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Das Risiko wächst mit der Prostata

Das Prostatakarzinom ist die häufigste Krebserkrankung bei Männern. Wird es im Frühstadium erkannt, liegen die Heilungschancen bei 96 Prozent, sagt Lukas Lusuardi vom Uniklinikum Salzburg.

Die Prostata ist eine Drüse, die direkt unterhalb der Harnblase sitzt und in der sich ständig Zellen vermehren.
Die Prostata ist eine Drüse, die direkt unterhalb der Harnblase sitzt und in der sich ständig Zellen vermehren.

Seit Jahren wird häufiger ein Prostatakarzinom bei Männern diagnostiziert als ein Brustkrebs bei Frauen. 6000 Österreicher sind jährlich betroffen, Tendenz weiter steigend. Während die Mehrheit der Frauen auch ohne Symptome regelmäßig zur Mammografie geht, nimmt allerdings bisher nur eine Minderheit der Männer das Angebot der Prostatavorsorge an. Warum das so ist und was regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen ändern könnten, erklärt Lukas Lusuardi, Primar am Salzburger Universitätsklinikum für Urologie und Andrologie, im Interview mit den "Salzburger Nachrichten".

Wie viele Männer gehen zur Vorsorgeuntersuchung? Konkrete Zahlen kenne ich nur aus Deutschland. Da spricht man von weniger als 20 Prozent - ohne gezielte Kampagnen. Das ist weit unter der Quote bei Frauen, die bei rund 50 Prozent liegt.

Warum sind Männer da anders als Frauen? Wir Männer sind eher Vorsorgemuffel. Jede Frau weiß schon von der Pubertät an, dass sie ein Leben lang zum Frauenarzt gehen muss. Ein Mann versteht nicht, warum er mit 45 plötzlich regelmäßig zum Urologen soll.

Warum ist die Prostata so anfällig? Die Prostata ist leider ein Organ, in dem sich die Zellen ständig vermehren. Unser Körper verliert täglich Tausende Neuronen, zum Beispiel im Gehirn. In der Prostata ist das genau umgekehrt, sie wächst ständig. Dadurch kann es bei bestimmten genetischen Voraussetzungen zu ungünstigen Veränderungen kommen.

Frauen ab 45 erhalten alle zwei Jahre eine Einladung zur Mammografie. Wäre das auch bei Männern zielführend? Das wäre sinnvoll, ist aber eine Frage des Geldes. Man glaubt, dass das sehr teuer ist. In Wahrheit ist jede Krebserkrankung, die wir nicht früh genug diagnostizieren und somit auch nicht heilen können, wesentlich teurer.

Im Rahmen der Prostatavorsorge wird der PSA-Wert erhoben. Was sagt er aus? Das prostataspezifische Antigen (PSA) sagt aus, wie stark die Drüse wuchert. Bis zu einem gewissen Grad ist der Anstieg im Laufe der Jahre ganz normal, weil die Prostata immer größer wird. Wenn darin auch ein Tumor wächst, steigt der Wert allerdings deutlicher an, weil auch von der Krebszelle Protein produziert wird. Wird der PSA-Wert regelmäßig erhoben, lässt sich ein Prostatakarzinom im Frühstadium mit großer Sicherheit erkennen.

Ist die Wucherung der Prostata immer bösartig? Nein. Weit häufiger ist die gutartige Prostatavergrößerung. Das Volumen der Prostata steigt ja ab der Pubertät beständig an. Sie ummantelt die Harnröhre und kann nach außen oder innen wachsen. Wächst sie hinein, drückt sie auf die Harnröhre. Das heißt, ab 70 Jahren haben bereits 70 Prozent der Männer Probleme beim Wasserlassen.

Wann sollte man zur Prostata-Vorsorgeuntersuchung gehen? Wenn in der Familie - also bei Bruder, Vater oder Onkel - bereits ein Prostatakarzinom aufgetreten ist, ab 45, sonst ab 50 Jahren.

Viele Männer gehen erst zum Arzt, wenn was wehtut. Was heißt das im Falle eines Prostatakarzinoms? Das ist das Schlechteste, was man machen kann. Schmerzen treten erst auf, wenn der Tumor streut und womöglich die Knochen befällt. Dann lässt sich die Krankheit nicht mehr heilen. Man kann nur noch versuchen, sie in Schach zu halten.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es? In der Phase, in welcher der Tumor noch in der Prostata sitzt, kann man den Patienten mit sehr großer Wahrscheinlichkeit heilen. Es gibt zwei Möglichkeiten: Operation oder Bestrahlung. Bei der Bestrahlung müssen die Strahlendosen in vielen Etappen das betroffene Gewebe abtöten. Bei der Operation wird das in einem erledigt. Dafür wird heute hauptsächlich Knopflochchirurgie eingesetzt, unterstützt durch einen Da-Vinci-Roboter.

Ist bei der Behandlung eines Prostatakarzinoms immer mit Inkontinenz und Impotenz zu rechnen? Ja. Sowohl die Chirurgie als auch die Bestrahlung haben dieselben Nebenwirkungen. Und die betreffen sowohl die Kontinenz als auch die Potenz. Der einzige Unterschied ist, dass man nach einer Operation keinen PSA-Wert mehr hat, nach der Bestrahlung schon.

Wann muss behandelt werden? Wenn der Tumor nicht dazu neigt, größer und aggressiver zu werden, kann er auch aktiv überwacht werden. Das ist bei besonders kleinen, nicht aggressiven Tumoren und bei älteren Patienten der Fall. Dabei reichen mehrmals pro Jahr ein PSA-Wert, eine Magnetresonanz und eine Biopsie.

Wie schauen die Überlebenschancen mit einem Prostatakarzinom aus? Ein früh diagnostizierter Krebs in der Prostata kann zu 96 Prozent geheilt werden. Bei Metastasen reden wir nun von mehreren Jahren, die dem Patienten bleiben.

Wie entwickeln sich die Zahlen bei den Patienten? Wir stehen bei jährlich über 6000 Neuerkrankungen. Ich sehe keinen Rückgang, weil auch die Lebenserwartung zunimmt. Je älter, desto wahrscheinlicher ist ein Prostatakarzinom, bei einem 90-Jährigen besteht ein 90-prozentiges Risiko. Aber das hat in diesem Alter natürlich viel weniger Auswirkungen als mit 50 Jahren.