Es war ja fast ein Geschenk zum ersten Advent an die Boulevardzeitungen: Die EU will jetzt auch noch unsere Kerzen regulieren, ging ein empörtes Rascheln durch den vorweihnachtlichen Blätterwald. Die Parallele zur viel zitierten Verordnung über die vorgeschriebene Krümmung der Gurken, quasi das Sinnbild der Brüsseler Regulierungswut, war freilich schnell gezogen. Tatsächlich haben die beiden Fälle auch so einiges gemeinsam.
Für den Boulevard sind beide Regulierungen ein gefundenes Fressen. Sie bestätigen die Klischees, die viele Europäer von Brüssel haben, und sind kurz erzählt - mitunter auch verkürzt. Bei der neuen Regelung bezüglich der Kerzen geht es nämlich weder um ein Verbot noch ist die Sache überhaupt schon beschlossen. Wie bereits im Fall der Gurkenkrümmung haben sich auch nicht irgendwelche Bürokraten die neue Regelung in ihrem Kämmerchen ausgedacht.
In Europa gibt es bereits seit Jahren drei verschiedene Normen, die auf die Sicherheit von Kerzen abzielen. Mit ihnen soll die Gefahr von Bränden minimiert und einheitliche Grenzen für die Rußentwicklung festgelegt werden. Ihren Anfang haben diese Normen keineswegs in Brüssel genommen, sondern in Absprachen von Herstellern, Händlern und Verbraucherschützern. Für den Konsumenten sollen sie das hohe, einheitliche Schutzniveau in der EU garantieren, das derzeit in der Debatte über TTIP so oft gelobt wird. Den Herstellern bringen sie den wirtschaftlichen Vorteil, ein Produkt für den ganzen europäischen Markt produzieren zu können. Letztlich hat sich auch die Industrie starkgemacht, dass die Normen in Zukunft verbindlich werden.
Inhaltlich geht es bei der neuen Regelung ausschließlich um Sicherheitsanforderungen. Festgeschrieben wäre demnach etwa, dass die Flamme eine gewisse Höhe nicht überschreiten darf, selbstlöschende Kerzen tatsächlich von selbst ausgehen, Kerzenhalter so konstruiert sein müssen, dass sie nicht überhitzen oder explodieren können, oder schlichtweg, dass freistehende Kerzen nicht umkippen.
Kein EU-Land hat sich dagegen ausgesprochen, dass diese Kriterien in Zukunft verpflichtend bei der Herstellung von Kerzen oder -haltern eingehalten werden müssen. Einzig Großbritannien hat sich bei der Abstimmung enthalten, alle anderen Mitgliedsstaaten haben dem Entwurf der Kommission zugestimmt. Der liegt nun noch beim Europäischen Parlament zur Prüfung. Unabhängig davon lässt Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker das Papier jetzt noch einmal analysieren. Sein Vize Frans Timmermans, zuständig für "Bessere Regulierung", soll wohl prüfen, ob die Kommission auch wirklich "klein in kleinen Dingen" blieb.