Die Europäische Union geht aus schwierigen Zeiten gestärkt hervor. Dramen wie jenes um Griechenland sind ein Motor für die tiefere Integration. So viel zur Theorie, die derzeit auch medial strapaziert wird. In der Praxis steht wenigen Akteuren der Sinn danach, an den Rädern im Gefüge der EU zu drehen. Schon gar nicht in Richtung mehr Integration.
Pläne dafür lägen bereit, etwa in Form des Fünf-Präsidenten-Berichts. Das Papier stammt von den Präsidenten der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB), des Europäischen Rates, der Eurogruppe und des EU-Parlaments. Es skizziert eine Zukunftsvision für die Wirtschafts- und Währungsunion, an deren Ende eine gemeinsame Eurosteuer und ein Finanzminister für die Eurozone stehen.
Überraschend sympathisierte der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble mit dieser Idee. Wie ernsthaft, ist eine andere Frage. Derzeit lässt sich leicht reden, die Umsetzung liegt nämlich in weiter Ferne. An welcher Stelle im Gefüge der Institutionen ein Eurofinanzminister eingesetzt würde, bleibt vage. Die Schlussbemerkung der Staats- und Regierungschefs zum Fünf-Präsidenten-Bericht spricht überhaupt Bände: zur Kenntnis genommen.
Alles andere wäre verwunderlich. Die Aussicht, Kompetenz welcher Art auch immer nach Brüssel abzugeben, stößt in den EU-Ländern erfahrungsgemäß nicht auf Gegenliebe. Dem wird eine andere Idee von Schäuble gerecht, die in der vorigen Woche kursierte: Er wolle die Kommission "entmachten", schrieb die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". Das dementierte das deutsche Finanzministerium zwar, die Substanz hinter der Schlagzeile aber nicht. Schäuble will die Rolle der Kommission prüfen. Als "Hüterin der Verträge" wacht sie über die Einhaltung der Gesetze in der EU, etwa beim Wettbewerbsrecht oder beim Binnenmarkt. Laut FAZ-Bericht stellt Schäuble in Zweifel, ob diese Rolle mit Jean-Claude Junckers Anspruch vereinbar ist, eine politischere Kommission zu führen. Beide Bereiche müssten in Balance sein, heißt es im deutschen Finanzministerium. Dazu könnte der Kommission die Rechtsaufsicht entzogen und diese in ein unabhängiges Institut ausgelagert werden.
Eine Weiterentwicklung, die allerdings nicht zu mehr Integration führt. Darauf laufen auch andere Debatten hinaus. Großbritannien etwa hätte am liebsten einen starken, gemeinsamen Wirtschaftsraum mit einer möglichst losen Politischen Union. Für die Eurozone hat hingegen die Griechenland-Krise erneut gezeigt, dass eine Währungsunion ohne gemeinsame Wirtschaftspolitik hinkt. Aber auch hier ist es wie in der Gruppentherapie: Über Probleme reden ist ein Anfang, lösen kann sie aber nur eine Verhaltensänderung im (politischen) Alltag.