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Wenn die Preise wunderbarer Weine bar jeder Vernunft sind

Der Wachauer Johannes Kitzler dürfte den Wein seines Lebens gemacht haben - dennoch beschloss er, normal zu bleiben.

Peter Gnaiger

Egal zu welchem Zeitpunkt: Aber seit 15 Jahren ist es immer wie Weihnachten, wenn der Winzer Johannes Kitzler aus Rohrendorf anruft. Das ist wie der Speichelreflex beim Pawlow'schen Hund. Soll heißen: Morgen, Kinder, wird's was geben. Weil er dann immer mit seinem Transporter höchstpersönlich ausliefert.

Einmal rief er mich an, als ich mit der "MS Fram" der Hurtigruten vor Uummannaq in Westgrönland lag. Die Grönländer sind übrigens überzeugt, dass der Weihnachtsmann nicht in Finnland, sondern in Uummannaq daheim ist, wo er Juulimaaq genannt wird. Aber ich schweife ab. Johannes meinte, er könne am nächsten Tag liefern, weil er in der Gegend sei. Das wäre schön gewesen. Immerhin ist er jetzt der einzige Winzer weit und breit, der eine Bestellung oberhalb des Polarkreises erhielt.

Am Dienstag hat sich Johannes wieder gemeldet. Er war außer sich vor Freude. Dieses Jahr ist ihm offenbar der Wein seines Lebens gelungen. Eine Riesling-Trockenbeerenauslese (TBA) seiner besten Lage. Sie werden sich jetzt fragen, wie kann man das jetzt schon wissen? Die Antwort: KMW. Die Abkürzung steht nicht nur für Klosterneuburger Mostwaage - sie ist auch Messeinheit. So wie die PS beim Auto. Eine Trockenbeerenauslese muss 30 KMW haben, um als solche klassifiziert werden zu können. Die von Johannes hat 44,5 KMW. Ein Spitzenwert, der so selten ist wie ein 100-Meter-Sprint unter zehn Sekunden bei Olympia.

Er sagte, dieses Jahr habe im Weingarten alles gepasst. Vor allem seine Leser seien super gewesen. "Das sind die SN-Leser auch", habe ich geantwortet. Aber seine Leser hätten jede Traube einzeln händisch sortiert, forderte er mich heraus. Ich wollte entgegnen, dass die Mehrzahl unserer Leser auch noch händisch umblättern und nicht wischen, ließ das Geplänkel aber sein. Dann fragte ich, wann dieser Wein zum Kosten ist - und was er kosten wird.

Mehr, als dass er im zweistelligen Bereich bleiben werde, rückte er nicht raus. Wie? Sie glauben, das könnte teuer werden. Na ja. Eher nein. Hier ist von einem KMW-Wert die Rede, mit dem man eine 0,375-Liter-Flasche Scharzhofberger Riesling-TBA (2010) von Egon Müller aus dem Saartal um - bitte was?! - 8924 Euro kaufen kann. Das ist ein Literpreis von 23.797,33 Euro. Dieser Wein ist wunderbar - aber der Preis ist bar jeder Vernunft. Dabei ist er gegen den heuer auf den Markt gekommenen Roten von der Domaine Leroy Musigny Grand Cru sogar noch ein Lercherl: Da kostet die Flasche 45.929 Euro. Sie glauben, dass die Welt verrückt geworden ist? Sicher. Johannes Kitzler hält es gottlob mit Uwe Seeler, der sagte: "Das Schönste auf der Welt ist es, normal zu sein." Wenn ich in der Gegend von Johannes bin, muss ich ihn besuchen ... rein zufällig.