SN.AT / Kolumne / Frühstück in Brüssel / Frühstück in Brüssel

Willkommen im Demokratie-Simulator!

Der Österreicher Alexander Kleinig leitet in Brüssel das "Parlamentarium". Es soll EU-Bürgern die eigene Union vor Augen führen.

Monika Graf

Der herbe Charme des Ortes ist nicht wirklich der Grund, warum es seit der Eröffnung 2011 rund 350.000 Schüler, Studenten und Touristen pro Jahr ins "Parlamentarium", das Besucherzentrum des Europaparlaments, zieht. Das "Parlamentarium" ist heute die drittwichtigste Touristenattraktion in Brüssel. Ursprünglich sollte auf den 3000 Quadratmetern, wo jetzt ein Mittelding aus Museum, multimedialem Parlaments-Infocenter und Abgeordneten-Simulator ist, eine Tiefgarage entstehen, berichtet "Parlamentarium"-Leiter Alexander Kleinig.

Der gebürtige Kärntner hat das "L'Ultime Atom" für ein Frühstück vorgeschlagen, aus einem Anflug von Österreich-Nostalgie. Das große Lokal auf dem kleinen Platz vor der Kirche St. Boniface unweit des Parlaments hat um diese Tageszeit tatsächlich ein bisschen Kaffeehaus-Charakter. Sogar Zeitungen gibt es, was selten ist in Brüssel. Die Idee für das "Parlamentarium" war entstanden, weil die Neubauten rund um das EU-Parlament in den 2000er-Jahren laut Vereinbarungen mit der Stadt Brüssel auch für die Öffentlichkeit zugänglich sein mussten, während zugleich die Sicherheitsvorgaben der EU-Einrichtungen verschärft wurden, erinnert sich Kleinig. Außerdem wurde in Folge der gescheiterten EU-Verfassung (2005) nach neuen Wegen in der Kommunikation gesucht.

Das Herzstück des Besucherzentrums ist ein Video-Rollenspiel, das sich die Gestalter vom dänischen Parlament abgeschaut haben. Konzipiert für Schülergruppen der Oberstufe, simulieren diese die Arbeit eines EU-Abgeordneten: Sie verhandeln mit Vertretern anderer Parteien einen Kompromiss, werden von Lobbys bedrängt, müssen mit der EU-Kommission reden und in einer Pressekonferenz Journalistenfragen beantworten. Die guten Bewertungen der Besucher auf Reise-Plattformen im Netz gäben den Erfindern recht, sagt Kleinig. 60% der Besucher sind Schüler, die übrigen großteils Besucher von Abgeordneten. Kleinig, der mit einer Spanierin verheiratet ist, schwebt vor, die meist nationalen Besuchergruppen stärker zu mischen, um das Europa-Gefühl spürbar zu machen. Zudem könnte eine Mini-Version des "Parlamentariums" in den Hauptstädten der EU-Staaten eingerichtet werden - wie in Berlin schon geschehen -, um die EU anschaulicher zu erklären. Denn die meisten Europäer wüssten einfach zu wenig über die Union, in der sie lebten, sagt der studierte Handelswissenschafter. Einrichtungen wie das "Parlamentarium" seien nötig, aber "nur ein Tropfen auf den heißen Stein".