SN.AT / Leben

Die Bühne im Griff

Damit eine Festspielproduktion ein Erfolg wird, braucht es nicht nur Schauspieler, Sängerinnen, Regisseure und Dirigentinnen. Allein im Sommer sind 400 Techniker auf bis zu 14 Spielstätten im Einsatz. Welche Herausforderungen warten, schildert der Technische Direktor Andreas Zechner.

„Aida“ 2017 im Bühnenbild von Christian Schmidt im Großen Festspielhaus war eine besondere Herausforderung für das Technikteam.
„Aida“ 2017 im Bühnenbild von Christian Schmidt im Großen Festspielhaus war eine besondere Herausforderung für das Technikteam.

Die Technik der Salzburger Festspiele genießt in der Theaterbranche den allerbesten Ruf, weil sie für eine sehr hohe Qualität in der Herstellung der Dekorationen in den eigenen Werkstätten der Tischler, Schlosser, Tapezierer, Maler und Bildhauer steht. Die veranstaltungstechnischen Abteilungen - Bühnentechnik, Beleuchtung und Video, Ton, Requisite, Mechatronik und Elektrotechnik - sind für ihre große Kompetenz und Leistungen bekannt. Erst die Bereitschaft, Außergewöhnliches und Besonderes möglich zu machen, schafft die Voraussetzung für die herausragenden Bühnenbilder auf allen Bühnen. "Zuschauende unterschätzen sicher oft den großen technischen Aufwand unserer Produktionen. Aber auch wir Techniker sind im sportlichen Eifer nicht immer ganz frei davon", erzählt der Technische Direktor Andreas Zechner. Ausgerechnet bei der Eröffnungspremiere der Intendanz Hinterhäuser, der "Aida" 2017, gestaltete der Bühnenbildner Christian Schmidt zwei sehr schlicht wirkende Kuben auf einer 19 Meter großen Drehbühne. Nach der technischen Planung und Umsetzung der immensen Bauteile wogen die je 10 x 7 x 8 Meter großen Kuben mit Tribünen darin je 14 Tonnen, die Drehscheibe, ein Sonderbau für diese Produktion, etwa 15 Tonnen. Die Drehscheibe wurde mit hydraulischen Aggregaten angetrieben und die Kuben in Umbauten bei geschlossenem Hauptvorhang mit Menschenkraft auf verschiedene Positionen auf der Drehscheibe bewegt.

Eine Herausforderung mit Lösungsansatz

"Wir wollten für die ,Aida' eine perfekte Drehscheibe ganz ohne Rollgeräusch realisieren und haben uns für eine sehr weiche Materialmischung für die 320 Rollen unter der Drehscheibe entschieden. Dabei haben wir die großen Lasten des Bühnenbilds mit gleichzeitig 150 Menschen darauf erheblich unterschätzt", erzählt Zechner. Die Rollen gaben unter der Belastung etwas nach, der Rollwiderstand erhöhte sich dadurch drastisch und machte einen einwandfreien Betrieb der Drehscheibe fast unmöglich. "Glücklicherweise können die Festspiele und ich auf ein großartiges Technikteam zählen, das innerhalb kurzer Zeit Lösungen findet und umsetzt. Darin sind wir richtig gut!" Die Mechatronik-Abteilung hat die Zahl der Antriebe der Drehscheibe vervielfacht und die technische Mannschaft hat die Rollen innerhalb weniger Tage getauscht. "Beim Bau dieser imposanten Prototypen an Bühnenbildern kann so ein Zwischenfall schon mal passieren, er muss aber die Ausnahme bleiben", sagt Zechner.

