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Skandal-Boy, Genie und Liebling der Fans

Spektakulär startete die US-Tour dank Unterhaltungskünstler Nick Kyrgios. Das Welttennis lechzt nach Typen wie dem eigenwilligen und hochtalentierten Australier.

Christian Mortsch
Nick Kyrgios ließ sich in Washington feiern.
Nick Kyrgios ließ sich in Washington feiern.
Er spielt mit den Zuschauern.
Er spielt mit den Zuschauern.
Seinem Halbfinalgegner Stefanos Tsitsipas brachte er neue Schuhe.
Seinem Halbfinalgegner Stefanos Tsitsipas brachte er neue Schuhe.
Im Endspiel besiegte der Australiener den Russen Daniil Medwedew.
Im Endspiel besiegte der Australiener den Russen Daniil Medwedew.
Kyrgios greift gern die Trickkiste.
Kyrgios greift gern die Trickkiste.

Während Kitzbühel vergangene Woche ganz im Zeichen der Heimsiege von Dominic Thiem und Philipp Oswald stand, hätte auch die Hartplatzsaison in den USA nicht unterhaltsamer beginnen können. Nick Kyrgios sei Dank. Der Australier, der wie kein Zweiter zwischen Genie und Wahnsinn wandelt, gewann das 500er-Event in Washington mit 7:6(6), 7:6(4) im Finale über den Russen Daniil Medwedew. Bereits zuvor im Halbfinale beim 6:4, 3:6, 7:6(7) gegen den Griechen Stefanos Tsitsipas begeisterte er mit Zauberschlägen und Showeinlagen.

Tweener (Schläge zwischen den Beinen), Aufschläge mit 230 km/h und von unten, Stoppbälle en masse, eingesprungene Grundschläge - das und vieles mehr gehört längst zum Standardrepertoire des 24-Jährigen. Nun bezog er sogar das Publikum mit ins Spiel ein. Bei jedem Matchball ließ er sich von einem Zuschauer diktieren, wohin er aufschlagen soll. Gesagt, getan - jeden verwertete er mit einem Ass oder Winner und feierte danach mit der Menge.

Oft schon wurde das Enfant terrible wegen Respektlosigkeit oder zu wenig Einsatz ausgepfiffen. Er nimmt sich kein Blatt vor den Mund und sorgte zuletzt mit seiner persönlichen Abneigung gegenüber Novak Djoković für Aufsehen: "Er ist krankhaft davon besessen, geliebt zu werden. Er will wie Roger Federer sein. Wie er jubelt, ist nur peinlich. Ich ertrage ihn nicht."

Aussagen wie diese sorgen stets für Kontroversen, diesmal aber präsentierte er sich nur von seiner besten Seite. "Es gibt Menschen, die mich unterstützt und nie den Glauben an mich verloren haben, wenn ich es selbst getan habe", sagte Kyrgios. Wer immer diese Menschen sind, sein Trainer kann es nicht gewesen sein - Kyrgios hat nämlich keinen. "Es würde keinen Sinn machen. Mit mir wird jeder wahnsinnig", sagt Kyrgios, der von Platz 52 auf 27 klettert. Nun sei er wieder überzeugt, "auf höchstem Level abzuliefern". Gelingt ihm das auch diese Woche in Montreal sowie danach in Cincinnati und bei den US Open, wäre er da, wo ihn viele dank seines Potenzials schon lange sehen: in den
Top 10. Als Ticketseller ist er dort schon längst angelangt. Außer Federer, Djoković und Rafael Nadal kann dem Entertainer, der im Oktober auch in Wien aufschlägt, hier international keiner das Wasser reichen.