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415 Gesetze zum Streichen und Streiten

Die EU-Kommission will mit liegen gebliebenen Gesetzesvorhaben aufräumen. Das hat Konfliktpotenzial.

Stephanie Pack-Homolka

Groß in den großen Dingen und klein in kleinen will die EU-Kommission unter Präsident Jean-Claude Juncker sein. Wie ernst es dem Luxemburger mit dieser Ankündigung ist, zeigt sich diese Woche. Die Kommission beschließt heute, Dienstag, ihr Arbeitsprogramm. Weniger als 25 neue Gesetzesvorhaben soll es geben, alle sollen freilich die großen Probleme lösen.

Unter den Vorschlägen ist der Investitionsplan mit dem neuen Europäischen Fonds für Strategische Investitionen (EFSI), der beim EU-Gipfel Ende der Woche von den Staats- und Regierungschefs abgesegnet werden soll. Diskussionen sind programmiert. Vor allem, wenn es darum geht, ob und welche Länder sich finanziell an dem Fonds beteiligen werden und wie die Beiträge auf das Defizit der Staaten angerechnet werden.

Noch mehr Diskussionen wird ein anderes Vorhaben der Kommission hervorrufen: 415 Gesetzesvorschläge, bei denen es seit Langem keinen Fortschritt gibt, werden durchforstet. Einige Dutzend davon sollen von der Agenda gestrichen werden - aus Mangel an Erfolgsaussichten.

Unter den Texten werden unumstritten gescheiterte Gesetzesvorschläge sein, wie jener zum Anti-Produktpiraterie-Abkommen ACTA, das im EU-Parlament durchgefallen ist. Es sind aber auch weniger klare Fälle dabei. Allen voran das Gesetzespaket zur Kreislaufwirtschaft, mit dem sechs bestehende Richtlinien geändert werden sollten. Es hätte unter anderem gemeinsame Recyclingziele für alle EU-Länder gebracht und Vorschriften für die Haltbarkeit und Wiederverwendbarkeit von Bestandteilen von Produkten. Durch die Maßnahmen sollte ein sparsamerer Umgang mit Ressourcen erzielt werden. Die EU-Umweltminister waren beim Ratstreffen im Herbst allerdings alles andere als einig, was die Zielsetzungen betraf. Die Kommission sieht daher keine Chance auf Einigung und will den Vorschlag nach derzeitigem Stand aus dem Arbeitsprogramm streichen. Zum Ärger von Umweltschützern und Parlamentariern, die dagegen Sturm laufen.

Generell wird gegen das Streichen von Gesetzesvorschlägen mehr Widerstand vom EU-Parlament als von den Mitgliedsstaaten erwartet. Schließlich bleiben die meisten Vorhaben in den Ministerräten hängen, weil die Länder keine Einigung finden, und nicht im Parlament. Heiß laufen werden die Telefone in der Kommission in jedem Fall. Denn hinter jedem Gesetzesvorhaben, das auf der Agenda ist, steht ein Interesse. Sei es einer Wirtschaftssparte, einer zivilgesellschaftlichen Organisation, eines Landes oder eben des EU-Parlaments.