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Welche Information Ihnen im Wirtshaus zustehen müsste

Speisekarten entwickeln sich zu philosophischen Lesebüchern. Was dabei immer noch auf der Strecke bleibt ist die Transparenz.

Peter Gnaiger

Sitzen Sie auch gerne in der Wirtschaft? Also in der Gastwirtschaft. Dann ist Ihnen vielleicht ein neuer Zeitvertreib vieler Wirte aufgefallen. Die tummeln sich nicht nur gerne auf Facebook und Instagram. Sie googeln auch gerne nach philosophischen Weisheiten, die sie dann auf der Speisekarte ihrem nicht selten zweifelhaften kulinarischen Angebot voranstellen. Ein lieber Kollege machte die Teufelsküche auf ein gutes Beispiel eines von Convenience-Produkten geprägten Lokals aufmerksam. Da wurde glatt der französische Autor und Politiker François de La Rochefoucauld zitiert. Dieser nervte im 17. Jahrhundert zeitlebens nicht nur Kardinal Richelieu, sondern auch ab und an seine Tischgesellschaften, indem er festgestellt hat: "Essen ist ein Bedürfnis - Genießen eine Kunst." Wir würden dieser Weisheit gerne ein Bonmot von Theodor Heuss hinzufügen. Er stellte fest: "Wein saufen ist Sünde, Wein trinken ist beten. Lasset uns beten."

Das sind durchaus lobenswerte Lebenshilfen. Nur drängt sich leider in vielen Fällen der Eindruck auf, dass diese philosophischen Exkurse auf Speisekarten die nicht selten schleierhafte Qualität des Gebotenen behübschen sollen. So ein Zitat kostet ja nichts.

Dabei wäre es für den Gast viel hilfreicher, dass der Wirt auf der Speisekarte die Herkunft seiner Zutaten nennt. Das würde schon mehr kosten. Also der Einkauf von Zutaten, auf den man stolz sein kann. Denn großspurige Zitate ohne qualitativer Unterfütterung sind und bleiben Etikettenschwindel. Die Teufelsküche würde sich nicht selten ernster genommen fühlen, wenn manche Wirte die beiden Autoren Rafael Bettschart und Franz Zwerschina zitieren. Sie veröffentlichten mit "Zum Scheißen reicht's" ein unaufgeregt gutes Kochbuch.

Interessant ist diesbezüglich auch eine Aussage des in München ansässigen italienischen Sternekochs Mario Gamba: "Wer schlechtes Essen auf den Tisch bringt begeht eine Körperverletzung und müsste auch dementsprechend bestraft werden."

Der Physiker Werner Gruber wiederum ist für seine trockene Analysen der Lebenskunst bekannt. Von ihm stammen einleuchtende Genussformeln wie:

"Jedes mal Kochen ein Experiment. Jedes mal Essen eine Messung."

Die Frage, was man zum Leben braucht, beantwortete er so:

"Wasser und Wasser lassen. Essen und Verdauen. Und Reproduktion - also Sex."

Den Genuss interpretiert er in drei Stufen. Auf der ersten sieht er das Krokodil: "Das weiß, wo das Futter ist." Auf der zweiten steht schon der homo neanderthalensis: "Der weiß, wo das gute Futter ist." Und auf der höchsten Stufe sitzt der homo sapiens: "Der weiß, wo es das beste Schnitzel zum besten Preis gibt."