Die Pflanzenheilkunde hat in Sachen Stressbewältigung tatsächlich einen entscheidenden Vorteil. Die Phytotherapie bietet Adaptogene - eine Therapieoption, welche synthetischen Medikamenten bisher verwehrt blieb. Adaptogene sind aktive Pflanzenstoffe, die dem Körper helfen, sich erhöhten körperlichen, geistigen und emotionalen Stresssituationen anzupassen. Sogar die European Medicines Agency (EMA) berücksichtigt das Konzept der Adaptogene - aufgrund der vielversprechenden Datenlage -, fordert jedoch weitere klinische Studien, um es genauer beurteilen zu können.
Welche Pflanzen bieten nun derartige Stoffe?
Rosenwurz (Rhodiola rosea) aus der Familie der Dickblattgewächse zeigt in Studien vielversprechende Ergebnisse in der Behandlung und Prävention von chronischem Stress und durch Stress verursachten Komplikationen. Moderne Forschungsergebnisse zeigen, dass Taigawurzel (Eleutherococcus senticosus) als sogenannter Antistressor die Adrenalinausschüttung reduziert und erhöhte Kortikoidspiegel absenkt. Kortikoide sind Hormone der Nebennierenrinde, zu ihnen gehört auch Kortison. Eine kleine Anekdote: Rentiere der Taiga, die die Wurzel des Eleutherococcus-Strauchs fressen, sind nachweislich kräftiger und überstehen den Winter besser als ihre Artgenossen.
Der seit Jahrtausenden in China arzneilich verwendete Ginseng (Panax ginseng) zeigt auch in aktuellen Forschungsergebnissen beachtenswerte Resultate in Hinblick auf adaptogene Wirkungen. Vielversprechende Ergebnisse scheinen in neueren Forschungen auch Pilze wie Shiitake, Reishi und Co. zu liefern.
Freilich stehen uns aber auch bewährte Hausmittel in diesen schwierigen Zeiten helfend zur Seite. Die ätherischen Öle des Lavendels können als Lavendelbad entspannend wirken und den Schlaf fördern (eine Tasse Lavendelblüten überbrühen, zehn Minuten mit Deckel ziehen lassen, Absud und Kondenstropfen dem Badewasser zugeben). Bei Schlaflosigkeit hilft Ihnen ein Tee aus Baldrian, Melisse und Hopfen. Johanniskraut, am besten in Form von Fertigarzneimitteln, kann hingegen bei leichten depressiven Episoden helfen.
Phasen erhöhter Angst können zubereitete Passionsblumen den Schrecken nehmen. Und ein Bad in geschnittenem Haferstroh wirkt überaus beruhigend (100 Gramm geschnittenes Haferstroh in drei Litern Wasser kochen, abseihen und dem Badewasser zugeben). Ätherische Öle wie Bergamotte, Neroli, Grapefruit oder Lavendel ergeben mit Johanniskrautöl ein wunderbares Massageöl oder können als Duft entspannend wirken.
Die Pflanzen stehen uns in diesen belastenden Zeiten zur Seite. Nehmen wir dies zum Vorbild, um uns füreinander stark zu machen. Erst Menschlichkeit macht menschlich - nicht allein, sondern nur gemeinsam können wir diese Krise bezwingen. Ihr Lächeln kann trotz Maske jener Hoffnungsschimmer sein, den Ihr Gegenüber in diesen schwierigen Zeiten braucht. In diesem Sinne: Bleiben wir gemeinsam gesund - natürlich gesund.
Andreas Gräff ist Allgemeinmediziner mit eigener Praxis in Salzburg-Morzg. Einer seiner Schwerpunkte ist Phytotherapie, also die Pflanzenheilkunde.