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Teure Alte? Stimmt nicht ganz.

Wie das Pensionssystem saniert werden kann, ohne den einzelnen Pensionisten einen einzigen Euro wegzunehmen.

Andreas Koller
Aktiv im Alter. Doch wird die Pension dazu ausreichen?
Aktiv im Alter. Doch wird die Pension dazu ausreichen?

Irgendwie und irgendwo haben sie alle recht.

Der rote Seniorenvertreter Peter Kostelka hat recht, wenn er der Regierung anklagend vorrechnet, dass bei einer 1000-Euro-Pension eine Erhöhung von 2,6 Prozent gerade einmal 26 Euro ausmacht, was "nicht einmal die Preissteigerungen fürs Wohnen, geschweige denn die Verteuerungen von Butter und anderen Grundnahrungsmitteln" wettmache.

Die schwarze Seniorenvertreterin Ingrid Korosec hat recht, wenn sie zu bedenken gibt, dass wir "unseren Kindern und Enkelkindern nicht neue Schulden hinterlassen" dürfen, weshalb die von der Regierung beschlossene "Pensionserhöhung mit Augenmaß" schon okay sei.

Recht hat schließlich auch der Thinktank Agenda Austria, wenn er anführt, dass die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben bei den Pensionen von Arbeitnehmern, Gewerbetreibenden, Bauern und Beamten bereits 21,6 Milliarden Euro umfasst. Und zwar Jahr für Jahr, Tendenz steigend. 1980 war die Lücke erst 4,1 Milliarden groß.

Das Dilemma des heimischen Pensionssystems ist leicht auf den Punkt zu bringen: Die Kosten insgesamt sind viel zu hoch. Einerseits. Doch andererseits hat der einzelne Pensionist und vor allem die einzelne Pensionistin zu wenig davon. Die durchschnittliche Alterspension eines ehemaligen Arbeiters oder Angestellten beträgt 1635 Euro pro Monat. Frauen haben im Schnitt weit geringere Pensionen. Die Medianpension (50 Prozent der Pensionsbezieher erhalten mehr, 50 Prozent erhalten weniger als diesen Betrag) ist 1115 Euro hoch.

Diese Bezüge sind alles andere als eindrucksvoll. Mancher Senior und vor allem manche Seniorin, siehe dazu den Beitrag von Karin Zauner auf dieser Seite, schaut der Altersarmut ins Gesicht.

Dies vor allem angesichts des Umstands, dass die offizielle Inflationsrate von zwei Prozent für die Älteren unter uns nicht wirklich maßgeblich ist. Die Teuerung des täglichen Einkaufs beträgt mehr als das Doppelte, nämlich 4,4 Prozent. Der wöchentliche Einkauf schlägt mit plus 3,9 Prozent zu Buche. Laut Erhebung der Arbeiterkammer ist der Einkauf beim Diskonter mit den 40 günstigsten Lebensmitteln zuletzt um sieben Prozent teurer geworden. Der SPÖ-Pensionistenverband verweist auf eine Studie der Goethe-Universität Frankfurt, wonach die Inflation ärmere Menschen stärker betreffe als wohlhabende. Demnach sei die jährliche Teuerung im Schnitt für die ärmsten zehn Prozent der Bevölkerung, darunter viele Ruheständler, rund 0,7 Prozentpunkte höher als für die reichsten zehn Prozent. Und zwar aus dem Grund, dass die Kosten für Strom, Mieten, private Verkehrsmittel sowie Nahrungsmittel - und ärmere Menschen geben nun einmal einen größeren Anteil für diese Grundbedürfnisse aus als Wohlbestallte - überdurchschnittlich angestiegen sind.

Kurzum: Der einzelne Pensionist kann in aller Regel mit seiner monatlichen Pension keine großen Sprünge machen. Die einzelne Pensionistin schon gar nicht. Erst in ihrer Gesamtheit summieren sich die Pensionszahlungen zu einem Milliardenbetrag (derzeit sind es rund 50 Milliarden pro Jahr), dem zu wenig Einzahlungen gegenüberstehen. Wenn demnächst die Kohorte der Babyboomer relativ geschlossen in den Ruhestand übertritt, wird die Situation nicht besser.

Es geht also nicht darum, der einzelnen Pensionistin, dem einzelnen Pensionisten die Pension zu stutzen, sondern dafür zu sorgen, dass mehr Geld in die Pensionskassen kommt. Dazu gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man erhöht die Pensionsbeiträge. Dies ist keine wirklich gute Idee, denn bereits jetzt läppern sich die Dienstgeber- und Dienstnehmerbeiträge zur Pensionsversicherung auf weit über 20 Prozent des Gehalts. Was mit dazu beiträgt, dass der Faktor Arbeit in unserem Wirtschaftssystem so immens teuer ist.

Die zweite Möglichkeit, mehr Geld in die Kassen umzuleiten, besteht darin, für mehr Beitragszahler zu sorgen. Also beispielsweise die Dauer der Hochschulstudien auf ein international übliches Maß zu senken. Mehr Menschen dazu zu ermuntern, am Arbeitsprozess teilzunehmen.

Und nicht zuletzt: Eine ehrliche Diskussion über das Pensionsantrittsalter zu starten. Denkbar ist beispielsweise eine Koppelung des Antrittsalters an die dankenswerterweise kontinuierlich steigende Lebenserwartung. Dabei müssen keineswegs alle Arbeitnehmer über einen Kamm geschoren werden. Einem Fliesenleger, einem Dachdecker, einer Altenpflegerin ist durchaus ein früherer Pensionsantritt zu gewähren als einem Verwaltungsbeamten oder einem Angestellten am Schreibtisch. Auch ein Ausbau der Altersteilzeit, der Gleitpension und ähnlicher Modelle könnte das Problem entschärfen. Eine Abflachung der Lohnkurve würde dazu führen, dass der Anreiz für die Unternehmer, ihre alten teuren Mitarbeiter in die Pension auszulagern, reduziert wird. Man kann das Pensionssystem sanieren, ohne den Pensionisten einen einzigen Euro wegzunehmen.