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Der Diplomat, der für Österreich den Brexit verhandelt

Gregor Schusterschitz pendelt von Luxemburg nach Brüssel. Alle zwei Wochen wird dort fünf Tage lang verhandelt.

Monika Graf
Gregor Schusterschitz.
Gregor Schusterschitz.

Zugegeben, es gibt spannendere diplomatische Posten als den des österreichischen Botschafters in Luxemburg.

Das mag sich Gregor Schusterschitz gedacht haben, als er im August 2015 im zweitkleinsten EU-Land seinen Dienst angetreten hat (offen sagen würde das ein Diplomat nie).

Doch manchmal machen kleine Umwege in der Karriere den Weg frei für unerwartete höhere Aufgaben.

Ende März nämlich hat die Regierung den ausgewiesenen Europa- und Völkerrechtsexperten als Österreichs Mann für die Brexitverhandlungen nominiert. Vor gut zehn Tagen gab es die erste Sitzung. Seither ist es vorbei mit dem ruhigen Leben im properen Kleinstaat Luxemburg, wo er enge Kontakte bis hin zum Premier pflegt und ein österreichisches "LiteraturCafe" initiiert hat.

Schusterschitz pendelt jetzt regelmäßig 200 Kilometer nach Brüssel. Dort ist er, als früherer Leiter der Rechtsabteilung der EU-Vertretung Österreichs und kurzfristig als Vize-Botschafter, kein Unbekannter.

Da die Traditions-Boulangerie "Vatel" ohne weitere Erklärung zu ist, wird das SN-Frühstück in ein neues Cafe in der Nähe verlegt, beides nicht weit vom EU-Ratsgebäude, wo die Brexit-Arbeitsgruppe aus Vertretern der 27 verbleibenden Mitgliedsstaaten alle zwei Wochen fünf Tage verhandeln wird. Noch steht freilich nicht einmal der Verhandlungsplan.

Die Zeit für die Brexit-Verhandlungen ist knapp bemessen. In etwas mehr als einem Jahr muss quasi der gesamte EU-Rechtsbestand durchgeackert werden.

Ob das möglich ist? "Ja", sagt Schusterschitz, mit Disziplin und der einen oder anderen Nachtsitzung.

Und erweckt den Eindruck, als machte es ihm Spaß, so wie seinerzeit beim Lissabon-Vertrag, an dem er mitverhandelt hat, Paragraf um Paragraf in Marathon-Verhandlungen abzuarbeiten und leichthändig zwischen verschiedenen Sprachen zu wechseln.

Vielleicht liegt es in der Familie, die ursprünglich aus Slowenien stammt, deren Mitglieder aber schon seit 300 Jahren Beamte wurden - und in alle Welt gingen. "Daher ist nie was G'scheites aus uns geworden", kokettiert der 47-Jährige, der schon als Kind Diplomat werden wollte.

Einer seiner Vorfahren Ivan Sustersic war der Gründer der slowenischen Volkspartei und Landeshauptmann der Krain. Er hatte schon um 1910 ein gemeinsames Europa vorgeschlagen.

Nach dem Krieg war die Idee "nicht so willkommen", erzählt Schusterschitz, daher musst er ins Exil in die Schweiz. Sein Großvater, der Ingenieur war, lernte seine spätere Frau, eine deutsche Adelige, in Kalkutta kennen und erzählte oft darüber.

Indien, meint er, ist bis heute "ein Traum von mir". Dass es ihn, statt auf den Spuren von " Mowgli" zu wandern (das war der Kosename seines Onkels) an die österreichische Botschaft in Prag verschlug, hatte ebenfalls mit einem Umweg zu tun.

Er wollte eigentlich beim Bundesheer Gebirgsjäger werden. Stattdessen wurde er Nachrichtenoffizier und musste - zunächst, nicht ganz freiwillig - Tschechisch lernen. Und machte weiter.