Nichts für ungut - aber wenn ein für das Asylwesen zuständiger Landesrat von einer "Sonderbehandlung" für integrationsunwillige Asylbewerber fantasiert, muss man sich ernsthaft fragen, ob der Mann noch zurechnungsfähig ist, ob er ganz bewusst provozieren wollte - oder aber beides. Wir haben es, Sie haben's erraten, mit dem bereits mehrfach einschlägig auffällig gewordenen niederösterreichischen FPÖ-Politiker Gottfried Waldhäusl zu tun. Er durfte seine "Sonderbehandlungs"-Fantasie im "Krone-TV" im Gespräch mit der einstigen Waxing-Studio-Inhaberin und nunmehrigen Moderatorin Katia Wagner ausleben.
"Sonderbehandlung" war die Tarnbezeichnung der Nazi-Herrscher für die systematische Ermordung all jener, die ihnen aus "rassischen" oder sonstigen Gründen nicht zu Gesicht standen. Herr Waldhäusl hat das nicht gewusst oder es war ihm egal oder er verwendete das Codewort als Signal an seine Freunde oder er wollte die schwarze Landeshauptfrau provozieren - einerlei: Jede dieser Alternativen bereitet Übelkeit.
Eine Übelkeit, die verstärkt wird angesichts des blauen Vizekanzlers Strache und des blauen Parlaments-Klubchefs Gudenus, die Asylbewerbern ein nächtliches Ausgehverbot aufbrummen wollen. Ja, stimmt, wir haben ein Sicherheitsproblem mit bestimmten Migrantengruppen. Doch wie wäre es damit, dieses Sicherheitsproblem zu lösen, was eine lohnende Aufgabe für den blauen Innenminister wäre, statt alle Asylbewerber unbeschadet der Person einsperren zu wollen? Unter bewusster Brechung der verfassungsrechtlich garantierten Grundrechte? Oder wollten auch Strache und Gudenus bloß ihren Koalitionspartner provozieren? In diesem Fall stünde es schlechter um das Arbeitsklima in der Koalition, als es nach außen hin den Anschein hat.
Man muss konstatieren: Jene, die unser Land in eine autoritäre und geschlossene Gesellschaft verwandeln wollen, erhöhen die Schlagzahl. Man täte sich leichter, deren Ambitionen abzuwehren, wären einige jener Mitbürger, die für eine demokratische und offene Gesellschaft stehen, in der Wahl ihrer Worte, Argumente und Methoden ein wenig weiser. Und würden sie nicht ständig der Versuchung unterliegen, die Probleme des Zusammenlebens zu verniedlichen oder gar strikt zu leugnen. Denn auch das trägt nicht zur Problemlösung bei. Es unterminiert die Glaubwürdigkeit der Meinungseliten, wenn Politiker und Medien öffentlich bejubeln, dass in Österreich die Kriminalität gesunken sei, dabei aber unterschlagen, dass die Zahl der Morde, Sexualdelikte und Messerstechereien steil nach oben geht. Gewiss: Diese traurige Tatsache konterkariert das schöne Bild vom problemlosen multikulturellen Zusammenleben. Dieses Zusammenleben kann aber nicht dadurch gefördert werden, dass unangenehme Wahrheiten unter den Teppich gekehrt werden. Die Bürgerinnen und Bürger durchschauen nämlich den Schwindel.
Oder auch den Schwindel jener Agenturmeldung, die vor einigen Tagen mit der Schlagzeile "Betrunkener bedrohte Weihnachtsmarktbesucher in Deutschland mit Axt" prangte. Erst im Kleingedruckten erfuhr man, dass der Betrunkene "Allahu Akbar" gerufen habe. Was natürlich weit eher einer Schlagzeile wert gewesen wäre als der Alkoholisierungsgrad des Attentäters. Doch aus Gründen einer falschen politischen Correctness wurde hier das Wesentliche versteckt, um den Preis, dass wieder einige von "Lügen-" und "Lückenpresse" schreien.
Oder der "Falter", der eine schwere Körperverletzung, begangen von einem Asylbewerber an einer Krankenschwester, so verschwurbelte: "Im Spital wehrte sich der junge Mann vergangenen Winter offenbar aus Angst gegen die Behandlung, versetzte der Krankenschwester zwei Ohrfeigen und bog ihr dabei den kleinen Finger um, der sich nach mehreren Röntgenaufnahmen als gebrochen erwies." Besser kann man nicht verharmlosen, dass hier einer eine Frau verprügelt und ihr den Finger gebrochen hatte. Aber diese unverblümte Wahrheit hätte nicht ins Bild der Reportage gepasst, die den Asylbewerber - Körperverletzung hin oder her - als armes Opfer zeichnete.
Der ORF-Hörfunk wiederum schaffte es am vergangenen Mittwoch im Acht-Uhr-Journal, eine ganze Anmoderation und einen ganzen Korrespondentenbericht lang mit keinem Wort zu erwähnen, dass der Terrorist von Straßburg aus islamistischen Motiven gemordet haben könnte. Im Gegenteil, er wurde uns mit blanker Stirn als "ein 29-jähriger Straßburger" vorgestellt. Und erst im dritten Beitrag zu diesem Thema verriet man diskret: Er stand im Kontakt mit Islamisten. Bloß keine Fakten! Lieber aus Religiös-Wahnsinnigen "Betrunkene" machen, aus Islamisten "Straßburger", und, wie jüngst geschehen, aus einer blutigen Messerstecherei in einer Wiener Schule eine harmlose "Rangelei unter Burschen".
Wir können die Debatte über die Probleme des Zusammenlebens nicht den Verhetzern überlassen. Und auch nicht den Verharmlosern.