Der entscheidende Meilenstein: Die Bauprobe und ihre Bedeutung

Der technische Ablauf und die konkrete technische Vorbereitung einer szenischen Produktion erstrecken sich über etwa ein Jahr. Da präsentiert das kreative Team das Konzept und die szenischen Abläufe anhand eines Modells und mit Visualisierungen im Rahmen einer sogenannten Bauprobe - ein wichtiger Kick-off-Termin bei der Entstehung der Produktion. Dabei werden die wesentlichen Dimensionen des Bühnenbilds mit einfachen Mitteln wie großen Tüchern oder auch vorhandenen Wänden auf der Bühne simuliert. In der Diskussion mit dem kreativen Team werden wesentliche Fragen aller technischen Anforderungen wie Funktionalitäten, ästhetische Themen wie Materialien und Oberflächen und nicht zuletzt Einflüsse des Bühnenbilds auf Akustik und Sichtlinien für Zuschauer geklärt. "Ich mag die Bauproben sehr. Wir treffen, verabreden und vertrauen uns." Zechner unterstreicht dabei sein Rollenverständnis eines "guten Gastgebers", der auch Fragen der Machbarkeit innerhalb zur Verfügung stehender Ressourcen und Regelungen mit den Teams aufrichtig zu klären versucht. Dabei geht es um finanzielle, personelle, logistische wie rechtliche Rahmenbedingungen.

Kreative Visionen und technische Realität finden nicht immer zwangsläufig zueinander

Dass nicht alles machbar ist, erläutert Zechner anhand der Inszenierung der "Salome" 2018 in der Felsenreitschule. "Wir durften erstmalig mit Romeo Castellucci als Regisseur und Bühnenbildner zusammenarbeiten, haben Romeo die 40 Meter breite, 15 Meter tiefe und bis zu 20 Meter hohe Bühne gezeigt und ihm von der Geschichte des Orts als Steinbruch und offener Reitplatz erzählt. Er war begeistert und hat im Wissen um die Historie seinen ersten fantastischen Entwurf entwickelt. Das Bühnenbild hätte den gesamten Bühnenraum mit drei je 6 Meter hohen, 40 Meter breiten übereinander angeordneten Terrassen eines Marmorsteinbruchs mit zwei Schaufelbaggern gefüllt", erzählt Zechner. "In der Felsenreitschule zeigen wir unsere Produktionen im Repertoire. Diese werden abwechselnd gespielt, das heißt, wir müssen die Dekorationen täglich auf- und abbauen und über einen nur 2,5 Meter hohen Tunnel zum Toscaninihof transportieren. Castellucci hat sofort verstanden, dass geschätzte 100 Tonnen Material nicht täglich bewegt werden können." Binnen weniger Wochen hat er einen neuen überzeugenden und machbaren Bühnenentwurf gestaltet.

„Salome“ 2018, Felsenreitschule. Das Bühnenbild stammte von Romeo Castellucci.
„Salome“ 2018, Felsenreitschule. Das Bühnenbild stammte von Romeo Castellucci.

Etwa drei Wochen nach der Bauprobe liefert der Bühnenbildner die technische Entwurfsplanung ab. "Auf Basis dieser Planung erstellen die ausstattungstechnischen Produktionsleiter und Planer alle technischen Pläne in 3D", erzählt Zechner. "Wir haben in den vergangenen 30 Jahren den Umstieg vom Reißbrett zur digitalen 3D-Planung geschafft. Die Planungs- und Herstellungsgenauigkeit haben sich deutlich gesteigert, aber wir wollen noch besser werden." Diese Pläne sind die Aufträge für die jeweiligen Abteilungen der Dekorationswerkstätten.

"Glücklicherweise haben wir alle Gewerke im Haus: Tischler, Schlosser, Maler, Bildhauer, Tapezierer, Elektrotechniker und Mechatroniker. Und die Kollegen sind aus ganz besonderem Holz geschnitzt und Meister ihres Fachs", spricht Zechner auffallend wertschätzend von den 90 ganzjährig Beschäftigten im technischen Bereich. "Wir beschäftigen sehr gute Handwerker bei den Festspielen und tun alles dafür, dass wir auch künftig Mitarbeitende finden, die Freude daran haben, sich für die vielfältige, abwechslungsreiche und besondere Arbeit im Theater begeistern zu lassen." Für Zechner steht die fachliche Kenntnis des Handwerks an erster Stelle: "Die Begeisterung fürs Theater wächst mit der Beschäftigung damit."

Nach der Herstellung der Einzelbauteile der Dekorationen werden diese auf den unterschiedlichen Bühnen der Salzburger Festspiele zusammengebaut. Für Zechner sind die immense Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Bühnen sowohl Herausforderung als auch eines der außergewöhnlichen Qualitätsmerkmale.

