Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort - mit dieser Prämisse wird die EU-Entsenderichtlinie hierzulande in einem Atemzug genannt. Ähnlich ist das in Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Anders ist das in Polen, Tschechien und der Slowakei.
Bei der Richtlinie geht es um Arbeitnehmer, die von einer Firma in einem EU-Land für kurze Zeit in ein anderes EU-Land geschickt werden, um dort zu arbeiten. Und es geht vor allem um die Frage, wie diese Arbeitnehmer entlohnt werden. Derzeit müssen sie jedenfalls den gleichen Lohn bekommen wie alle in dem Zielland. Künftig soll das strenger werden, es sollen weitere Gehaltsbestandteile gleichwertig abgegolten und generell mehr Regeln aus dem Arbeitsrecht angewendet werden.
So sieht es zumindest ein Reformvorschlag vor, den die EU-Kommission kürzlich vorgelegt hat. Nun hat sie aber gehörigen Gegenwind bekommen. Aus elf EU-Ländern kam eine Beanstandung wegen des neuen Gesetzesvorschlags. Deren nationale Parlamente haben einen Frühwarnmechanismus aktiviert, weil sie das Prinzip der Subsidiarität mit dem Vorschlag verletzt sehen. Kurz gesagt: Sie finden, die EU will regeln, was die Nationalstaaten besser regeln könnten.
Wenn ein Drittel der EU-Länder solche Bedenken hat, bekommt die EU-Kommission eine Gelbe Karte. Kommen Beanstandungen aus mindestens der Hälfte der Länder, gibt es eine Orange Karte. Letztere haben die Staaten noch nie gezeigt, seit der Mechanismus mit dem Lissabonner Vertrag geschaffen wurde. Die Gelbe Karte hat es schon zwei Mal gegeben. Wie die EU-Kommission darauf reagieren muss, ist ihr nicht vorgeschrieben. In einem Fall hatte sie ihren damaligen Vorschlag zurückgezogen, im anderen nicht. Das Vorgehen bei der Entsenderichtlinie ist noch offen. Zeitlichen Druck hat die EU-Kommission im Grunde keinen, es gibt keine Frist, binnen derer sie auf die Einwände der Staaten reagieren muss. Einmal mehr wäre es aber denkbar, dass zumindest das britische Referendum abgewartet wird.
Die elf Meldungen, die zur Gelben Karte geführt haben, kamen aus den osteuropäischen Ländern und Dänemark. Sie wollen eine Verschärfung der Entsenderichtlinie verhindern. Für westliche Länder wie Österreich und Deutschland, aber vor allem für Großbritannien ist der Kampf gegen Sozialdumping hingegen ein zentrales Anliegen. Für den britischen Premier David Cameron ist es einer der Knackpunkte in seiner Kampagne vor dem Austrittsreferendum. Eine breite Kontroverse rund um dieses Thema, das wie kaum ein anderes die neuen und alten Mitgliedsstaaten spaltet, trägt sicherlich nicht zu einer proeuropäischen Stimmung vor dem entscheidenden Votum bei.