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Ein "Walk of Fame" durch das EU-Viertel

Plaketten mit Namen sind im Brüsseler EU-Viertel nicht in den Boden eingelassen. Dafür finden sie sich oft an Hausmauern.

Stephanie Pack-Homolka

Einen kleinen Lehrpfad bietet ein Abstecher zum Europaparlament. Dort trägt jeder Gebäudekomplex einen geschichtsträchtigen Namen. Das Hauptgebäude jenen von Altiero Spinelli. Der Italiener war Mitglied der Kommunistischen Partei und wurde in den 1920er-Jahren als Widerständler gegen Mussolini festgenommen. In der Haft verschrieb er sich der Idee eines europäischen Föderalismus. Er beschrieb einen europäischen Staatenbund als einzigen Ausweg aus Krieg und Krise der Nationalstaaten. Damit gilt Spinelli als einer der wichtigsten Vordenker der europäischen Integration.

Auf der Rückseite des Spinelli-Trakts befindet sich der Eingang Paul-Henri Spaak. Der Belgier war der Präsident einer Vorgängerorganisation der EU, der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl. Spaak gilt als einer der Gründerväter der heutigen Europäischen Union. Er war maßgeblich an den Vorbereitungen zu den EG-Verträgen beteiligt, die 1957 in Rom unterzeichnet wurden. Anschließend an das Spinelli-Gebäude findet man zwei berühmte Namen, die als symbolträchtig für den demokratischen Aufbruch Osteuropas und seine Annäherung an den Westen gelten: József Antall und Willy Brandt.

Antall war der erste demokratisch gewählte Premierminister Ungarns nach der Wende und dem Zusammenbruch des kommunistischen Gesellschaftsmodells. Er setzte sich für Demokratisierung und Marktwirtschaft ein.

Der Deutsche Willy Brandt fand dank seiner Ostpolitik Eingang in die Geschichtsbücher und den Gebäudekomplex des EU-Parlaments. Er betrieb eine Entspannungspolitik gegenüber den osteuropäischen Staaten und erhielt dafür 1971 den Friedensnobelpreis.

Vom Europaparlament geht es weiter in Richtung Kommission und Rat, dem Zentrum des EU-Viertels, dem Schuman-Kreisverkehr. Er ist benannt nach dem französischen Außenminister Robert Schuman, der sich für die Aussöhnung zwischen Frankreich und Deutschland einsetzte. Der Schuman-Plan läutete 1950 eine neue Ära in der europäischen Integration ein. Er schlug die Zusammenlegung der deutschen und französischen Stahlproduktion vor und legte damit den Grundstein für die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl. Der Tag seiner Erklärung, der 9. Mai, ist heute der Europatag der Europäischen Union.

Weniger bekannt ist der Herr, nach dem das Hauptgebäude des Rates im Anschluss an den Schuman-Kreisverkehr benannt ist: Justus Lipsius. Nach dem flämischen Humanisten war eine Straße benannt, die dem riesigen Komplex des Ratsgebäudes weichen musste.

Gegenüber steht das Berlaymont, seines Zeichens Hauptgebäude der Kommission. Wie bei Justus Lipsius weist der Name auf die Geschichte des Baugrunds hin: An der Stelle stand einst ein Kloster, das die Frau des Grafen Florent de Berlaymont errichten ließ.