SN.AT / Leben

Kaffee aus dem Teebeutel

Ein US-Amerikaner röstet seine Bohnen in der Steiermark mit Luft. Ein Gespräch über Geschmack, Wissen und große Experimentierlust.

Josiah Tiner hat die Methode des Luftröstens entwickelt. Mit „Latte Art“ verziert Josiah Tiner die Milchschaumoberfläche seiner Getränke.
Josiah Tiner hat die Methode des Luftröstens entwickelt. Mit „Latte Art“ verziert Josiah Tiner die Milchschaumoberfläche seiner Getränke.

Ein doppelter Espresso, Sorte Roma, steht vor Josiah Tiner, als die "Salzburger Nachrichten" ihn zum Interview bitten. In seinen eigenen Kaffee, Marke "Jamila Coffee", kommt ein Schuss Wasser, niemals Milch oder Zucker. Seit beinahe 20 Jahren ist Tiner, ein gebürtiger US-Amerikaner, in der Kaffeebranche tätig - eine Leidenschaft, die ihn von der Arbeit in Kaffeehäusern und im Vertrieb bis hin zur Entwicklung eigener Rösttechnologien geführt hat. Sein Weg begann früh: Bereits mit sechs Jahren entdeckte er seine Liebe zum Kaffee, mit 17 arbeitete er als Barista in einem Café. Heute führt er sein eigenes Kaffeehaus. 500 bis 600 Gäste kommen pro Tag zu ihm, bestellen Cappuccino, Verlängerten oder Ausgefallenes wie einen Chai-Caffè-Latte mit Hafermilch. "Bei solchen Kreationen dauert es fast schon länger, die Bestellung aufzugeben, als den Kaffee zu machen", sagt der Experte und lacht.

Rösten mit der Luft

Nach einer Ausbildung zum Meisterröster in den USA gründete Tiner 2012 sein Unternehmen und importierte seine erste Röstanlage. Doch eine gewöhnliche Maschine reichte ihm nicht, er tüftelte an einer eigenen Methode: dem Luftrösten. Inspiriert von seinem Meisterröster in Kalifornien, entwickelte er eine neue Technologie und wurde zum einzigen Kaffeeröster Europas, der diese Art perfektioniert hat. Ganze fünf Jahre lang optimierte er seine Maschine, bis sie das gewünschte Ergebnis lieferte. Heute verfügt er über zwei selbst entwickelte Röstanlagen, die gemeinsam eine Kapazität von bis zu 60 Tonnen pro Monat erreichen.

Seiner Liebe zum Rösten und zur Technologie ist seine neueste Erfindung zu verdanken. Josiah Tiner bietet seinen "Jamila Coffee" in Teebeuteln an. Wie es dazu kam? "Eines Tages wollte ich zu Hause einen Kaffee trinken. Ein Espresso war mir da gerade zu stark, ein Kaffee aus der French Press zu aufwendig. Da habe ich darüber nachgedacht, wie praktisch ein Filterkaffee wäre, den ich nur mit einem Sackerl ins heiße Wasser geben muss. Und diesen Gedanken habe ich dann weitergesponnen."

"Ein perfekter Kaffee muss eine kleine Erinnerung setzen."
Josiah Tiner
Kaffeeröster

Warum noch niemand vor ihm mit dieser Idee im großen Stil auf den Markt gekommen ist, erklärt der Wahlsteirer ganz einfach: "Beim klassischen Kaffeerösten im Trommelröster entstehen Partikel von der Schale, die sich nicht zu 100 Prozent entfernen lassen. Eine Kaffeebohne saugt ihre Umgebung auf wie ein Schwamm und so kann das Ergebnis im Teebeutel ganz schnell bitter werden. Je länger dieser Kaffee zieht, desto mehr Bitterstoffe landen in der Tasse." Nicht so bei Tiners Luftröstmethode. Mit seinem Verfahren ist die Bitterkeit kein Thema, die Bohnen können also lange ziehen, nämlich zwischen sechs und zehn Minuten. Eine weitere technische Hürde galt es zu bewältigen: In ein klassisches Teesackerl kommen ein bis zwei Gramm Tee, in einen Kaffeebeutel gehören sieben oder acht Gramm Kaffee. Dafür hat Tiner eine Teeverpackungsanlage erworben, die er weiterentwickelt hat, um Kaffee mit verschiedenen Geschmacksrichtungen in Beutelform anzubieten.

USA, Salzburg, Steiermark

Doch was hat den Kalifornier in die Steiermark verschlagen? "Die Liebe", lautet die flotte Antwort. Als er in Leoben auf Urlaub war, hat er sich verliebt, verlobt und dann auch verheiratet. Der ursprüngliche Plan des Paares war, dass beide in den USA Kaffee rösten. Da dann doch alles anders kam, wird jetzt in Spielberg dem schwarzen Gold der beste Geschmack entlockt. Einen gewissen Salzburg-Bezug hat Josiah Tiner auch, denn als Kind hat er einige Jahre in Großgmain verbracht, wo seine Familie ein kleines Wirtshaus betrieben hat. "So fühle ich mich in Salzburg etwas daheim", sagt er.

Neben Experimenten, Innovationen und der Produktion betreibt Tiner ein Café mit eigener Schaurösterei in der Triester Straße in Spielberg, in der er Führungen anbietet. Seine Leidenschaft für Kaffee gibt er in seiner eigenen Coffee School weiter, wo jährlich bis zu 150 Schülerinnen und Schüler zu Baristas ausgebildet werden.

Emotionen in der Tasse

Die beliebtesten "Jamila Coffee"-Sorten seien "Brazilian Gold" und "Roma", berichtet der Kaffee-Experte. Erstere ist ideal für alles, was mit Milch zu tun hat, Cappuccino oder Caffè Latte etwa. Immerhin ist Tiner Künstler und zaubert mit "Latte Art" Muster in die Tasse. Zweitere ist fein für jene Leute, die ihren Kaffee gern schwarz trinken, als Espresso oder Verlängerten etwa. "Ein perfekter Kaffee muss etwas in mir ansprechen und eine kleine Erinnerung setzen. In etwa so, wie wenn man an einer Bäckerei vorbeigeht und aufschaut, weil der Duft aus der Backstube ganz stark an Omas Kuchen erinnert." Kaffee muss für ihn schmecken, die richtige Temperatur haben und in einer Tasse serviert werden, die sich in den Händen gut anfühlt.

Ob es Regeln beim Kaffeetrinken gibt? Josiah Tiner schüttelt den Kopf. "Aber mein Herz weint, wenn jemand ganz viel Zucker auf den Milchschaum kippt, wo so viel kunstvolle Arbeit dahintersteckt und alles mit dem Zucker untergeht."