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Ideenfabrik Jugend

Um konkurrenzfähig zu bleiben, braucht es die Innovationskraft der Jungen. Wie generationsgerechtes und damit generatives Führen gelingt, verrät ein Experte.

Gerhard Furtmüller: „Veränderungen und Innovationen werden zum überwiegenden Teil von den Jungen angestoßen.“
Gerhard Furtmüller: „Veränderungen und Innovationen werden zum überwiegenden Teil von den Jungen angestoßen.“

Für Gerhard Furtmüller ist die große Herausforderung der Zeit das Miteinander zwischen den Generationen. Woran dieses oft scheitert, sei misslingende Kommunikation. Davon ist der Experte für Führungskräfteentwicklung überzeugt. Im Interview verrät er, wie Unternehmen und junge Menschen auf einen gemeinsamen Nenner kommen.

Herr Furtmüller, warum sind Innovationen die Währung der Zukunft? Gerhard Furtmüller: Wenn ich mich nicht neu erfinde - über Produkte, Prozesse, Dienstleistungen -, dann bekomme ich ein Problem. Man muss sich nur die Unternehmen anschauen, die seit 50 oder 100 Jahren erfolgreich bestehen. Und auch die Big Player der vergangenen 20, 30 Jahre wie Google oder Meta zeichnen sich durch eine Dynamik aus, die wir spüren.

Für Sie kommt es dabei gerade auf die jungen Generationen an. Schon Sokrates meinte vor mehr als 2000 Jahren, dass die Jugend faul sei, nicht grüße - Vorurteile, wie wir sie auch heute haben. Dabei darf man nicht übersehen, dass Veränderungen und Innovationen zum überwiegenden Teil von den Jungen angestoßen werden. Außerdem sind sie besser sozialisiert, was das Miteinander angeht. Sie wollen kein Ellbogensystem, denn sie wissen: Probleme löse ich nicht im Gegeneinander.

Welche ihrer Fähigkeiten sind außerdem relevant für Unternehmen, die kompetitiv bleiben wollen? Zukunftsadäquate Kompetenzen, die Ältere häufig nicht haben, sind Mobilität, Schnelllebigkeit. Dafür sind die Jungen kaum mehr gewillt, auf Dauer Routinetätigkeiten auszuführen. Viele dieser Tätigkeiten übernimmt inzwischen ohnehin die KI. Auch digitale Kommunikation und Sprachen wie Englisch sind definitiv was, wo die Jungen die Nase vorn haben.

Wir haben aktuell fünf Generationen am Arbeitsmarkt. Was macht Führung aus, die die unterschiedlichen Gruppen im Blick hat? Wenn man an die Eltern, Großeltern zurückdenkt, dann hatten die ganz andere Wertvorstellungen, Erwartungshaltungen, Kompetenzen. Und diese Intervalle der Veränderung werden immer kürzer. Wichtig für Führungskräfte ist, dass sie die Hintergrundfolie verstehen, also verstehen, warum es Unterschiede gibt und was die Stärken und Schwächen der jeweiligen Generationen sind. Wenn ich das verstehe und sichtbar mache, kann ich Veränderung schaffen.

Unterscheiden sich die Jungen tatsächlich so sehr von vorherigen Generationen oder hat sich einfach der Zeitgeist verändert? Das Bedürfnis, geschätzt und wahrgenommen zu werden, ist evident. Bei allen Menschen. Ältere haben allerdings gelernt, ruhig zu bleiben, wenn ihnen etwas nicht passt. Die Jungen sind fordernder. Erfolgsverwöhnter. Sind aber weniger resistent. Das zeigt sich insbesondere in Coachings und Therapien, die sie überproportional in Anspruch nehmen. Das ist der entscheidende Unterschied.

