SN.AT / Kolumne / Schwischeis EU-Check / Schwischeis EU-Check

Wer macht hier eigentlich die Gesetze?

Die neuen Abgastests stinken einigen gewaltig. Auch das Verfahren, in dem die Grenzwerte revidiert wurden, wird hinterfragt.

Stephanie Pack-Homolka

Rebecca Harms ist die Chefin der Grünen im Europaparlament und wie ihre gesamte Fraktion - wenig überraschend - für höhere Grenzwerte bei den neuen Abgastests für Dieselfahrzeuge gewesen. Die Deutsche übte aber nicht nur inhaltlich Kritik an der Entscheidung, die den Autoherstellern nun einen großzügigen Spielraum bei den Grenzwerten lässt. Die Kommission habe in dem Verfahren "hinter verschlossenen Türen" die ursprünglich vereinbarten Grenzwerte "ausgehebelt". Das hätte sich das Parlament nach Ansicht von Harms nicht gefallen lassen sollen.

Beklagtes Verfahren ist jenes der Komitologie. Der Name kommt vom französischen comité, dem Ausschuss. Und genau solche Ausschüsse, besetzt von Experten aus den Mitgliedsstaaten, sind Kritikern ein Dorn im Auge. Dort werden die Details zur Umsetzung eines neuen EU-Gesetzes festgelegt, auf Vorschlag der Kommission. Es werden also Gesetze präzisiert, oft auf sehr technischer Ebene, die zuvor von Rat und Parlament beschlossen wurden.

Aushebeln können Kommission und Experten die ursprünglichen Gesetze damit allerdings nicht automatisch. Vielmehr muss die Kommission ausdrücklich aufgefordert werden, zu gewissen Stellen Detailarbeit zu liefern. Außerdem behält auch das Parlament eine gewisse Kontrolle und kann letztlich Einspruch einlegen. Etwa, wenn durch die Änderungen das eigentliche Ziel des neuen Gesetzes verloren geht. Das hatte im Fall der Abgastests nicht die Mehrheit der Abgeordneten im Parlament so gesehen, weshalb die Sache in Summe ohne Einspruch blieb.

Verfahrenstechnisch ist also alles in geregelten Bahnen gelaufen. Doch wie diese Bahnen verlaufen, bleibt eben über weite Strecken undurchsichtig. Das ist das große Manko an dem Verfahren. Mangelnde Transparenz gibt es vor allem dadurch, dass weder die Protokolle der Sitzungen noch die Entwürfe der Kommission noch das Abstimmungsverhalten der Experten veröffentlicht werden.

Publik ist hingegen, welche Ausschüsse es eigentlich gibt. Das Register der Kommission listet derzeit 327 auf. Im Jahresbericht über deren Tätigkeit war im Jahr 2014 die Rede von 287 aktiven Ausschüssen, die insgesamt 773 Mal getagt haben. 773 Sitzungen, in denen es großteils wohl um technische Details ging.

Der Vorteil des Verfahrens liegt auf der Hand: Rat und Parlament blockieren sich nicht mit Fragen, die von einem Fachgremium wohl ebenso gut gelöst werden. Der Nachteil liegt spätestens seit den Grenzwerten für die Abgastests aber auch auf der Hand: Auch technische Entscheidungen bergen politische Kontroversen. Und die sind in jedem Fall Sache für die Gesetzgeber, nicht für technische Experten.