Ein eingespieltes Team und intensive Proben: Der Countdown zur Premiere

Mit dem Näherkommen der Sommermonate Juli und August erweitert sich das technische Team auf mehr als 400 Personen. Dankbar beschreibt Zechner die Bereitschaft einer großen Zahl an Kolleginnen und Kollegen, die jährlich wiederkehrend engagiert werden: "Wir wollen ihnen gute Motive geben, warum sie anstatt eines Sommerurlaubs zu uns zum Arbeiten kommen." Die Saisonniers sind eine bunte Mischung aus Fachleuten anderer Theater, freiberuflichen Veranstaltungstechnikern, Handwerkern aller Gewerke und auch studentischen Aushilfskräften. "Markus Hinterhäuser hat den Begriff des ,Epizentrums des Besonderen' für die Festspiele geprägt. Das ist auch eine perfekte Beschreibung des technischen Teams."

Etwa acht Wochen vor der Premiere starten die szenischen Proben auf den Probebühnen. Dazu werden Hallen der Bauakademie in der Moosstraße und der Messe genutzt. Ab Anfang Juli beginnen die Proben auf den Bühnen im Festspielbezirk. In den ersten drei Wochen werden sie mit Klavier begleitet, danach von den Orchestern. "Die szenischen Proben sind für die Künstlerinnen und Künstler und nicht weniger für die Technik wichtig. Wir alle studieren gemeinsam den Ablauf einer Produktion ein."

Der Technische Direktor der Salzburger Festspiele, Andreas Zechner, auf „seiner“ Bühne.
Der Technische Direktor der Salzburger Festspiele, Andreas Zechner, auf „seiner“ Bühne.

Schließlich kommt es zu den Hauptproben, bei Oper zuerst mit Klavier, bei der zweiten Hauptprobe mit Orchester. Dabei werden alle Gewerke, auch Kostüm und Maske, eingebunden und die Produktion von Beginn bis Ende durchgearbeitet. "Klavierhauptproben zählen manchmal zum Härtesten, was Theater zu bieten hat. Eine Klavierhauptprobe wird zeitlich mit doppelter Stücklänge disponiert und macht sicht- und hörbar, was man geschaffen, inszeniert und organisiert hat - oder wo noch verbessert und nachgearbeitet werden muss." Nach der Orchesterhauptprobe folgen die öffentliche Generalprobe und die Premiere. Die Abläufe sind beim Schauspiel ähnlich wie bei der Oper.

Spezialfall "Jedermann"

Eine der Bühnen der Festspiele und eine Produktion des Schauspiels sind weltweit einzigartig: der "Jedermann" auf dem Domplatz. Dafür werden zwei Bühnenbilder für den Domplatz und das Große Festspielhaus hergestellt. Bei Vorstellungen um 17 oder 21 Uhr werden die Bühnenbilder auf beiden Bühnen zeitgerecht technisch aufgebaut. Das Direktorium der Festspiele entscheidet spätestens drei Stunden vor Vorstellungsbeginn den Ort. "Wir wollen den ,Jedermann', wann immer möglich, auf dem Domplatz anbieten und nehmen auch manchmal Risiko in der Entscheidung." Es komme selten, aber doch vor, dass es bei einer Entscheidung für den Domplatz bei unerwartetem Regen zu einem Umzug während der Vorstellung kommt. Dann wandern 2400 Zuschauer, Mitwirkende und Mitarbeitende vom Domplatz ins Festspielhaus. Nach etwa 40 Minuten wird die Vorstellung im Großen Festspielhaus fortgesetzt.

"Bei dauerhaften Schön- oder Schlechtwetter-Perioden ersparen wir uns auch schon mal den Aufbau drinnen oder draußen." Zechner erinnert sich an seine erste derartige Situation, als er die Zustimmung zum Nicht-Aufbau im Festspielhaus bei der damaligen Präsidentin Helga Rabl-Stadler erwirken konnte: "Wenn Sie 100 Mitarbeiter auf einen Schlag glücklich machen wollen, dann kommen Sie bitte zur Bühne und sagen den Kollegen, dass wir im Großen Festspielhaus nicht aufbauen. Frau Rabl-Stadler war sofort dabei!"

