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Der Botschafter der Rebellen ist ein gefragter Mann

Der Vertreter der Katalanen in Brüssel, Amadeu Altafaj, hat alle Hände voll zu tun. Der Konflikt mit Madrid lässt niemanden kalt.

Monika Graf
Der Vertreter der Katalanen in Brüssel, Amadeu Alatafaj.
Der Vertreter der Katalanen in Brüssel, Amadeu Alatafaj.

Amadeu Altafaj hat wenig Zeit. Der Repräsentant des nach Unabhängigkeit strebenden Katalonien versucht in den Tagen vor dem umstrittenen Referendum ziemlich viel im Kalender unterzubringen: Vorträge, exklusive Mittagszirkel, Gespräche mit besorgten Diplomaten, Interviews - und ein Frühstück mit den SN in der Bäckerei Paul im EU-Viertel.

Nur manche spanische Journalisten wollten nicht mit ihm sprechen, berichtet der freundlich-leise 49-Jährige, der nach seinem Europajournalismus-Studium selbst als Freelancer für Zeitung und Radio in Brüssel gearbeitet hat.

Der Konflikt zwischen Madrid und Barcelona über die für Sonntag angesetzte Abstimmung über die Abspaltung Kataloniens lässt mittlerweile in Brüssel kaum jemanden kalt. Die EU-Kommission versucht maximale Neu tralität zu bewahren, was gar nicht leicht ist. Denn nachdem Chef Jean-Claude Juncker kürzlich erklärt hatte, man würde ein Votum für eine Unabhängigkeit respektieren, wurde das als Ermunterung der Abtrünnigen gelesen.

Altafaj arbeitete fast zehn Jahre in der EU-Kommission, zuletzt bei Währungskommissar Olli Rehn. Dort hat er alles über politisches Krisenmanagement gelernt: Drei Wochen nachdem er bei Rehn als Sprecher angetreten ist, explodierte im April 2010 die Griechenland-Krise.

Seither weiß Altafaj, wie es ist, wenn wertvolle Zeit verstreicht, weil die Beteiligten die Realität negieren, die Dimension des Problems nicht sehen wollen und die notwendigen Instrumente für eine Lösung fehlen.

Auch in Madrid herrsche Realitätsverweigerung, sagt der Katalane. Nachdem das Verfassungsgericht 2010 einen Teil des Autonomiestatus Kataloniens aufgehoben hatte, seien jedes Jahr am 11. September, dem katalanischen Nationalfeiertag, eine Million Menschen auf die Straße gegangen. Doch statt "politische Entminungsaktionen" zu setzen, habe Madrid die Spannungen noch vergrößert. "Alles wurde gemacht, um die Frustration der Bürger zu steigern, sogar derer, die nie im Leben daran gedacht haben, sich von Spanien abzuspalten."

Dass sich die EU-Kommission he raushält, deutet Altafaj als Zeichen der Schwäche: "Es geht nicht darum, Partei zu ergreifen, sondern um eine Aufforderung zum Dialog." Doch die Befürchtung, dass das Beispiel Schule machen könnte, ist zu groß. Altafaj glaubt das nicht.

Was passiert, sollte das Referendum tatsächlich stattfinden, wagt er nicht zu prognostizieren. Ebenso wenig, was sein wird, sollte es verhindert werden. Madrid habe keinen Plan für den Tag danach: "Es ist der Triumph der Irrationalität, wenn man das Triumph nennen kann." Die Frage sei, wie nach den Verhaftungen und Durchgriffen der vergangenen Tage wieder Vertrauen hergestellt werden könne. Juristisch und technisch sei alles möglich, meint er, "die Entscheidung ist politisch".