SN.AT / Kolumne / Kollers Klartext / Kollers Klartext

Ein Land wird entmündigt

Die Regierung will das Land reformieren. Gut so. Weniger gut ist, dass sich Anzeichen von Machtrausch bemerkbar machen.

Andreas Koller
Politik im Schnelldurchlauf: Eine breite Diskussion über den 12-Stunden-Tag wird von der Regierung ausdrücklich nicht erwünscht.
Politik im Schnelldurchlauf: Eine breite Diskussion über den 12-Stunden-Tag wird von der Regierung ausdrücklich nicht erwünscht.

Die Koalitionsparteien sprechen mit einer Zunge. Sie ziehen am selben Strang, und zwar in die gleiche Richtung. Sie erledigen, eines nach dem anderen, die Vorhaben, die sie im Regierungspakt fixiert haben. Wie immer man inhaltlich zu den Vorhaben der türkis-blauen Koalition stehen mag - fest steht, dass diese Regierung professionell am Werke ist. Dies vor allem im Vergleich zu den rot-schwarzen Vorgängerregierungen, die sich ihre Erfolge durch ewige regierungsinterne Quertreibereien ruinierten. Das ist zur Kenntnis zu nehmen - einerlei, ob einem die gegenwärtige Regierung zu Gesichte steht oder nicht.

Was hingegen nicht zur Kenntnis zu nehmen ist, das ist die Überheblichkeit, mit der die Koalitionsparteien ihre Politik über das Land stülpen. Jüngstes Beispiel: die Arbeitszeitflexibilisierung, die die gesetzliche Grundlage zur Ermöglichung des zwölfstündigen Arbeitstags enthält. Es liegt auf der Hand und es ist nicht unbillig, dass die Arbeitnehmerorganisationen eine breite Diskussion über dieses nicht unbrisante Gesetzeswerk führen wollen. Diese Diskussion wird von den Regierenden unterbunden. ÖVP und FPÖ veröffentlichten ihren Gesetzesvorschlag ausgerechnet zur Stunde, als in Wien der ÖGB-Bundeskongress zu Ende ging und eine Debatte unter den Delegierten nicht mehr möglich war. Und, was ungleich schwerer wiegt: Die Koalition bringt dieses Gesetz nicht als Regierungsvorlage ein, sondern höchst trickreich als Initiativantrag ihrer beiden Parlamentsfraktionen. Was den für ÖVP und FPÖ zweifellos angenehmen Nebeneffekt hat, dass die wochenlange Begutachtungsphase entfällt, der ein Gesetz dann unterzogen wird, wenn es nicht von den Fraktionen, sondern von der Regierung vorgelegt wird. ÖVP und FPÖ ersparen es sich also, sich mit fundierten schriftlichen Stellungnahmen von Arbeiterkammer und Gewerkschaftsbund, von Betriebspsychologen und Arbeitsrechtlern auseinanderzusetzen. Derlei Stellungnahmen fallen, wie die Erfahrung zeigt, mitunter recht kritisch aus. Das mag für die Regierung unangenehm sein. Doch andererseits ermöglicht eine ausführliche Begutachtung, Schwachstellen und etwaige Verfassungswidrigkeiten in einer Gesetzesvorlage aufzuspüren.

Einerlei: Die Regierung sagt all diesen Experten und Betroffenen ein lautes "Schmeck's". Das Gesetz soll, husch, pfusch, noch vor dem Sommer durchs Parlament gejagt werden.

Sachlich ist diese Eile in keiner Weise gerechtfertigt. Das Gesetz soll nämlich erst am 1. Jänner 2019 in Kraft treten, es wäre also Zeit genug gewesen für eine ausführliche sommerliche Diskussion mit der Gewerkschaft und einen Gesetzesbeschluss im Herbst. Doch die Regierung unterlässt die Diskussion mit der Gewerkschaft. Diese erwägt nun Kampfmaßnahmen bis hin zu Streiks. Es ist nicht unwahr-
scheinlich, dass diese Streiks der Regierung imagemäßig sogar nützen. Dem Land und seinen Bürgern werden sie auf jeden Fall schaden.

Gewiss: ÖVP und FPÖ haben gemeinsam fast 60 Prozent der Wählerinnen und Wähler hinter sich. Eine relative Mehrheit der Österreicher wünschte sich Sebastian Kurz als Kanzler. Dieser verfügt über hervorragende Umfragewerte. Die Regierung hat eine ganze Reihe sinnvoller Gesetze und Reformen auf den Weg gebracht. Und dennoch: Das alles gibt den beiden Regierungsparteien nicht das Recht, die kritische Öffentlichkeit mit gesetzgeberischen Tricks zu entmündigen. Wie sie es nicht nur beim Zwölf-Stunden-Tag getan haben, sondern auch bei der Aufweichung des Rauchverbots und bei zahlreichen anderen Gelegenheiten.

Nicht nur die kritische Öffentlichkeit wird entmündigt, auch die Länder lassen sich (noch?) diese entwürdigende Behandlung gefallen. Beispiel Mindestsicherung: Die Länder hatten sich darauf geeinigt, im ersten Halbjahr eine Einigung vorzulegen. Die Regierung preschte vor und präsentierte Wochen vor Ablauf der Frist ihre eigene Einigung. Warum dieses Drüberfahren? Warum diese Machtdemonstrationen?

Die Regierung will, und das ist auch gut so, das Land reformieren. Das wird aber nur gelingen, wenn sie die Menschen mitnimmt. Machtrausch führt nicht zum Ziel.


KOMMENTARE (3)

andreas buisman

auf den punkt gebracht.........! danke
Antworten

Carl Benda

Kann dem Artikel nur beipflichten.
Antworten

Robert Hutya

Kritische Öffetnlichkeit gibt es, besonders in Salzburg nicht!
Antworten