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Vier Stunden Strom. Die Heizung hat Vorrang.

Mein Start in den Tag: Lauwarm duschen, Toast aus der Pfanne und dann auf die Jagd nach Handyempfang.

Daryna Melashenko

Ich wache gegen 8.00 Uhr auf. Als Erstes schaue ich auf den Fernseher, um zu sehen, ob der rote Indikator leuchtet. Leider nein. Das heißt, wir haben keinen Strom, obwohl es auf dem Plan des Stromversorgers anders steht. Ich habe auch kein Signal für das Handy. Neben dem Fenster versuche ich Empfang zu finden. Die Verbindung ist instabil.

Draußen ist es dunkel. Als ich ins Badezimmer gehe, nehme ich meine Taschenlampe mit. Das Wasser ist lauwarm. Unsere Gastherme läuft dank der Powerstation. Aber wir versuchen Akku zu sparen: Die Heizung hat Vorrang. Nach der Dusche zittere ich in der kalten Luft. Die Wäsche, die wir gestern im Badezimmer aufgehängt haben, ist noch feucht. Ich freue mich trotzdem, dass wir sie rechtzeitig waschen konnten. Auch alle Geräte sind aufgeladen. Wir sind für den Tag bereit.

Die Stromversorgung wird immer unzuverlässiger. Im November gab es in unserem Stadtteil so gut wie keine Ausfälle. Im Dezember richteten wir unser Leben nach dem Tagesplan der Blackouts. Weil zu Hause bleiben ohne Strom hat keinen Sinn. Dann hatten wir im Durchschnitt acht bis zehn Stunden Strom pro Tag. Jetzt sind wir bei vier bis sechs Stunden. Der offizielle Versorgungsplan funktioniert nicht mehr. Die Ausfälle, die immer öfter vorkommen, kann kein Elektrizitätswerk vorhersehen.

Zeit fürs Frühstück. Kaffee im Kännchen am Herd, Toasts in der Pfanne. Mikrowelle, Toaster und Kaffeemaschine stehen vergessen an der Seite. Ich freue mich immer darüber, dass wir Gas haben. Am Abend koche ich manchmal im Dunkeln, mit drei Kerzen oder einer Taschenlampe auf dem Tisch. Das Kochen beruhigt mich sehr. Vor Kurzem gab es Wartungsarbeiten an der Gasleitung. Also konnte ich weder Herd noch Heizung benutzen. Das macht Angst.

Nach dem Frühstück fahren wir ins Büro. Je näher wir dem Zentrum kommen, desto besser ist das Signal. Jetzt kann ich endlich Nachrichten empfangen. Meinen Eltern geht es gut. Meine Freundin in Prag lernt Tschechisch und sucht eine neue Arbeit. Für die Ukraine war das eine schwere Nacht: 24 iranische Drohnen im Luftraum. Alle wurden von unserer Luftabwehr abgeschossen. Keine Info über Opfer. Ich hoffe, es gibt auch keine.

Vor dem Büro brummt ein Dieselgenerator. Hier gibt es immer Strom und WLAN. Es ist unser sicherer Hafen. Bei der Arbeit vergeht die Zeit anders. Als ob nichts wäre. Seit eineinhalb Stunden gibt es Luftalarm. Die Gefahr eines Raketenangriffs besteht weiter. Aber ich habe keine Angst. Oder, besser gesagt, sie versteckt sich in einer sehr entfernten Ecke meines Bewusstseins.

In den Nachrichten kann man lesen, wann die Raketen unsere Region erreichen. Bei akuter Gefahr werden wir in den Flur gehen. Dann sind wir von zwei Wänden beschützt. In einer halben Stunde ist der Luftalarm aber vorüber. Die Nachricht bringt eine kleine Erleichterung.

Nach der Arbeit fahren wir zum Supermarkt. Es gibt keinen Strom. Dann zu einem anderen. Leider auch kein Glück: alles dunkel, die Reihen sind mit Einkaufswagen versperrt. Im dritten Supermarkt können wir endlich einkaufen. Im Foyer steht ein großes Auto, übersät mit unzähligen Einschussspuren. Die Frontscheibe ist komplett zerstört. Auf dem Rückspiegel hängt ein kleines Holzkreuz. Es muss ein Armeefahrzeug gewesen sein. Oder es könnte jemanden gerettet haben, der geflohen ist. Jetzt steht es hier und erinnert an das Kriegsgeschehen. Ich denke an die Menschen, die heute in einem Schützengraben schlafen. Sie dürfen kein Feuer machen und kein Mobilnetz benutzen. Einige werden krank und können nicht ordentlich behandelt werden. Und jeden Tag müssen sie mit dem Gedanken aufwachen, dass dieser Tag der letzte in ihrem Leben sein kann.

Unter ihrem Schutz können wir unser "normales", ziviles Leben fortsetzen. Auch wenn es vollkommen abnormal ist, passen wir uns laufend an. Die Schwierigkeiten werden langsam zu Unannehmlichkeiten. Die Stromausfälle irritieren. Aber im großen Bild sind sie letztendlich kein großes Problem.

Daryna Melashenko ist 27 Jahre alt und ist von Bojarka bei Kiew nach Lemberg geflohen.