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Schutz vor Demenz: So stärken Sie Ihr Gedächtnis laut Expertin

Demenzielle Erkrankungen wie Alzheimer machen Angst, weil sie unser Denken und Erinnerungsvermögen angreifen. Doch es gibt Wege, sich zu schützen und vorzubeugen.

150.000 Menschen in Österreich sind von einer demenziellen Erkrankung betroffen.
150.000 Menschen in Österreich sind von einer demenziellen Erkrankung betroffen.

Erst sind es scheinbar harmlose Hinweise, die schon einmal vorkommen können: Vergessen, wo man den Schlüssel noch einmal hingelegt hat. Was man gerade machen wollte. Welche Zutaten im Supermarkt einzukaufen waren. Häufen sich solche Fälle, steht ein Verdacht im Raum: Könnte es Demenz sein? 150.000 Österreicherinnen und Österreicher, die meisten im Alter von 60 plus, sind von einer demenziellen Erkrankung betroffen. Die Neurologin Elisabeth Stögmann von der Medizinischen Universität Wien, die die Arbeitsgruppe für Gedächtnisstörungen und Demenzerkrankungen leitet, berichtet über die Krankheiten des Vergessens.

Welche unterschiedlichen Formen von Demenzerkrankungen gibt es? Elisabeth Stögmann: Demenz ist der Überbegriff für eine Gruppe von Erkrankungen, mit denen kognitive Einschränkungen einhergehen. In 60 bis 70 Prozent der Fälle handelt es sich dabei um Alzheimer, seltener sind die vaskuläre Demenz aufgrund von Durchblutungsstörungen sowie Mischungen aus beidem, die Lewy-Body-Demenz und die frontotemporale Demenz.

Wie äußern sich diese Erkrankungen jeweils? Beim Alzheimer ist das typische Symptom der Vergesslichkeit bezogen auf kurz zurückliegende Ereignisse. Es können quasi keine neuen Informationen mehr gespeichert werden, diese werden in der Folge rasch wieder verloren. Typischerweise werden Termine vergessen und Lebensmittel und Dinge, die man einkaufen wollte, es wird viel verloren und gesucht. Seltener kann es bei der Alzheimererkrankung auch zu Störungen in der Sprache sowie der Sehwahrnehmung kommen. Depressionen, Ängste, ein sozialer Rückzug und damit einhergehend eine Veränderung der Persönlichkeit können im späteren Verlauf folgen. Dann werden mit der Zeit auch ältere Informationen vergessen, die vor der Erkrankung abgespeichert wurden. Bei einer frontotemporalen Demenz steht zu Beginn typischerweise eine Persönlichkeitsveränderung im Vordergrund, die betroffene Person wirkt vielleicht enthemmter, empathie- oder auch antriebsloser. Vaskuläre Demenzen treten bei vaskulären Problemen wie beispielsweise einem Schlaganfall auf und zeigen sich durch neurologische Symptome wie beispielsweise eine Lähmung und eine Antriebsstörung. Die Lewy-Body-Demenz ist verwandt mit der Parkinsonerkrankung und geht mit ähnlichen Symptomen wie diese einher.

Das Training der grauen Zellen ist eine gute Prävention vor demenziellen Erkrankungen.
Das Training der grauen Zellen ist eine gute Prävention vor demenziellen Erkrankungen.

