für den die Chance enorm stieg, der größte und mit einem WM-Sieg tatsächlich Vollendeten zu bleiben, um die Argentinier. Sie sind es nicht wert. Sie sind bloß Messi und ein bisserl was. Und das reicht nicht. Was die Kroaten wert sind, war hingegen in diesem zweiten Spiel nun tatsächlich zu erkennen. Und es ist viel, sehr, sehr viel. Bei den Kroaten gab es keine Einsamen. Die Kroaten wussten, dass sie gut sind (besser, wie sich herausstellen sollte) und so stellten sie sich auch auf. Und so spielten sie. Sie wollten! Und wussten wie sie das umsetzen konnten. Sie mussten nach vorne und dort mussten sie effektiv ihre Möglichkeiten nutzen. Ein schwerer Fehler des argentinischen Tormanns kam ihnen zugute (tragischer Zeitpunkt: 20 Sekunden, nachdem ein Schuss von Marcos Acunas von Goalie Danijel Subasic abgewehrt wurde). Doch hätten sie diesen Fehler des argentinischen Goalies überhaupt gebraucht? Sie hatten Raketic und Modric und rund um die beiden feinen Laufwege, einen guten Riecher und die nötige Konsequenz und mittendrin sind eben Raketic und Modric mit Hirn und Herz, die mit Kraft und Zauberei, sie spüren den Raum und füllen ihn. Und Argentinien schaut zu, denn wenn schon die Offensive nicht durchschlagskräftig gewesen sein mag, dann muss über die Defensive gesagt werden, dass sie Einladungen verschenkte, als wären sie als Hilfsverein tätig.
Weinen wir also nicht um oder mit Argentinien und lassen wird Modric, Raketic und die anderen weiterhin so spielen, dass es Freude macht. Ach ja und sonst neben Kroatien: Schon wieder Europa. Die Dänen nudeln sich durch. Frankreich verwaltet, was sie haben - ein Tor und aus.