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Politik ginge auch ganz anders

Kaum zu glauben: Es gibt eine Politik jenseits von Streit und Wadlbeißerei. Zumindest als Vision.

Andreas Koller

Es waren eher junge, eher nicht so bekannte Vertreter von vier Parlamentsparteien, die sich am Mittwoch vergangener Woche zu einer gemeinsamen Aktion zusammenfanden. Was sie der Öffentlichkeit präsentierten, war eine "Charta der politischen Vernunft". Was sie wollen, ist leicht erklärt: Politiker sollen ihrer "individuellen Willensbildung" verantwortlich sein und nicht dem Klubzwang. Entscheidungsprozesse sollen offengelegt werden, um den allfälligen Einfluss von Spendern oder Lobbyisten transparent zu machen. Politik soll "enkeltauglich" sein. Politik soll sachlich sein und frei von persönlichen Untergriffen.

"Wir verwenden einen Teil unserer Kraft bewusst auf die Erhaltung der Demokratie durch ihre stetige Weiterentwicklung. Wie sich die Gesellschaft ständig verändert, muss es auch ihr politisches System tun", heißt es in der gemeinsamen Erklärung der "Initiative für politische Qualität", der so unterschiedliche Politiker angehören wie der niederösterreichische ÖVP-Kommunalpolitiker Lukas Mandl und die grüne Nationalrätin Alev Korun, der rote Na tionalrat Philip Kucher und sein Neos-Kollege Niki Scherak, die erst 30-jährige ÖVP-Mandatarin Eva-Maria Himmelbauer und der grüne Unternehmer und Wirtschaftskammerfunktionär Hans Arsenovic. Auch der Salzburger Nationalratsabgeordnete und ÖAAB-Chef Asdin El Habbassi ist mit von der Partie.

Wie gesagt: Die Ziele der jungen Initiative sind leicht erklärt. Umso schwerer verständlich ist, warum es dafür einer eigenen Initiative bedarf. Denn im Grunde sollte Politik genau so sein, wie es sich die roten, schwarzen, grünen und Neos-farbenen Querdenker vorstellen. Also sachlich statt persönlich-untergriffig. Langfristig wirkend statt kurzfristig hechelnd. Dem Gewissen unterworfen statt dem Klubzwang.

Doch leider: Die Verhältnisse, sie sind nicht so. Dass sich die reale Politik von den politischen Idealen grundlegend unterscheidet, wurde gerade in den vergangenen Wochen nachhaltig bewiesen. Etwa bei den Grünen, die doch einst angetreten sind, eine neue, andere, bessere Politik zu machen. Bei Lichte betrachtet geht es bei der aktuellen Streiterei, die diese Partei und ihre Chefin schwer beschädigt hat, zu null Prozent um Inhalte. Und zu hundert Prozent um Statutenfragen, die niemanden außer dem engsten Funktionärszirkel interessieren, und um persönliche Befindlichkeiten, beispielsweise um den Umstand, dass sich Glawischnig angeblich keine Zeit für ein Gespräch mit der Chefin der Jungen Grünen genommen habe. Auch persönliche Verunglimpfungen blieben nicht aus, so wurde die Chefin der Jungen Grünen von einem Angehörigen des Parteiestablishments auf eine Stufe gestellt mit Sebastian Kurz, was in grünen Kreisen offensichtlich die ultimative Beleidigung ist. All das mag Stoff bieten für eine Therapiesitzung inklusive Sesselkreis. Die Politik wird dadurch um keinen Millimeter voranbewegt.

Oder man denke an das, gelinde gesagt, nicht immer konstruktive Agieren der Regierung. Beim Ministerrat vergangenen Dienstag traten Christian Kern und Reinhold Mitterlehner ja dankenswerterweise wieder einmal auf wie Partner und nicht wie Todfeinde. Doch was sich in den Wochen zuvor (und, das ist zu befürchten, in den Wochen danach) zwischen den beiden Parteien abspielte (und abspielen wird), ist der beste Beweis dafür, dass eine Initiative wie die eingangs geschilderte notwendig ist. Da lässt Partei A einen Ideen-Luftballon steigen, den Partei B sogleich abschießt. Und umgekehrt. Da überholt der rote Verteidigungsminister den schwarzen Innenminister auf dem rechten Pannenstreifen und erhält für dieses äußerst gewagte Manöver sogar noch die Unterstützung des Bundeskanzlers. Da nennt die ÖVP den Bundeskanzler einen Wendehals, während die SPÖ die ÖVP der Produktion von Fake News bezichtigt. Fortsetzung, so ist zu befürchten, folgt.

Es ist zu begrüßen, dass Politiker, die (noch?) in der zweiten Reihe stehen, parteiübergreifend nach einer anderen Politik rufen. Es ist zu wünschen, dass es einige dieser Politiker (oder zumindest die Ideen, für die sie stehen) eines Tages in die erste Reihe schaffen.