Kollers Klartext

Wir Musterdemokraten

Keine Sorge, die Lage der Pressefreiheit in Österreich ist zufriedenstellend. Und keine Sorge, Österreich ist kein autoritärer Staat. Es gibt aber keine Garantie, dass das so bleibt.

Andreas Koller
Je heller das Land, desto besser die Lage der Pressefreiheit. Österreich hat seine weiße Weste verloren.

Es waren keine guten Noten, die unser Land und seine Regierung in der vergangenen Woche erhalten haben. Da war zunächst der vom einstigen Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner erhobene Vorwurf, die von seinem Nachfolger Sebastian Kurz geführte türkis-blaue Koalition verwandle Österreich in eine rechtspopulistische, ja in eine autoritäre Republik. Das waren starke Worte.

Und da war der Bericht von "Reporter ohne Grenzen" (ROG), der Österreich bescheinigt hat, in der Rangliste der Pressefreiheit von Rang elf auf Rang 16 heruntergerasselt zu sein. Was bedeutet, dass hierzulande die Lage der Medien nicht mehr "gut", sondern nur "ausreichend" sei. Auch das war keine wirklich erfreuliche Nachricht.

Nun kann man natürlich einige gute Argumente gegen die Beurteilung durch ROG ins Treffen führen. So etwa den erstaunlichen Umstand, dass dieser Rangliste zufolge Burkina Faso und Papua-Neuguinea in puncto Pressefreiheit vor Ländern wie Italien, Tschechien und den Vereinigten Staaten rangieren. In Burkina Faso gehört, wenn wir Amnesty International Glauben schenken, Folter in Polizeigewahrsam zur Tagesordnung. Bewaffnete Milizen drangsalieren die Bevölkerung. Weibliche Genitalverstümmelung ist weitverbreitet. Zuletzt wurde in 14 Provinzen der Notstand ausgerufen. Das alles sieht nicht gerade nach einer Musterdemokratie aus, in der die Pressefreiheit in Blüte steht.

Zu Papua-Neuguinea wiederum lesen wir im Amnesty-Bericht unter anderem: "Am 8. Juni 2016 beendete die Polizei wochenlange friedliche Proteste von Studierenden der Universität von Papua-Neuguinea, die sich gegen mutmaßliche Korruption der Regierung richteten, indem sie Schusswaffen einsetzte und friedliche Protestierende angriff." Körperliche Misshandlungen in den Gefängnissen des Landes seien "an der Tagesordnung". Auch das klingt nicht eben beschaulich. Man darf bezweifeln, dass in Ländern mit einer derartigen politischen Kultur die Lage der Pressefreiheit eine bessere sein kann als in den erwähnten lupenreinen Demokratien Italien, Tschechien und USA. Und dies wieder führt zu Zweifeln am gesamten Ranking von "Reporter ohne Grenzen".

Dennoch wäre Österreich schlecht beraten, würde man Kritik, die in dem ROG-Bericht an der hiesigen Medienpolitik geäußert wird, einfach vom Tisch wischen. Was genau wird Österreich vorgeworfen? Etwa dies: "Die massive Verschlechterung (Österreichs im Ranking) erklärt sich vor allem durch die direkten Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten durch die Politik." Nun soll man als Journalist nicht wehleidig sein, und nicht jeder verbale Angriff auf einen Journalisten ist gleichzusetzen mit einem Angriff auf die Pressefreiheit. Und dennoch ist die ROG-Analyse zutreffend. Denn bei einzelnen Protagonisten der Regierungsparteien erhärtet sich der Eindruck, dass ihre Angriffe auf Journalisten System haben: Es geht darum, Medien, vor allem den ORF, in den Augen der Hörer, Seher und Leser herabzusetzen und ihre Glaubwürdigkeit zu untergraben. Anders ist es nicht zu verstehen, wenn dem Vizekanzler Strache zum ORF dieser Satz einfällt: "Es gibt einen Ort, an dem Lügen zu Nachrichten werden." Anders ist es nicht zu verstehen, wenn der Medienminister auf eine berechtigte Frage von Moderator Martin Thür antwortet: "Das ist ja ein Blödsinn, was Sie da reden." Anders ist es nicht zu verstehen, wenn der freiheitliche Mediensprecher dem ZiB-2-Chef Wolfgang Wagner, der sich in einem Interview kritische Fragen erlaubt hatte, "Gesinnungsjournalismus" vorwirft. Anders ist es nicht zu verstehen, wenn der Bundeskanzler persönlich dem ORF-Sender Ö3 öffentlich eine "ultimative Form der Falschinformation" unterstellt. Hier geht es darum, ein Medienunternehmen systematisch zu diskreditieren, zu delegitimieren - und damit sturmreif zu schießen für eine Reform, die dem ORF die letzten Reste seiner Unabhängigkeit nimmt. Beispielsweise, indem die GIS-Gebühren gestrichen und durch eine Finanzierung des ORF aus dem Bundesbudget ersetzt werden. Was den ORF-Chef zu einem jährlichen Bittsteller im Vorzimmer des Bundeskanzlers machen würde.

Bleibt die Tatsache, dass sich auch diese Regierung weigert, ein modernes Informationsfreiheitsgesetz vorzulegen, das staatliche Abläufe transparent machen würde. Bleibt die Tatsache, dass die Regierung ihre Medien- und PR-Abteilungen aufgebläht hat, als gälte es, sämtliche Stimmen des kritischen Journalismus zu übertönen, und das ist wohl auch der Zweck der Übung. Bleibt die Tatsache, dass die versprochene Reform der Presseförderung auf sich warten lässt, während die Parteienförderung Jahr für Jahr neue Rekordwerte erreicht.

Keine Sorge, trotz des kritischen Berichts von "Reporter ohne Grenzen" ist die Lage der Pressefreiheit in Österreich zufriedenstellend. Und keine Sorge, trotz der bitteren Analyse Reinhold Mitterlehners ist Österreich kein autoritärer Staat. Es gibt aber keine Garantie, dass das so bleibt.

KOMMENTARE (0)