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Überwachungsstaat: Wer bastelt mit?

Einverstanden: Die Demokratie muss sich gegen ihre Feinde wehren. Aber bitte so, dass sie als Demokratie erkennbar bleibt.

Andreas Koller

Einfach zum Nachlesen: Ende Jänner einigte sich die Regierung auf Wunsch des Innenministers darauf, den Sicherheitsbehörden den Zugriff auf Überwachungsanlagen zu erleichtern; auch die Einführung eines elektronischen Kennzeichenerfassungssystems wurde beschlossen. Die vom Höchstgericht gekippte Vorratsdatenspeicherung soll eine legistische Wiederauferstehung erfahren. Und die akustische Überwachung, die derzeit auf Wohnungen beschränkt ist, soll auch in Autos erlaubt werden. So weit der Planungsstand der Regierung Ende Jänner.

Wenige Tage später gab's die traditionelle Demo gegen den Burschenschafterball. Sogleich war Innenminister Wolfgang Sobotka mit weiteren Verschärfungsvorschlägen zur Stelle: Auf bestimmten Straßen und Plätzen sollten Demonstrationen per Verordnung des Ministers verboten werden können. Der Versammlungsleiter sollte bei allfälligen Gesetzesverstößen von Demo-Teilnehmern oder Sachbeschädigungen in die Pflicht genommen werden. Von hohen Geldstrafen war die Rede. So weit der Stand der Planungen Anfang Februar.

Dieser Tage machten Spekulationen die Runde, türkische Regierungsvertreter könnten den dortigen Wahlkampf als Versammlungsredner nach Österreich tragen. Und schon schlug Sobotka die nächste Verschärfung vor. Demnach sollen Kundgebungen von Ausländern verboten werden können, wenn "anzunehmen" sei, dass dort Meinungen vertreten werden, "die mit den demokratischen Grundwerten oder den menschenrechtlichen Verpflichtungen" Österreichs unvereinbar seien. Klingt gut, wenngleich man sich fragt, wie dies vor einer Kundgebung festgestellt werden soll. Weniger gut klingt, dass die Kundgebung auch dann zu untersagen ist, wenn sie sich negativ "auf das friedliche Zusammenleben der Menschen" in Österreich auswirken könnte. Wer trifft diese Entscheidung? Etwa die niederösterreichische ÖVP, der Sobotka entstammt?

Innerhalb weniger Wochen feuerte also der Innenminister, teilweise unterstützt von der gesamten Bundesregierung, teilweise auch gegen den Willen des Koalitionspartners, ein Stakkato an Verschärfungen ins Land. Es gibt ständig neue Verbots- und Überwachungsfantasien, jeder Anlass wird genutzt, an den Bürgerrechten herumzuschnipseln. Und kein Gedanke wird daran verschwendet, ob nicht etwa bereits die geltende Rechtslage ausreichen würde, türkisches Wahlkampfgetöse in Österreich zu unterbinden. Nein: Ein neues Gesetz, neue Einschränkungen müssen her, und das im Eilzugstempo.

Der Innenminister kann sich des Wohlwollens des Publikums sicher sein, und zwar bei jeder einzelnen der geschilderten Verschärfungen. Kein vernünftiger Mensch wird dagegen sein, dass die Sicherheitsbehörden mit den modernsten Methoden der Überwachungstechnik auf Terroristenjagd gehen. Kein vernünftiger Mensch wird dagegen sein, dass berufsmäßige Randalierer und Zerstörer bei Demonstrationen aus dem Verkehr und zur Verantwortung gezogen werden sollen. Kein vernünftiger Mensch wird sich wünschen, dass Erdoğan und seinesgleichen in Wien, Linz oder Salzburg für ihr fragwürdiges Verfassungsreferendum werben.

Und doch bleibt ein schales Gefühl angesichts der unerträglichen Leichtigkeit, mit der die Regierung beziehungsweise der Innenminister die Verschärfungen in die Debatte werfen. Gewiss, die derzeitige Bundesregierung - wir wollen hoffen inklusive des Innenministers - besteht aus lupenreinen Demokraten, die nicht im Traum daran denken, die sicherheitspolizeilichen Maßnahmen, die sie uns derzeit mit lockerer Hand verordnen, politisch zu missbrauchen. Doch das muss nicht immer so sein. Auch in Österreich ist keineswegs ausgeschlossen, dass eines Tages eine Regierung ans Ruder kommt, die es mit den Regeln der Demokratie und des Rechtsstaats nicht mehr so genau nimmt - man blicke nach Ungarn, nach Polen, in einige Länder des Balkans, wo dies bereits der Fall ist. Unsere jetzige, lupenrein demokratische Regierung ist drauf und dran, einer möglichen künftigen nicht mehr ganz so demokratischen Regierung die Instrumente zu basteln, mit denen eines Tages unsere Demonstrationsfreiheit, unsere Privatsphäre, ja: unsere Demokratie beschnitten werden können. Man erinnert sich dunkel an einen freiheitlichen Justizminister während der schwarzblauen Koalition, der die damals geborene Idee, Regierungskritiker strafrechtlich an die Kandare zu nehmen, "verfolgenswert" fand.

Die Regierung hat recht, wenn sie den Standpunkt vertritt, dass sich eine Demokratie gegen ihre Feinde wehren muss. Sie muss darauf achten, dass die Demokratie nach diesem Abwehrkampf noch als solche erkennbar ist.