Was lässt sich - in jungen Jahren wie auch später - tun, um das Demenzrisiko zu senken? Dazu gab es erst kürzlich ein neues Update zum Thema Hirngesundheit, Stichwort "brain health", mit bis dato bekannten sowie einigen erst jetzt erkannten Risikofaktoren. Um Alzheimer vorzubeugen, spielen die Bildung und die kognitive Aktivität eine große Rolle. Je größer das neuronale Netzwerk im Gehirn durch erlernte Inhalte, desto besser wirkt das präventiv. Es sollten zudem bereits in jungen Jahren Schädelhirntraumen vermieden werden, so beispielsweise sollte dieses Risiko bei bestimmten Sportarten wie Boxen und anderen Kontaktsportarten bedacht werden. Weiters gelten für alle Demenzen dieselben Risikofaktoren wie für andere vaskuläre Erkrankungen: Bluthochdruck, Übergewicht, Diabetes, ein hoher Cholesterinspiegel, Alkohol und Rauchen. Weitere Risikofaktoren sind Hör- und Sehminderungen, die einen Menschen vermehrt zum sozialen Rückzug veranlassen und bewirken können, dass die Netzwerke im Gehirn nicht mehr ausreichend aktiviert werden. Auch Einsamkeit und Depressionen werden immer wieder als Risikofaktoren für Demenzen genannt. Positiv wirken sich neben der Vermeidung der genannten Risikofaktoren regelmäßige Bewegung und eine gesunde Ernährung mit viel Obst und Gemüse, maximal einem Ei pro Woche, vielen Vollkornprodukten, wenig Zucker und wenig Fleisch aus. Auch die kognitive Aktivierung spielt eine große Rolle, diese kann damit einhergehen, eine neue Sprache, ein Instrument zu erlernen oder sich anderweitig weiterzubilden und zu lesen. Diese positiven Lebensstilfaktoren zeigen sich als besonders günstig, wenn sie bereits in jungen Jahren gelebt werden.

Was passiert im Körper bei einer demenziellen Erkrankung wie Alzheimer? Bei Alzheimer, der Lewy-Body-Demenz und der frontotemporalen Demenz kommt es zur Ablagerung von Eiweißen im Gehirn, die zu einer Schädigung der Nervenzellen und Nervenzellverbindungen führen, die dann schließlich zugrunde gehen. Warum sie dort abgelagert werden und weshalb sie derartige Schäden verursachen, verstehen wir nur zum Teil.

Was lässt sich unternehmen, wenn bereits eine demenzielle Erkrankung vorliegt? Zunächst einmal bedarf es einer ordentlichen Diagnose beim Spezialisten, sprich bei einem Facharzt oder einer Fachärztin für Psychiatrie oder Neurologie. Dort werden eine lange Anamnese, kognitive Tests, eine Magnetresonanztomografie des Kopfes und eventuell auch weitere Spezialuntersuchungen durchgeführt, um zu beurteilen, ob eine demenzielle Erkrankung vorliegt. Im Anschluss erfolgt ein ausführliches Aufklärungsgespräch. Bei Alzheimer gibt es seit den 2000er-Jahren eingesetzte Substanzgruppen, die als Tablette oder Pflaster verabreicht werden und dem Körper Botenstoffe zurückgeben, die die Kommunikation der Nervenzellen untereinander unterstützen. Ganz neu erwarten wir nun in Europa die Zulassung einer krankheitsmodifizierenden Therapie gegen Alzheimer. Diese soll die abgelagerten Eiweiße aus dem Gehirn abräumen und damit die Ursache für Alzheimer bekämpfen. Wir hoffen, dass wir diesen Wirkstoff, der mittels Infusionen verabreicht wird, schon in den nächsten Monaten bei einer kleinen Gruppe von Betroffenen anwenden können. Eine kleine Gruppe ist es deswegen, weil der Wirkstoff bis dato nur bei frühen Stadien mit exakter Diagnose einer Alzheimererkrankung eingesetzt werden kann und Nebenwirkungen mit den Infusionen einhergehen, die streng beachtet werden müssen. Bei der vaskulären, der Lewy-Body- und der frontotemporalen Demenz können aktuell nur einige Symptome, so beispielsweise mit der Erkrankung einhergehende Verhaltensstörungen, nicht aber die Ursache behandelt werden. Günstig wirken sich bei allen Demenzformen auch nicht medikamentöse Verfahren aus, so wie kognitives Training, Ergotherapie und, im Falle von Sprachproblemen, Logopädie. Ein wichtiger Gesichtspunkt ist ein möglichst aktives und soziales Leben.