"Wer jedem Mitarbeiter einen Pokal verleiht, dem ist der Mensch egal."
Gerhard Furtmüller
WU-Dozent und Leadership-Experte

Was bedeuten diese Eigenschaften der Jungen für die Arbeitswelt? Die bessere Vorförderung impliziert, dass junge Menschen auch im Arbeitsleben mehr Wertschätzung und persönliche Entfaltung erwarten. Die Herausforderung ist, dass Vorgängerinstitutionen wie Eltern, Vereine oder Schulen Fehler machen, indem sie verhindern, dass die Kinder und Jugendlichen eine Frustrationstoleranz aufbauen. Dies geht heutzutage so weit, dass der Siebtplatzierte bei einem Skirennen noch einen Pokal bekommt. Diese rosarot gezeichnete Welt bekräftigen die sozialen Medien noch. Die daraus resultierenden Probleme kriegen dann die Unternehmen.

Wie können sich Führungskräfte darauf einstellen? Die erste Lösung ist, den Jungen klare Regeln zu geben, um eine Orientierung für sie zu schaffen. Die zweite, dass man Führungskräfte an dieses Thema heranführt und diese einen Plan entwickeln, wie sie junge Menschen dauerhaft erreichen und nicht nur punktuell vor dem Start in den Job, etwa über LinkedIn.

Welche Rolle spielt hier die Authentizität? Wenn das Employer Branding nur Events, Wasserrutschen und Arbeiten mit Freunden verspricht, dann wird die Erwartungshaltung dementsprechend groß sein. Unternehmen, die so etwas tun, sind allerdings sehr schlecht beraten. Junge spüren, wenn sie angelogen werden. Eine Gesellschaft, in der nur das Positive herausgefiltert wird, die ganzen geschönten Bilder im Internet - das macht dich wahnsinnig. Deshalb ist den Jungen Authentizität umso wichtiger. Enttäuschte Erwartungen führen zu Frust. Wer realistische Jobinfos herausgibt, hat eine größere Chance auf ein "Match" und auch darauf, dass Mitarbeiter langfristig bleiben.

Welche Bedeutung hat Wertschätzung für die Motivation und Entwicklung junger Menschen? Wir haben heute häufig sehr kalte Organisationen. Wenn das Positive hervorgehoben wird, dann häufig, ohne ins Detail zu gehen. Das ist oberflächlich und geringschätzend. Wer "Alles ist super" als Feedback gibt und jedem Mitarbeitenden einen Pokal verleiht, dem ist der Mensch egal. Der junge Mensch will aber wahrgenommen werden. Selbst wenn er Feedback zu einer Sache bekommt, die nicht so gut gelaufen ist, dieses Feedback aber einen Lösungsansatz mitbringt, fühlt er sich stärker. Wenn man den Menschen sieht, ihn in den Mittelpunkt stellt, dann hat das einen positiven Effekt, selbst wenn man ihn einmal zurechtrücken muss. Ohne ehrliches, konstruktives Feedback kann man nicht an Herausforderungen arbeiten.

Wie bringt man in die Köpfe der Entscheider, dass sich etwas ändern muss? Managern sind drei Buchstaben wichtig: KPI, also die Kennzahlen. Wenn die Erlöse nach oben gehen sollen, braucht es Innovationskraft. Eine Stärke, die die Jungen haben und gern einbringen, wenn man sie gut führt.

Wie gelingt generationsgerechtes Führen nun am besten? Dafür braucht es das Zwischenmenschliche, Bewegung, Aufbruch. So nimmt man die Mitarbeiter mit. Wenn sich das Boot bewegt, dann rudert der Junge auch. Nur im Büro sitzen, um drei E-Mails zu beantworten, das will keiner mehr. Machtpromotoren wie Vorstand und HR müssen mitziehen, wenn generationsgerechtes Führen Wirkung entfalten soll. Dass dieses Thema Dringlichkeit hat, muss bei ihnen ankommen: Der Arbeitnehmer ist heute in der stärkeren Position. Umso besser muss ich führen, meine Mitarbeiter entwickeln. Andernfalls gehen sie einfach zum nächsten Unternehmen.