Gefragt nach besonderen Herausforderungen bei szenischen Produktionen nennt Zechner die technisch besonders umfangreichen Produktionen der Regisseure Romeo Castellucci, Simon Stone, Barrie Kosky, Martin Kušej, Ulrich Rasche oder Krzysztof Warlikowski. "Bei ,Herzog Blaubarts Burg' in der Felsenreitschule wurden 17 große Feuereffekte in einer 10.000 Liter fassenden Wasserfläche entzündet. Bei der Wiederaufnahme des ,Don Giovanni' im Sommer 2024 werden wir den von Romeo Castellucci eindrücklich gestalteten Bühnenraum, viele technische Effekte und vor allem die in der Festspielgeschichte größte Menge an Requisiten erneut sehen. 420 menschengroße, speziell gefertigte Puppen wurden für ,Káta Kabanová' in der Regie von Barrie Kosky gefertigt und mit nicht sichtbaren Wagen auf verschiedene Positionen gebracht. Martin Kušej hat ,Le Nozze di Figaro' in einer großen Bilderfolge erzählt und alle räumlichen und technischen Möglichkeiten des Haus für Mozart genutzt. Bei Simon Stones ,Lear' haben wir für jede Vorstellung 2500 speziell gezogene Topfblumen für ein wunderbares Eröffnungsbild verwendet. Und wo Ulrich Rasche draufsteht, ist viel Technik drinnen. Die technischen Herausforderungen bei ,Die Perser' und ,Nathan der Weise' konnte die Technik in bester Weise meistern."

„Don Giovanni“ 2021 im Festspielhaus. Im Bühnenbild von Romeo Castellucci spielten auch zwölf Tonnen an Requisiten mit.
„Don Giovanni“ 2021 im Festspielhaus. Im Bühnenbild von Romeo Castellucci spielten auch zwölf Tonnen an Requisiten mit.

Andreas Zechner und sein Team sind als eine der wenigen Abteilungen der Festspiele auch für die Vorbereitung und Durchführung aller Gastveranstaltungen im Festspielbezirk zuständig und ein zentrales Scharnier in der Zusammenarbeit mit Salzburger Kulturinstitutionen wie den Osterfestspielen, der Mozartwoche, dem Salzburger Landestheater, der Kulturvereinigung und dem Adventsingen.

Andreas Zechner selbst hat 1991 erstmalig bei den Salzburger Festspielen als studentische Aushilfskraft gearbeitet und seine Leidenschaft fürs Theater und die Zusammenarbeit in diesem Konglomerat von Kunst und Technik entdeckt. Als musikaffiner Techniker ist er prädestiniert für die Verantwortung und Aufgaben des Technischen Direktors der Salzburger Festspiele, denen er mit einer Mischung aus Bescheidenheit, Entschlossenheit, Enthusiasmus und Professionalität begegnet.

BÜHNENDIMENSIONEN
Großes Festspielhaus
Bühnenbreite: 100 Meter
Bühnentiefe: 25 Meter
Portalbreite: 30 Meter
Portalhöhe: 9 Meter
Fünf Hubpodien à 18 x 3 Meter; Tragfähigkeit jeweils 20 Tonnen
Schnürboden: 155 Zugeinrichtungen mit einer Tragkraft von jeweils 500 kg, ein Drittel davon hydraulisch angetrieben und elektronisch steuerbar
Beleuchtung: 825 regelbare Stromkreise mit einer Leistung von je mindestens 5000 Watt; digitales Lichtsteuerpult; 2000 Scheinwerfer im Gerätepark
Elektroakustik: Tonregiepult mit bis zu 192 Eingängen, 20 Summenausgängen und 4 Hilfsausgängen

Haus für Mozart
Bühnenbreite: 24 Meter
Bühnentiefe: 24 Meter
Portalbreite: 12 Meter
Portalhöhe: 9 Meter

Felsenreitschule
kein Portal vorhanden
Bühnenbreite: 40 Meter
Bühnentiefe: trapezförmig, circa 9 bis 15 Meter
Portalbreite: nicht vorhanden
Portalhöhe: nicht vorhanden