Manche sind müde, andere geradezu antriebslos, können sich zu nichts mehr aufraffen. Dietmar Winkler von der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Wien über das Phänomen des Winterblues.
Was sind typische Symptome des Winterblues? Dietmar Winkler: Man unterscheidet zwischen dem Winterblues und einer Herbst-Winter-Depression. Beim Winterblues ist die Stimmung etwas schlechter, das Schlafbedürfnis steigt, auch der Appetit verändert sich meistens in die Richtung, dass mehr gegessen wird. Es kann zu regelrechten Heißhungerattacken kommen, bei denen vermehrt Kohlenhydrate gegessen werden. Auch lässt sich schlechter mit Stress umgehen, man ist schneller gereizt und neigt mitunter zu Wutausbrüchen gegenüber nahestehenden Menschen. Von einer tatsächlichen Depression sprechen wir, wenn die Symptome zwei Wochen lang anhalten und es der Person durch die Symptome schwerfällt, ihren Alltag zu bewältigen.
Warum kommt es zum Winterblues und zur Herbst-Winter-Depression? Hier spielen zwei Komponenten eine Rolle: die individuelle Veranlagung und der Lichtmangel, wenn die Tage kurz sind. Wenn diese zwei Komponenten zusammenkommen, kann es zu einem Winterblues oder zu einer Herbst-Winter-Depression kommen. Das verminderte Licht bringt die innere Uhr und damit die Ausschüttung der Botenstoffe Serotonin und Melatonin ins Ungleichgewicht. 15 Prozent in Österreich kennen den Winterblues und bevorzugen den Sommer, zwei Prozent leiden unter der Herbst-Winter-Depression.
Was lässt sich unternehmen, um Winterblues und -depression vorzubeugen? Spaziergänge tagsüber im Freien sind sehr zu empfehlen. Selbst wenn der Himmel bedeckt ist, ist es draußen heller als im typischen Innenraum und wir können so dem Lichtmangel entgegenwirken. Sport und regelmäßige körperliche Bewegung an der frischen Luft wirken antidepressiv. Auch Nahrungsergänzungsmittel können helfen: Omega-3-Fettsäuren sind ein natürlich in der Nahrung vorkommendes Antidepressivum. Bei Depressionen kommt es im Körper zu Entzündungen und Omega-3-Fettsäuren wirken entzündungshemmend. Aktuell forschen wir an der Medizinischen Universität Wien an diesem Zusammenhang. Auch wenn Vitamin D laut einem Laborbefund im Körper vermindert ist, sollte dieses substituiert werden. Zusätzlich kann Lichttherapie helfen, die es in drei verschiedenen Varianten gibt: als Tageslichtlampe, als in einen Radiowecker eingebauter Dämmerungssimulator, der das Aufgehen der Sonne künstlich darstellt, oder als Lightvisor, ein Stirnband mit zwei Taschenlampen, die in die Augen hineinleuchten.
Und was, wenn es einem bereits schlecht geht? Wenn der Alltag schwer oder nicht mehr zu bewältigen und der Leidensdruck hoch ist, dann empfehle ich, sich medizinisch beraten zu lassen. Das kann zunächst die Hausärztin oder der Hausarzt machen. Die Therapiemöglichkeiten, beispielsweise die Einnahme von Antidepressiva und eine Gesprächstherapie, lassen sich schließlich mit einer Psychiaterin oder einem Psychiater abklären.